Sternsingeraktien

Sternsinger kauften mit Spendengeld Risiko-Aktien

Affäre. Sternsinger kauften mit Spendengeld Risiko-Aktien

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Erich Leitenberger, Sprecher des Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn, kann sich das nicht vorstellen: Die Spendeneinnahmen der Dreikönigsaktion würden normalerweise sehr rasch an die Bedürftigen überwiesen. Wenn Gelder für längerfristige Projekte einige Monate lang geparkt werden müssten, dann nur wertgesichert auf Sparbüchern oder als Festgeld. Aber, so Leitenberger: „Die Dreikönigsaktion ist eine autonome Initiative der Katholischen Jungschar, das geht uns nichts an.“

Die Dreikönigsaktion, ein autonomes Hilfswerk des Vereins Katholische Jungschar Österreichs, hat 400.000 Euro in Immobilien-Einzelaktien langfristig angelegt – und Verluste hinnehmen müssen. profil liegt eine „Abrechnung Handel“ der zur Grazer Wechselseitigen gehörenden Capital Bank vom 20.4.2005 vor, die unter der Auftragsnummer 171740 den Ankauf von 9357,408 Einzelaktien der Conwert Immobilien Invest AG um 125.000 Euro ausweist. Der Käufer: die Dreikönigsaktion der Diözese Linz. An Spesen wurden bei Kaufabschluss 1482,21 Euro vom Gesamtbetrag abgezogen, bleibt ein Investitionswert von 123.517,79 Euro. Später wurde nachgekauft und auf 180.000 Euro aufgestockt.

2009 dann das böse Erwachen:
Durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Immobilienmarkt stürzte die „Dreikönigs-Aktie“ vom ursprünglichen Wert von 13,2 auf 2,9 Euro ab. Danach erholte sie sich wieder und liegt heute bei 10,9 Euro.

Erwin Eder, Geschäftsführer der Dreikönigsaktion, nennt den Wertverfall „bedauerlich“. Eder: „Hätten wir das gewusst, hätten wir es wohl nicht gemacht. Aber im Nachhinein kann man alles noch besser machen. In Zukunft werden wir die Spendengelder noch optimaler einsetzen.“ Es sei der Anlagenberater der Dreikönigsaktion gewesen, der die Investition nur als „mittleres Risiko“ eingestuft und die Durchführung empfohlen habe. Doch wer dieser Berater war, will Eder nicht bekannt geben.

Andere Anlageberater erklären gegenüber profil, Einzelaktien seien auf Risikostufe vier von fünf anzusetzen: Auf Stufe eins seien Sparbücher oder Bausparverträge einzuordnen, auf Stufe zwei Anleihen, auf drei Aktienfonds, auf vier Einzelaktien und auf Stufe fünf zum Beispiel Hedgefonds.

Der Linzer Bischof Ludwig Schwarz sieht in einer Stellungnahme gegenüber profil keinen Grund zur Aufregung und erklärt, was für die meisten Spender neu sein dürfte: „Die Veranlagung entspricht den Ethik-Richtlinien der Österreichischen Bischofskonferenz.“ Die angekauften Aktien entsprächen „nicht einer hochspekulativen Veranlagung“. Es habe im Zuge der Wirtschaftskrise „Kursrückschläge gegeben, die zum Großteil wieder aufgeholt sind“. Auch Wirtschaftsprüfer hätten bestätigt, dass „die Aufbringung und Verwendung der Mittel statuten- und widmungsgemäß vorgenommen wurde“. Die Dreikönigsaktion trägt seit 2001 das Österreichische Spendengütesiegel.

Auch Geschäftsführer Erwin Eder bemüht sich um Schadensbegrenzung: „Wir haben nur fünf Prozent der Rücklagen von insgesamt acht Millionen Euro in Aktien investiert. 95 Prozent der Gelder liegen gesichert auf Sparbüchern und Ähnlichem.“ Rücklagen müssten gebildet werden, um die meist auf drei Jahre budgetierten Projekte gesichert finanzieren zu können.
Die Verantwortlichen, so Erwin Eder, seien bei dem Aktiengeschäft „von einer risikoarmen Veranlagungsform ausgegangen“. 2004 hätten bei der Dreikönigsaktion der Diözese Linz Überlegungen begonnen, „wie eine ethische Veranlagung der bestehenden Rücklagen möglich“ sei.

Eder weiter: „Seitens unserer Anlagenberater wurde das als ,Anlage ohne erhöhte Risikobereitschaft und stärkere Wertschwankungen‘ eingestuft und uns als sehr sicher empfohlen. Im Zuge der starken Kursverluste aller Immobilienaktien in Österreich wurde auch die Conwert AG stark in Mitleidenschaft gezogen. Aufgrund der Langfristigkeit des Veranlagungshorizonts sowie der deutlichen Unterbewertung der Aktie im Vergleich zum real bestehenden Immobilienvermögen wurde uns zum Halten der Aktie geraten.“ Trotzdem habe man mittlerweile eine Leitlinie für die Veranlagung von Spendengeldern ausgearbeitet, die ­„risikoarm, wertsichernd und ethisch nachhaltig“ sein solle.

„Ethische“ Veranlagung heißt, nicht in unökologische oder solche Geschäfte zu investieren, an denen gerade jene Menschen verlieren, die der Spenden bedürfen.

Wenn Unterstützer der Heiligen Drei Könige davon ausgehen, ihre Spenden landeten sofort oder irgendwann bei einem der in der Sternsinger-Werbung genannten Projekte, liegen sie nicht ganz richtig, auch wenn ihr Geld nicht in Immobilieninvestments fließt. Die bundesweit rund 85.000 Sternsinger lukrierten im Vorjahr 14,4 Millionen Euro. Für das heurige Jahr wird eine ähnliche Summe erwartet. Die Diözesen führen ihre gesamten eingenommenen Beträge in den Bundesverband der Dreikönigsaktion über, wo ein Gremium mit Mitgliedern aus den Diözesen über die Verwendung entscheidet. Die heurige Sternsingeraktion lief unter dem Schwerpunkt Guatemala. In den Spendenaufrufen wurden zwei „Beispielprojekte“ beworben: Das eine soll einkommenslose, ehemalige Plantagenarbeiter dabei unterstützen, eine Kooperative für eigenständigen, biologischen Gemüse- und Obstbau aufzubauen. Das zweite soll Indios rechtlich und finanziell in ihrem Kampf um ihr „Recht auf eigenes Land“ unterstützen. Aus dem Spendenaufruf folgt jedoch nicht, dass der Erlös der Sternsingeraktion zwingend in diese „Beispielprojekte“ fließt.

Wie Heinrich Brandstetter von der Dreikönigsaktion der Diözese Linz schätzt, werden etwa 15.000 bis 20.000 Euro pro Projekt und Jahr überwiesen. Insgesamt werden rund 500 Projekte in Afrika, Südamerika und Asien unterstützt, die von anderen Hilfsorganisationen betrieben werden. Die Spendeneinnahmen fließen also in das Budget der Sternsinger. Dreimal jährlich tritt das Verteilungsgremium zusammen und entscheidet, wer wie viel bekommt – egal, womit die Spendenaktion konkret beworben wurde.