Steiermark: Das süße Vergessen

Die Affäre Herberstein gerät zum Justizkrimi

Drucken

Schriftgröße

Im medialen Dauerfeuer um getürkte Rechnungen und schwarz verbuchte Eintrittskarten fand eine Erfolgsmeldung aus dem Tierpark Herberstein vergangene Woche kaum Beachtung: Zwei Wochen nach Veröffentlichung eines brisanten Landesrechnungshofberichts verzeichnet Österreichs drittgrößter Zoo einen massiven Besucheranstieg.
So schnell wird aus einer Politaffäre ein massentauglicher Skandal.

Die Causa Herberstein bot seit Langem alle Ingredienzien eines Hollywoodfilms: der Aufstieg der Jusstudentin Andrea Untersteiner zum medialen Oberhaupt eines ehrwürdigen Adelsgeschlechts, die Nähe zu High Society und hoher Landespolitik, schließlich die Verwandlung eines Kleinzoos in die größte private Touristenattraktion hinter dem Semmering.

Doch hinter gräflichen Gemäuern war der Lack schon lange ab. Der Rohbericht des Rechnungshofs bestätigte nur, was Landespolitiker lange geahnt hatten. Seit den achtziger Jahren förderten steirische Proporzregierungen das Anwesen – ohne jegliche Kontrolle und mit 6,9 Millionen Euro.

Der Geldregen wurde nach bestem Wissen und anscheinend ohne schlechtes Gewissen ausgenutzt. Der Rechnungshof bemängelt üppige Privatentnahmen für Andrea Herberstein und Mehrfachförderungen.

Nun mehren sich Hinweise auf noch weit gröbere Unregelmäßigkeiten. So deklarierte eine Hartberger Tischlerei im Auftrag Herbersteins Umbauten in der Wiener Luxuswohnung von Andrea Herberstein und Star-Bariton Thomas Hampson als Investitionen im Familienanwesen (siehe Faksimile). Laut profil vorliegenden Informationen wurden im Jahr 1997 für Rechnungen dieses Unternehmens über 480.190 Schilling Förderungen beantragt und bewilligt. Dem Land wurden die Wiener Umbauten als Arbeiten an einem „Gartenhaus“ in Herberstein verkauft. Allein zwischen 1997 und 1998 sollen dem Land auf diese Weise getürkte Belege in der Höhe von mehreren Millionen Schilling vorgelegt worden sein. Andrea Herberstein war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die Justiz beschäftigt nun eine mutmaßlich noch lukrativere Verrechnungsmethode: Jahrelang scheint ein Teil der Eintrittskarten schwarz verkauft worden zu sein. Falls sich die Vorwürfe als stichhaltig erweisen, ersparte sich Herberstein so nicht nur die Abführung der Umsatzsteuer. Durch die Verschleierung der tatsächlichen Einkünfte schrieb das Unternehmen höhere Verluste, die ab 2001 das Land beglich. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Betrugsverdachts.

Über den Filz aus Protektion und Subvention, der eine Kontrolle Herbersteins lange unnötig erscheinen ließ, spricht in Graz niemand so gern. Denn die SPÖ war genauso Teil des Systems wie Landeshauptfrau Klasnic und der frühere ÖVP-Tourismuslandesrat Gerhard Hirschmann, der nun mit eigener Namensliste bei den Landtagswahlen am 2. Oktober antritt. „In der Steiermark bedeutete Subventionspolitik immer: Eine Partei verlangt Förderungen in gewisser Höhe, und der andere nimmt sich gleich viel. Daher hat auch nie jemand nachgefragt“, sagt Manfred Prisching, ein intimer Kenner der steirischen ÖVP und Soziologieprofessor in Graz.

Ausgedehntes Schweigen. Die so genannte Landesmutter hat sich seit Tagen nicht mehr zur Causa prima zu Wort gemeldet. Die Frau Landeshauptmann könne ihre zwei Wochen alte Stellungnahme selbstverständlich gerne wiederholen, heißt es in Klasnics Büro. Aber eigentlich sei alles gesagt. Sie sei „erschüttert“, hatte Klasnic damals gemeint. Und: Es müsse alles aufgeklärt werden.

SPÖ-Herausforderer Franz Voves blieb zuerst in Mauritius, stolperte dann über seine luxuriöse Büroeinrichtung und schwankt bis heute zwischen wilden Attacken und ausgedehntem Schweigen. „Es ist nicht immer der Vorsitzende, der Kritik vorträgt“, erklärt Voves (siehe Interview).

Gerhard Hirschmann sah im Angriff die beste Verteidigung. Mit gutem Grund: 2001 hatte er jenen Vertrag unterschrieben, mit dem das Land den Einstieg als stiller Gesellschafter besiegelte und auf Kontrollrechte verzichtete. Ab 1993 war er für den Tierpark ressortverantwortlich und erhob diesen zum touristischen Leitprojekt. Nun will Hirschmann die Landeshauptfrau nicht einmal für die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Herberstein aus der Verantwortung nehmen. „Klasnic wusste deshalb von nichts, weil sie nie geprüft hat“, sagt er. Und Gerhard Hirschmann?

Die Ursachenforschung währte dementsprechend kurz. Seit ein ehemaliger Gutsverwalter eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Graz einbrachte, hat der Justizkrimi die Frage nach der politischen Verantwortung in den Hintergrund gedrängt. Der Name Waltraud Klasnic ist im Zusammenhang mit Herberstein fast gänzlich aus den Tageszeitungen verschwunden.

Der schwer gebeutelten ÖVP kann das nur recht sein. Zwar werden Enthüllungen aus Herberstein die Öffentlichkeit noch länger in Atem halten. Doch in Klasnics Umfeld sieht man die Affäre bereits als „autonomen Justizskandal“. Eine Schuldzuweisung „verbiete“ sich. Sobald die Empörung abgeebbt ist, will Klasnics Team in die Offensive gehen. Erste Plakate sind affichiert.

Mittwoch vergangener Woche versuchte die SPÖ die politische Seite der Causa in Erinnerung zu rufen. Ohne Erfolg. Sorgte doch am selben Tag ein psychiatrisches Gutachten im Auftrag der Herbersteins für Aufregung. Ein anonymer Psychologe verunglimpft darin den ehemaligen Gutsverwalter und Kronzeugen gegen das gräfliche Geschlecht.

Platz auf der Titelseite der „Kleinen Zeitung“ fand das Gutachten trotzdem. Die politische Erinnerungsarbeit war dem Lieblingsblatt der Steirer übrigens keine Erwähnung wert.

Von Alexander Dunst