Zwischen Pannen & Hoffen: Steiermark

Steiermark: Zwischen Pannen und Hoffen

Die Vorgänge um den Tierpark Herberstein

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Langweilig war es in der Steiermark am Donnerstag vergangener Woche definitiv nicht. In Irdning bestaunten Fußballfans die zum Training eingeflogenen Kicker von Real Madrid. Mürzsteg freute sich über hohen Besuch: In der Sommerresidenz des Bundespräsidenten empfing Heinz Fischer den Fürsten von Liechtenstein. Am Hochschwab feierte der Verein „Schwarze Sau“ sein traditionelles Treffen von Liebhabern des alten schwarzen Puch-Motorrads.

Und in Graz war überhaupt der Bär los. Der Rohbericht des Landesrechnungshofs über den Tierpark Herberstein belebte jäh den sommerlich dahindümpelnden Vorwahlkampf. Von angeblich mehrfach abkassierten Fördergeldern ist darin zu lesen, von öffentlichen Mitteln, die ins Privatvermögen der gräflichen Familie geflossen sein sollen, und davon, dass das Land Steiermark, das immerhin 6,9 Millionen Euro in den Tierpark investiert hat, von dem Treiben keine Ahnung hatte, weil es die nötige Kontrolle unterließ (siehe Seite 14).

Die Opposition ging prompt in die Offensive: In den Augen der SPÖ zeichnet der Rohbericht ein „Sittenbild der Freunderlwirtschaft“ zwischen Volkspartei und Adel. Die FPÖ argwöhnte, die Vorwürfe seien nur die „Spitze eines Eisberges“. Die Grünen kritisierten die „verantwortungslose Förderungspolitik“. Gerald Grosz, Obmann des steirischen BZÖ, schickte den Rohbericht gleich an die Justizministerin weiter – „mit freundlichen Grüßen an die Staatsanwaltschaft“.

Alle Anwürfe richteten sich in letzter Konsequenz gegen Waltraud Klasnic. Die Landeshauptfrau hatte sich bis zuletzt für eine weitere Subvention des gräflichen Betriebs stark gemacht.

Acht Wochen vor den Landtagswahlen kommt der Bericht für die ÖVP einer mittleren Katastrophe gleich. Sogar politische Beobachter, die den publizierten Umfragen bisher keinen Glauben schenkten (laut OGM lag die ÖVP zuletzt bei 40, die SPÖ bei 39 Prozent), sind sich nun einig: Ab sofort gibt es tatsächlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Nummer eins im Land.

„Das ist ein veritabler Rückschlag und schwerer Ballast für den kommenden Intensivwahlkampf der ÖVP“, sagt der Politologe Fritz Plasser, und sein Kollege Peter Filzmaier meint: „Das Image der unantastbaren Landesmutter ist weg, Klasnic polarisiert. Das ist in Wahlkämpfen nie gut.“

Strategische Fehler. Das Dilemma, in dem die ÖVP nun steckt, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Klasnic hatte im Mai angekündigt, den Tierpark für die stattliche Pacht von 304.000 Euro pro Jahr für 20 Jahre übernehmen zu wollen. Die Bedeutung des Tourismusmagneten für die strukturschwache Oststeiermark ist zwar unbestritten. Die Opposition reagierte dennoch unwirsch: Sie wollte von einer Unterstützung Herbersteins, über die lange Zeit Konsens bestanden hatte, plötzlich nichts mehr wissen. Die SPÖ rechnete im Landtag Förderungen gegen höhere Heizkostenzuschüsse für Kleinverdiener auf und sprach von Klientelpolitik. Gerhard Hirschmann, einst als ÖVP-Landesrat Unterzeichner der stillen Teilhaberschaft des Landes an Herberstein, witterte schon im Mai einen Skandal.

Doch Klasnic ignorierte nicht nur die Einwände der politischen Gegner, sondern auch die Warnsignale im eigenen Haus. In Regierungskreisen galt es bereits als offenes Geheimnis, dass die Prüfung des Landesrechnungshofes, die seit Februar lief, kein Persilschein für die Adelsfamilie Herberstein sein werde. Zeitgleich waren in der „Kleinen Zeitung“, dem Hausblatt der Steirer, immer wieder Berichte zu lesen, die das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten auf dem Gut Herberstein erahnen ließen.

