In Bewegung: Sport-vereine in Geldnöten

Sportvereine: In Bewegung

Österreichs größte, klein-ste & originellste Vereine

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Die Österreicher sind ein Volk der Sportler. Egal, ob es um Leistungs-, Breitensport oder den traditionellen „Fit mach mit“-Marsch am Nationalfeiertag geht: Wer kann, bewegt sich – und lässt sich die Aktivitäten laut Statistik auch einiges kosten. Die sechs Milliarden Euro an Wertschöpfung durch Spitzen- und Breitensport in Österreich machen jährlich drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. 14.200 Sportvereine bieten eine gewaltige Auswahl: vom Angeln übers Klettern bis zum Zillensport.

Allerdings: Trotz breitem Angebot kommen den Sportvereinen seit einigen Jahren Mitglieder abhanden. Peter Zellmann, Leiter des Wiener Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung, glaubt die Gründe zu kennen: „Die Menschen möchten sich nicht mit veralteten Strukturen herumschlagen. In Zeiten, in denen auf Individualität großer Wert gelegt wird, ist der Mitgliederschwund in den durchorganisierten Sportvereinen nur verständlich.“

Waren die Vereine bis vor zwanzig Jahren erste Anlaufstelle für Sportbegeisterte, sinken die Mitgliederzahlen seither und haben jüngst einen neuerlichen Tiefstand erreicht. René Riedl, Leiter des Lehrganges für Vereinsmanagement der Linzer Johannes-Kepler-Universität und Herausgeber des „Handbuchs Vereinsmanagement“, macht dafür wie Zellmann gesellschaftliche Veränderungen verantwortlich: „Vor allem jüngeren Vereinsmitgliedern widerstrebt es, jahrelang ein Amt in einem Sportverein zu bekleiden, mit der Perspektive, sich in 20 Jahren eine Blechanstecknadel anheften zu lassen.“

Dabei läuft ohne ehrenamtliche Mitarbeiter gar nichts. Nur ein Prozent aller im Sport Tätigen widmet sich hauptberuflich der Körperertüchtigung beziehungsweise der Organisation derselben. Sechs Prozent stehen teilberuflich im Sold des Sports, 93 Prozent sind ehrenamtlich Tätige. Selbst die Bundessportorganisation (BSO) muss auf ehrenamtliche Helfer zurückgreifen, um die Finanzgebarung der einzelnen Sportverbände zu prüfen. In Österreich sind rund 350.000 Menschen ehrenamtlich im Sport tätig. Rechnet man deren Arbeitseinsatz auf Ganztagsbeschäftigte um, wären das 40.000 Vollzeitangestellte, die es jährlich auf rund eine Million Arbeitsstunden brächten.

Lediglich am Land sind die Vereinsstrukturen noch so stabil, dass die Mitglieder ihrem Sportverein gemeinhin auch dauerhaft die Treue halten. Doch auch das wird sich in absehbarer Zeit ändern, ist Zellmann überzeugt: „Die Entwicklung geht nur ein wenig langsamer vor sich als in der Stadt.“

Know-how. Der Obmann des Sumoringer-Clubs Floridsdorf denkt indes schon jetzt ans Aufgeben: „Vom Ringerverband bekommen wir keine Hilfe“, klagt Harald Paratschek. „Es wird weder Öffentlichkeitsarbeit betrieben, noch gibt es finanzielle Unterstützung. Ich müsste meine persönlichen Ersparnisse in den Sport stecken.“

Solche Zustände sind René Riedl bekannt: „In welchen übergeordneten Verband eine Sportart fällt, kann man sich nicht aussuchen. Das ist Glückssache. Verbände, die sich erfolgreich um ihre Mitglieder bemühen, haben das meist dem Engagement der Funktionäre zu verdanken.“ Und diese sollten sich, meint Riedl, im Idealfall nicht nach einer 60-Stunden-Woche im Beruf nebenbei noch ein bisschen im Sport engagieren, sondern im Alltag einen Job haben, der ihnen genügend Raum für das Funktionärswesen in der Freizeit lässt. Doch Motivation und Sportbegeisterung allein reichen nicht. Man muss auch wissen, wie man Förderungen beantragt, eigene Leistungen präsentiert, Sponsorengelder auftreibt.

