Abgesattelt: Das De- bakel mit den Pferden

Sport: Abgesattelt

Frank Stronachs Magna Racino steht vor dem Aus

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Es gibt Jobs, die sind reine Himmelfahrtskommandos. Chef der Reitsportanlage Magna Racino im niederösterreichischen Ebreichsdorf zu sein ist ein solcher. Deren drei erste Geschäftsführer, Bruno Schlintner, Heinz Purkarthofer und Hanns-Georg Siebert konnten sich jeweils nur knapp ein Jahr im Sattel halten. Herbert Ripel bewies da schon deutlich mehr Durchhaltevermögen. Am 25. September wird sich sein Amtsantritt zum zweiten Mal jähren. Jetzt stellt sich allerdings die Frage, was Ripel dann noch zu führen hat. Freitag vergangener Woche kündigte das Management des Racino-Mutterkonzerns Magna Entertainment an, dass der Rennbetrieb zum Saisonende im November geschlossen wird.

Die Nachricht markiert den Tiefpunkt einer Reihe von negativen Meldungen, die das Racino seit seiner Eröffnung im April 2004 hervorgebracht hat. Erst war es der Streit um die richtige Strategie, der in der Folge drei Manager geopfert wurden. Parallel dazu häuften sich die Verluste: 16 Millionen Minus erwirtschafteten die beiden Gesellschaften MEC Racino Holding und MEC Racino Veranstaltungsgesellschaft im ersten Geschäftsjahr, 14,3 Millionen Miese waren es im Jahr 2005. Nun scheint klar, dass das Unternehmen auch heuer nicht aus den Verlusten kommen dürfte, weshalb sich Initiator Frank Stronach gezwungen sah, die Reißleine zu ziehen. Verluste dieser Größenordnung sind für den milliardenschweren Gründer des Autozulieferkonzerns Magna zwar zu verschmerzen. Die Aktionäre der börsenotierten Magna Entertainment Corporation haben dafür aber weniger Verständnis. Im Vorjahr erwirtschaftete der Konzern bei gut 500 Millionen US-Dollar Umsatz einen Verlust von 87,4 Millionen Dollar (umgerechnet 64 Millionen Euro). Einen nicht unbeträchtlichen Teil davon steuerte das Racino mit einem Minus von 11,2 Millionen Euro bei. Und das bei gerade einmal 7,2 Millionen Euro Umsatz. Dass die Verluste heuer möglicherweise bei nur 4,4 Millionen Euro liegen sollen, tröstet auch wenig. Immerhin mussten die MEC-Investoren miterleben, wie der Aktienkurs von über sieben Euro Anfang 2006 zuletzt auf Werte von gerade einmal zwei Euro abrutschte.

Die Anlaufinvestitionen von rund 70 Millionen Euro und die kumulierten Verluste von zumindest 40 Millionen Euro zusammengerechnet, hat Stronachs Unternehmen das Abenteuer Ebreichsdorf bislang bereits rund 110 Millionen Euro gekostet.

Zweiter Anlauf. Vor gut einem Jahr hoffte der bald 75-jährige Austrokanadier, die Zügel noch einmal herumreißen zu können: Um dem klassischen Renngeschäft Rückenwind zu verleihen, wurde die Agentur Publicis mit einer neuen Werbekampagne unter dem Titel „Jedem sein Pferd“ beauftragt, deren Sujets anschließend breit affichiert wurden. Damit sollten, zumindest nach Wunsch der Initiatoren, endlich neue Interessenten gewonnen werden. Der Wiener Künstlermanager Herbert Fechter bekam zudem den Auftrag, ein neues Konzept für den Unterhaltungsbereich zu erstellen. Fechters damalige Bestandsaufnahme: „Es gab niemanden, der die Gäste begrüßt oder ihnen die Wetten erklärt hätte. Das ganze Jahr über lief ein und dasselbe Showprogramm, und es gab immer

das gleiche Menü. Das war ja fast wie im Film: Und täglich grüßt das Murmeltier.“ Nach Fechters Konzept werden seither wöchentliche Themenschwerpunkte gesetzt, die sich sowohl im Showprogramm als auch in der Speisekarte niederschlagen. Zudem wurde die Akustik- und Lichtausstattung modifiziert, eine Investition, für die, so Fechter, „Magna sehr viel Geld in die Hand genommen hat“. Und um den proklamierten „Las Vegas Style“ auszureizen, stehen seither knapp geschürzte Hostessen bereit, die Gästen ihre Plätze zuweisen und beim Ausfüllen ihrer Wettscheine behilflich sind. Sogar eine eigene Racino-Kollektion für Reitaccessoires wurde aufgelegt.