Trotzdem blieb Klasnic bei der von ihr eingeschlagenen Linie: Noch am 17. Juni freute sie sich in einem Radio-Interview, dass der Tierpark Herberstein das Übernahmeangebot des Landes akzeptiert habe. Klasnic: „Damit können wir das heiße Thema aus dem Vorwahlkampf heraushalten.“

Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich nun herausstellt. Denn anders als die sperrige Affäre um den Landesenergieversorger Estag birgt der Fall Herberstein alle Ingredienzien für eine boulevardtaugliche Affäre: Die Hauptdarstellerin ist Gräfin Andrea Herberstein, Besitzerin eines hübschen Schlosses nahe dem Stubenbergsee, liiert mit dem US-Bariton Thomas Hampson, auf Du und Du nicht nur mit den Mächtigen des Landes, sondern auch mit den Reichen und Schönen des internationalen Jetsets.

Die Landes-SPÖ hatte schon im Vorjahr die Wahlkampfträchtigkeit des Themas erkannt. Im Juli 2004, nach verheerenden Unwettern in der Oststeiermark, wollte Klasnic dem schwer defizitären Tierpark rasch und unbürokratisch beispringen. Sie sprach dem Betrieb eine Million Soforthilfe zu – eigenmächtig, ohne Regierungsbeschluss.

Doch das hatte ein Nachspiel. Kurz darauf verirrte sich eine Aktennotiz ins Büro von Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Voves, wonach Klasnic dem gräflichen Anwesen weitere 5,8 Millionen Euro Unterstützung für die kommenden beiden Jahre zugesagt hatte. Seither köchelte die Causa. Und vergangene Woche schließlich kochte sie über.

Machtvakuum. Nun treibt eine Frage die politischen Beobachter in der Steiermark um: Wie konnte sich Klasnic strategisch so falsch verhalten? Glaubte sie, die Wähler im ÖVP-Kernland rund um den Stubenbergsee würden ihren Einsatz honorieren? Oder hegte sie die Hoffnung, der Bericht des Landesrechnungshofes, dem heute ihr ehemaliger Büroleiter vorsteht, werde doch nicht so harsch ausfallen?

Landesrat Hermann Schützenhöfer erklärt, die SPÖ habe der ÖVP erst am 17. Juni gesagt, sie würde bei Herberstein nicht mehr mitgehen, worauf kein Zweifel mehr bestanden habe, „dass es sich um ein reines Politikum handelt“.

Werner Kogler, grüner Nationalratsabgeordneter und gebürtiger Steirer, hat eine andere Erklärung – und diese deckt sich mit dem, was ÖVPler nur hinter vorgehaltener Hand sagen: „Nach dem Abgang ihrer Vorzeigemänner Gerhard Hirschmann und Herbert Paierl gibt es um Klasnic kein Machtzentrum mehr.“ Es fehlten Leute mit Erfahrung „und dem Riecher, Probleme rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern“, klagen steirische ÖVP-Funktionäre. Klasnic habe die falschen Berater: „Keiner in ihrer Umgebung hat verstanden, dass Herberstein in der Steiermark so beliebt ist wie der Teufel im Vatikan.“

Hausverstand und Intuition allein, bisher als Klasnics herausragende Eigenschaften gerühmt, reichten eben nicht, um ein Land zu führen.

Seit fast zwei Jahren schlittert die Frau, die nach ihrem fulminanten Wahlsieg im Herbst 2000 (47 Prozent) für alle schwarzen Landespolitiker zum Vorbild avancierte, von einer Krise in die nächste.

Die Pleiten-, Pech- und Pannenserie begann im April 2003 nach dem Wechsel des VP-Landesrats Hirschmann in die Estag. Schon bald wies er auf diverse Miss-stände bei seinem neuen Arbeitgeber hin: zu hohe Managementgehälter, eine verfehlte Beteiligungspolitik, zu viel Luxus in der Konzernzentrale. In der Folge kam es zu einer öffentlichen Schlammschlacht zwischen Hirschmann und Herbert Paierl, der als Finanzlandesrat Eigentümervertreter bei der Estag war.

Statt einzugreifen, sah Klasnic lange Zeit nur tatenlos zu. Ihrer Partei schadete dies nachhaltig: Die Umfragewerte der ÖVP schrumpften von einstmals 47 Prozent um markante fünf Prozentpunkte.

