Starregisseur Wong Kar-wai scheitert an...

Roadmovie-Romanze und an Norah Jones

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Der Weltruhm der Sängerin Norah Jones ist leicht erklärt. Ihre Songs sind, was man „gut gemacht“, aber niemals spannend oder gar künstlerisch auffällig nennen könnte: Pop ohne Eigenschaften. Jones’ unverbindlicher Salonjazz ist der Edel-Soundtrack für Leute, die keine Lust haben, für Popmusik (geschweige denn für Jazz) Zeit aufzuwenden, sondern lieber nehmen, was nach Feierabend gut zum Single-Malt-Whisky passt.

Nun setzt sich Jones erstmals auch im Kino in Szene, inszeniert von Wong Kar-wai, einem Künstler, der immerhin wagemutige Eastern wie „Ashes of Time“ (1994) und avancierte Melodramen wie „In the Mood for Love“ (2000) und „2046“ (2004) gedreht hat. „My Blueberry Nights“, das ist die schlechte Nachricht, scheint eher ein Film von Norah Jones geworden zu sein als einer des großen Wong.

Wohlfeil. Der Brite Jude Law macht sich als hyperaktiver Betreiber einer kleinen New Yorker Bar an ihrer Seite wichtig: Das traurige Mädchen stellt sich – vom Liebs­ten betrogen und verlassen – in seinem ­Lokal zum Plaudern und Blaubeerkuchenessen ein. Zwei einsame Menschen, so nett wie die Musik, die sie begleitet, vertreiben einander in der leeren Bar die nächtliche Zeit. Absehbar setzt es wohlfeile Romantik: Die Schöne und der Mann mit dem offenen Ohr und den feinen Desserts erleben, as time goes by, gute Gespräche und gemeinsames Nasenbluten, man weint ein bisschen und philosophiert über Dinge, die allgemein genug klingen, um uns wirklich alle betreffen zu können. Heimlich küsst der Verständnisvolle der schlafenden Fremden später den Zuckerrand vom Mund.

Dann macht sich die junge Frau auf die Reise, läuft weg vor der eigenen Vergangenheit, und der Blick des Films könnte sich weiten, aber er bleibt, wo er schon war: im Kopf eines an der Außenwelt gänzlich desinteressierten Filmemachers, der seine erste amerikanische Produktion gern amerikanischer gestalten würde als seine US-Kollegen. Die Filme von Wim Wenders, dessen Kino seit Langem an eben­dieser Krankheit laboriert, kommen einem angesichts des Scheiterns von „My Blueberry Nights“ in den Sinn.

300 Tage lang ist die Heldin unterwegs, nimmt Kellnerinnenjobs in Kneipen an, in denen sie zur Zeugin kleiner und größerer Dramen wird. So degeneriert der Film zu einem Roadmovie von höherer Beliebigkeit, zu einer Serie von Episoden, die von verflossener Liebe und vager romantischer Hoffnung, von depressiven Witwen (Rachel Weisz), tragischen Alkoholikern (David Strathairn) und glücksspielenden Mädchen mit Vaterkomplex (Natalie Portman) handeln. Was dieser Film mitzuteilen hat, ist schon vergessen, während er noch läuft: Nichts als Melo- und Reisefilmklischees hat er zu bieten, amerikanische Landschaftsbilder wie aus der Marlboro-Werbung und zu viele liebenswerte Menschen mit zu vielen Gründen zu endloser Wehmut. Am Ende bleibt von Wongs „Blueberry Nights“ nicht mehr als die Erinnerung an seine Einstiegseinstellung: die seltsam fleischlich anmutende Nahaufnahme eines von geschmolzenem Vanilleeis gefluteten, blutroten Heidelbeerkuchens.