Fechter resümiert heute hochzufrieden: „Wir haben die Auslastung auf über 90 Prozent steigern können. Damit liegen wir sogar weit über Plan.“ Das Entertainmentgeschäft in der 1200 Quadratmeter großen Halle ist, wie er zugibt, aber „nur ein ganz kleiner Minianteil vom Gesamtgeschäft“. Und genau das rechnet sich eben nicht. Fechter zeigt sich trotzdem überzeugt, dass der Entertainmentbereich weiterbetrieben wird: „Ich habe erst gestern einen Termin für 22. August bestätigt bekommen, bei dem ich das Programm für 2008 präsentieren soll. Das wäre sonst wohl nicht geschehen.“

Trotz enormen Finanzeinsatzes und zahlreicher Kurskorrekturen wollten sich die Zahlen auf der Rennbahn nicht in die von Stronach angepeilten Regionen bewegen. 500.000 Gäste wollte der Pferdenarr und erfolgreiche Züchter bereits im ersten Jahr nach Ebreichsdorf locken. 500.000 sind es auch fast geworden, allerdings verteilt über den gesamten Zeitraum von April 2004 bis jetzt (siehe Kasten). Dass bei solch spärlichem Besuch kein Geld zu verdienen ist, ist klar. Bei einem funktionierenden Rennbetrieb sollen nämlich die Wetteinsätze eine Größenordnung erreichen, bei der nicht nur Gewinne ausgezahlt und der Betrieb finanziert werden können, auch die ausgelobten Preisgelder wollen, so sie nicht von einem externen Sponsor kommen, damit finanziert sein. Klappt dies nicht, muss der Betreiber zubuttern. Und genau das musste er.

Neues Konzept. Vor gut einem Jahr noch hatte sich Racino-Chef Herbert Ripel überaus optimistisch gezeigt, das „hochambitionierte und eingeschweißte Team“ gelobt und versichert, dass er von seinem obersten Boss die volle Rückendeckung habe. Ripel damals: „Ich verstehe mich mit Frank Stronach sehr gut. Er ist nicht nur mein Chef, sondern längst auch ein persönlicher Freund. Und das vor allem deshalb, weil ich ihm immer ehrlich meine Meinung sage.“

Mit der hält Ripel nun allerdings hinterm Berg: „Ich kann dazu derzeit überhaupt nichts sagen. Ich werde zu gegebener Zeit eine Information hinausgeben.“

Auch andere Leute, die sich damals für das Projekt engagiert haben, geben sich heute schweigsam. Karl Nigl etwa, langjähriger Chef der Raiffeisen Ware Austria, den Frank Stronach in der Gründungsphase des Racinos als Projektverantwortlichen bei Magna eingesetzt hat. „Ich möchte das nicht kommentieren, da ich seit drei Jahren nicht mehr für das Racino zuständig bin“, sagt Nigl. Eine Mauer des Schweigens bauen auch Niederösterreichs Landespolitiker auf. Jene Herren also, die bei der Eröffnung vor drei Jahren noch unter dieser Devise agierten: feiern und feiern lassen. „Der Herr Landesrat möchte sich zu der Sache nicht äußern“, heißt es aus dem Büro des Wirtschaftsressortchefs Ernest Gabmann. Auch Landesvater Erwin Pröll ist nicht zu sprechen. „Das ist eine rein unternehmerische Entscheidung, die der Herr Landeshauptmann nicht kommentieren will“, erklärt ein Sprecher.

Gut nur, dass das Land Niederösterreich keine Fördermittel in das Projekt gepumpt hat. Im Gegensatz zum gleichfalls vor einer ungewissen Zukunft stehenden steirischen Projekt Spielberg, in das 21 Millionen Euro an Landesmitteln geflossen sind.

Was mittelfristig beiden Ländern bleiben könnte, ist eine Sportstättenruine.

Von Martin Himmelbauer
Mitarbeit: Andrea Rexer