Die Bundessportorganisation versucht nun das Qualifikationsniveau der Funktionäre zu verbessern. Mit den drei Sportdachverbänden – der Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich (ASKÖ), der Sportunion und dem Allgemeinen Sportverband Österreichs (ASVÖ) – wurde der Lehrgang „BSO Sportmanager“ entwickelt. Derzeit wird um 222 Euro eine Basisstufe angeboten, Master- und Profilehrgänge sollen folgen. Walter Pillwein, Generalsekretär der BSO: „Wir wollen den ehrenamtlichen Funktionären das nötige Rüstzeug mitgeben.“ In 60 Stunden bekommen Sportfunktionäre vom Zeugwart bis zum Generalsekretär einen Crashkurs in Marketing, Organisation sowie Recht und Finanzen.

Zu jenen Vereinen, die kontinuierlich wachsen, zählt der Österreichische Alpenverein (OEAV). Seit 1990 stoßen jährlich 5000 bis 10.000 neue Mitglieder dazu, wobei im Vorjahr der größte Zuwachs seit Ende des Zweiten Weltkriegs registriert wurde. Mittlerweile zählt der Verein insgesamt 310.000 Mitglieder.

Doch die budgetäre Situation sieht auch hier nicht allzu rosig aus. Gerold Benedikter, Sprecher des OEAV: „Der Bund stellt nicht unbedingt viele Mittel zur Verfügung. Im vergangenen Herbst waren wir bereits auf den finanziellen Crash gefasst. Erst dann wurde uns wieder Unterstützung zugesichert.“ Zusatzaufgaben wie die Betreuung von 240 Berghütten und von Wanderwegen verschlingen eine Menge Geld.

Die Klage über finanzielle Engpässe scheint in Österreichs Sportlandschaft freilich fast eine eigene sportliche Disziplin zu sein. Der Österreichische Tennisverband (ÖTV) moniert, dass viele Mitgliedsvereine ums Überleben kämpfen. Auch der ÖTV, der über ein Jahresbudget von 1,6 Millionen Euro verfügt, sei auf die Hilfe von etwa 10.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern angewiesen, sagt Peter Teuschl, Generalsekretär von Tennis Austria: „Im ÖTV gibt es fünf Angestellte, davon arbeiten zwei Personen Teilzeit. Unser aus sechs Leuten bestehendes Präsidium arbeitet ehrenamtlich, ebenso unsere zehn Referenten. In den Landesverbänden ist die Situation ähnlich.“

Networking. Während im Sportförderungsgesetz festgeschrieben ist, wie viel Geld der Österreichische Fußballbund (ÖFB), die Dachverbände Sportunion, ASKÖ und ASVÖ sowie die Spartenverbände bekommen, gibt es im Hinblick auf die organisatorisch darunter angesiedelten Vereine (siehe Grafik Seite 84) keine genauen Regelungen. Tendenziell sind aber jedenfalls die größeren im Vorteil, so Experte Riedl: Die meisten Förderungsgelder lukriere zumeist, wer sich besonders lautstark bemerkbar mache, sich am besten mit der Thematik auskenne und „dabei das erfolgreichste Networking betreibt“.

Drei Prozent der Glücksspiel-Gesamteinnahmen eines Jahres fließen in den Sport. Im laufenden Jahr stehen dank hoher Toto-Einnahmen rund 55 Millionen Euro zur Verfügung. Die BSO ist für die Verteilung dieser Gelder zuständig (siehe Grafik „Geldverteilung“).

Kaum ein österreichischer Sportverband profitiert dabei mehr als König Fußball. Beim BSO erklärt man den Geldregen mit historisch gewachsenen Strukturen: „Der ÖFB hatte immer schon eine enorm starke Verhandlungsposition und konnte einen finanziellen Vorteil gegenüber anderen Verbänden herausschlagen. Durch die Toto-Gelder brachte der Fußball auch am meisten ein“, so BSO-Experte Andreas Görgl. „Heute lässt sich das aufgrund der gefestigten Situation nicht mehr ändern.“ Fußball bewege die Menschen wohl mehr als jede andere Sportart, weshalb die Sonderstellung des Verbandes und seiner 468.000 aktiven Mitglieder gerechtfertigt sei.