Noch schlimmer freilich war der parteiinterne Schaden, der bis heute nachwirkt. Mit Hirschmann und Paierl verlor Klasnic zwei politische Schwergewichte, die für sie die wichtigsten Parteiflügel abdeckten: Paierl den Wirtschaftsbund, Hirschmann den Arbeitnehmerflügel ÖAAB. Während Paierl über ausgezeichnete Kontakte zu Unternehmerkreisen verfügte, erfreute sich Hirschmann an der Basis großer Beliebtheit. Paierls Nachfolger, dem Universitätsprofessor Gerald Schöpfer, fehlt die Hausmacht. Und Hirschmann nutzt seinen politischen Instinkt nun für seine eigene Liste, mit der er bei den Landtagswahlen am 2. Oktober antreten wird.

Persönliches Engagement. Mit Hirschmann und Paierl an ihrer Seite, meint ein steirischer ÖVPler, wäre Klasnic im März auch der Flop um die Realisierung der Autorennstrecke in Spielfeld erspart geblieben. Das Großprojekt von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz scheiterte, weil die zuständigen Landesräte nicht fähig oder nicht willens waren, sich mit den Wünschen und Sorgen der Anrainer auseinander zu setzen. Hinzu kommt noch der auf die lange Bank geschobene Bau des Semmering-Eisenbahntunnels – ein Quell ewigen Ärgernisses.

„Ihr Dilemma ist, dass alle Projekte, für die sie sich persönlich engagiert hat, nicht funktioniert haben“, sagt der Politologe Filzmaier. „Klasnic ist halt niemand, die die zweite Reihe vorschickt. Sie kümmert sich selbst um die Dinge“, verteidigt Landesgeschäftsführer Andreas Schnider seine Chefin. Doch die Landeshauptfrau ist angeschlagen. Zwar kann sie im Direktvergleich mit ihrem SPÖ-Konkurrenten Voves immer noch punkten, aber nicht mehr haushoch: Laut Meinungsforschungsinstitut OGM würden 46 Prozent der Steirer direkt für Klasnic votieren, 30 für Voves.

Ihre Stärke, instinktiv die Stimmungslage der Bevölkerung zu erspüren, hat sich im Lauf der Pannenserie abgenützt. 1998, beim Grubenunglück von Lassing, rührte sie die Herzen der Steirer mit dem Satz: „Ein Land weint.“ Als sie letzte Woche angesichts des Rechnungshof-Rohberichts meinte: „Mein Vertrauen wurde erschüttert“, wirkte das weniger volksnah als naiv.

Dass die ÖVP nach 60 Jahren die Vorherrschaft im Land verlieren könnte, erscheint mittlerweile durchaus realistisch. „Die Partei ist seit Monaten mit sich selbst beschäftigt, sie erweckt den Eindruck, als ob sie sich aufgegeben hätte“, meint der Politologe Plasser. Eine Rolle spielt wohl auch, dass die vorzeigbaren Erfolge der Ära Klasnic – hohes Wirtschaftswachstum, geringe Arbeitslosenquote, mutige Projekte im Bildungsbereich – vom Wähler nicht ausreichend honoriert werden. Bei den Gemeinderatswahlen im März dieses Jahres kam die SPÖ gefährlich nahe an die ÖVP heran, was sie laut Wählerstromanalysen nicht nur ehemaligen FPÖ-Wählern, sondern auch einstigen ÖVP-Sympathisanten verdankte. In den traditionellen ÖVP-Hochburgen rund um Leibnitz, Radkersburg und Hartberg waren viele ÖVP-Wähler den Urnen ferngeblieben. Angesichts der jüngsten Ereignisse wächst die Gefahr, dass auch im Oktober ÖVP-Stammwähler zu Hause bleiben. „Diese Wahl werden nicht die Wechselwähler, sondern die Stammwähler entscheiden“, meint ein langjähriger steirischer ÖVP-Politiker.

Eine Ablöse Klasnics nach der Landtagswahl wird in steirischen Kreisen jedenfalls nicht mehr ausgeschlossen. Ein Nachfolger wird auch schon kolportiert: Landesrat Hermann Schützenhöfer. Dieser dementiert freilich heftig: „Ich stehe für eine Nachfolge nicht zur Verfügung. Das wird sich auch nach den Wahlen nicht ändern.“

Doch diesen Beteuerungen wird wenig Glauben geschenkt. Genüsslich erzählt man sich, dass Schützenhöfer unlängst völlig überraschend beim Fest zum 70. Geburtstag des Wirtschaftsbundobmanns von St. Johann in der Haide aufgetaucht sei und dort jedem einzelnen Wirtschaftsbündler die Hand geschüttelt habe.
Schützenhöfer ist ÖAAB-Mann.

Von Alexander Dunst und Ulla Schmid