Bei der Aufteilung des Kuchens spielt zwar vor allem die Verbandsgröße eine Rolle, doch auch sportliche Erfolge sind von Belang, wie zum Beispiel Helmut Hochwartner vom Casting-Verband berichten kann. Die Österreicher sind Meister in dieser Sportart, die sich vereinfacht als Fliegenfischen im Trockenen beschreiben lässt. Österreichs Casting-Profis errangen zwei Stockerlplätze bei den World Games, bei denen alle nichtolympischen Disziplinen vertreten sind. Obwohl der Verband nur 1030 Mitglieder zählt, kann er sich aufgrund guter sportlicher Leistungen finanzieren. Zusätzlich zu den BSO-Geldern werden auch Landesförderungen lukriert.

Auf jeden Fall ist der Casting-Verband ökonomisch deutlich besser gestellt als zum Beispiel die zahlreichen kleinen Platten- und Hufeisenwerfer-Vereine. Die Sportart, die aus westösterreichischem Brauchtum stammt, begeisterte ganze Generationen. Zur Ausübung braucht es nicht mehr als eine Daube, Hufeisen oder Steinplatten mit einem Durchmesser von 19 Zentimetern. Wer der Daube beim Werfen am nächsten kommt, gewinnt. Rudolf Laner, Vereinsobmann in Schwarzach im Pongau: „Als wir vor sechs Jahren eine Vereinshütte gebaut haben, hat unser Dachverband ASKÖ etwas zugeschossen, aber seitdem ist wieder Sparen angesagt.“ Die Schwarzacher Plattenwerfer machen ein Verlustgeschäft: Förderungen gibt es kaum, und mit den Mitgliedsbeiträgen von acht Euro im Jahr lassen sich auch keine großen Sprünge machen. Dabei kostet die Teilnahme an einem Turnier schon 40 Euro.

Besser geht es den Unterwasserrugby-Spielern. Die auf den ersten Blick eher skurril anmutende Sportart wurde ursprünglich als Konditionstraining für Taucher entwickelt und erfreut sich beim Tauchverband großer Beliebtheit. Dabei spielen zwei Teams zu jeweils elf Personen zweimal 15 Minuten lang, wobei immer nur sechs Spieler einer Mannschaft im Wasser sind. Dann heißt es Luft anhalten und den Ball in den gegnerischen Korb befördern. Mittlerweile zählt Unterwasserrugby zu einer der drei Verbandswettkampfsportarten. Wolfgang Würz, Obmann des Wiener Vereins, ärgert sich allerdings über das knappe Budget, das nicht nur seinen Rugbyspielern, sondern dem Tauchverband allgemein zur Verfügung steht: „An Förderungen kommt man momentan am ehesten durch Projektarbeit. Große Vereine können dafür eigene Leute abstellen. Das geht bei uns nicht. Mit 80 Spielern sind wir viel zu wenig.“

Wohlbefinden statt Leistung. Freizeitforscher Peter Zellmann rät überhaupt zu einer Konzentration auf neue Schwerpunkte. „Sind die Strukturen auf Freizeitsport mit Abenteuer und Outdoor-Erlebnis ausgelegt, kann ein Verein auch heute Mitglieder gewinnen“, glaubt er. Mit speziellen Aktionen, die weniger auf Leistung, sondern auf Gesundheit und Wohlbefinden abzielen, könnten wieder mehr Vereinssportler gewonnen werden. Das Konzept scheint nahe liegend, wie die Zuwachszahlen der Sportdachverbände bei „Wellness“-Sportarten wie Yoga und Pilates belegen. Und Kosten-Nutzen-Rechnungen würden zudem belegen, dass gezielte Sportfördermaßnahmen, gerade wenn es um Gesundheit geht, der Volkswirtschaft mehr bringen, als sie kosten.

Von Ulrike Moser