Wahlkampfgetöse oder seriöser Plan?

Steuern: Leichter erben

Grasser will Abschaffung der Erbschaftssteuer

Drucken

Schriftgröße

Martin Feurstein, Steuerberater in der Vorarlberger Kanzlei E. Igerz in Dornbirn, hat die Tragweite seines Vorgehens nicht vorausgeahnt: „Ich habe mit Unruhe in Fachkreisen gerechnet. Aber nicht damit, dass meine Beschwerde zur Abschaffung der gesamten Erbschaftssteuer führen könnte.“

Der Anlassfall erscheint auf den ersten Blick banal: Ein Landwirt in Dornbirn stirbt Anfang 2002 und vermacht Liegenschaften zum Marktwert von 3,5 Millionen Euro an seine Neffen und Nichten. Wegen des niedrigen „Einheitswertes“ von nur 2000 Euro, der zur steuerlichen Bemessung der Immobilien herangezogen wird, müssen die Erben keinerlei Steuern berappen.

Die im Testament übergangene Witwe Anna R. klagt ihren Pflichtteil ein. Sie erhält rund 800.000 Euro in bar. Jetzt schlägt der Fiskus nach den normalen Sätzen unerbittlich zu: 87.417 Euro muss die Witwe bezahlen. Eine Berufung wird abgewiesen. Nur wenn die Witwe statt Bargeld einen Teil der Immobilien geerbt hätte, wären ebenfalls keine Steuern angefallen.

Wegen der „offensichtlichen Ungerechtigkeit“ bei der steuerlichen Behandlung der Erben schaltet Feurstein den Wiener Anwalt Gerald Toifl ein. Der brachte im Vorjahr eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein. „Nach meiner Auffassung ist die Ungleichbehandlung durch den völlig unrealistischen Einheitswert klar verfassungswidrig“, meint Toifl.

Im Herbst wird der Verfassungsgerichtshof in der heiklen Causa entscheiden. Die Höchstrichter haben bereits im vergangenen März im Beschluss zur Gesetzesprüfung „unsachliche Belastungsdiskrepanzen“ erkannt. Und die Richter kritisierten bei dieser Gelegenheit, dass zur Bemessung der Erbschaftssteuer noch immer die 1973 festgelegten Einheitswerte herangezogen werden. Die wurden seither für Erbverfahren zwar pauschal verdreifacht, liegen aber trotzdem noch immer weit unter dem tatsächlichen Verkehrswert.

Kippen die Höchstrichter im kommenden Herbst die Bemessung der Erbschaftssteuer anhand der Einheitswerte, könnte der Antritt von Hinterlassenschaften bald sehr viel teurer werden. Vom tatsächlichen Verkehrswert berechnete Abgaben würden dazu führen, dass so mancher Erbe eines Hauses oder Grundstücks zum Verkauf des Erbstücks gezwungen sein wird, um die Steuerschulden bezahlen zu können.

Am Einheitswert wurde bisher auch die Höhe der Grundsteuer und der Abgaben für Landwirte bemessen. Mit einem Schlag wären auch hunderttausende Haus- und Wohnungseigentümer mit höheren Abgaben konfrontiert. „Das hält keine Regierung aus“, ahnt Rechtsanwalt Toifl.

Entlastung. Obwohl erst die nächste Regierung auf das Urteil des Höchstgerichts reagieren muss, nutzte Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Chance für einen populären Vorstoß. Am Montag vergangener Woche kündigte er via „Kronen Zeitung“ die Abschaffung der gesamten Erbschafts- und Schenkungssteuer an. Der Aufwand beim Einheben sei höher als der Ertrag, meinte Grasser und will auf die 140 Millionen Euro jährlich verzichten, die über die Erbschafts- und Schenkungssteuer zuletzt ins Staatsbudget flossen. Laut neuer profil/market-Umfrage begrüßen 81 Prozent der Österreicher diesen Plan.

Die Entlastung des Steuerzahlers samt Vereinfachung des Steuersystems funktioniere am besten, „wenn man bestimmte Steuern einfach als Ganzes abschafft“, -sagte Grasser. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gab sich dagegen abwartend und forderte ein Gesamtkonzept. „Wir wollen nicht 25 Einzelwünsche addieren, sondern eine Entlastung aus einem Guss“, erklärte der Kanzler.

Doch Grasser will die für 2008 in Aussicht genommene neue Steuerreform nicht abwarten. „Wir können doch nicht verfügen, dass doch bitte bis 2008 niemand, der etwas vererben will, sterben soll“, scherzt Grasser-Sprecher Manfred Lepuschitz.

Im Wahlkampf sorgte das Thema umgehend für heftige Reaktionen. BZÖ-Chef Peter Westenthaler begrüßte den Vorschlag, der frühere freiheitliche Forderungen aufgreife. Jörg Haider erneuerte seine alte Forderung nach Einführung einer Flat Tax von 25 Prozent mit hohen Freibeträgen – analog zur Besteuerung von Sparbuchzinsen. Auch die FPÖ will kleinere Erbschaften von Abgaben befreien.

Die SPÖ lehnte eine völlige Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer ab. SPÖ-Finanzsprecher Christoph Matznetter erkannte in Grassers Vorschlag „neue Steuerprivilegien für Reiche und Superreiche“. Nur „kleinere Erbschaften“ sollten steuerfrei sein. Dafür solle steuerschonendes Erben von Großgrundbesitz – wie Jörg Haiders Bärental – nicht mehr möglich sein (siehe Interview Seite 20).

Die Grünen wollen Erbschaften über einer Grenze von 350.000 Euro weiterhin besteuern. In Österreich seien Erbschafts- und Schenkungssteuer im EU-Vergleich ohnehin sehr niedrig, warnte Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. Der grüne Budgetsprecher Werner Kogler plädierte für eine höhere Besteuerung der steuerschonend in Privatstiftungen geparkten Vermögen.

Willkür. Finanz- und Steuerexperten halten die geltende Gesetzgebung für Erbschaften und Schenkungen für unreformierbar. Durch die vielen Ausnahmebestimmungen werde ohnehin immer weniger Erbschaftssteuer entrichtet. Deren Abschaffung könne durch eine Anhebung der Grundsteuer kompensiert werden, schlug der Wiener Steuerexperte Karl Bruckner vor.

Reinhold Beiser, Finanzrechtsprofessor an der Universität Innsbruck, kritisiert die geltende Rechtslage: „Die derzeitige Erbschafts- und Schenkungssteuer mündet in eine sachlich nicht gerechtfertigte Besteuerungswillkür.“

Denn die Belastung werde höchst ungerecht verteilt: Derzeit kommt es nicht darauf an, wie viel Vermögen vererbt wird, sondern in welcher Form.

• Sparbücher können steuerfrei vererbt werden, unabhängig von der Höhe der Einlage, weil sie endbesteuert sind.

• Zuwendungen an Privatstiftungen werden pauschal mit fünf Prozent besteuert. Wer hohe Vermögen auf klassischem Weg außerhalb des Verwandtenkreises erbt, muss bis zu 60 Prozent Steuer bezahlen.

• Wer Anteile an einer Familien-GmbH erbt, wird nach dem aktuellen Substanz- und Ertragswert des Unternehmens besteuert. Zwerganteile an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (unter einem Prozent) können dagegen steuerfrei vererbt werden, auch wenn dabei ein millionenschweres Vermögen den Besitzer wechselt.

Laut Beiser ist der Fall eines vererbten Tiroler Familienbetriebs mit 500 Mitarbeitern bereits beim Verfassungsgerichtshof anhängig. Die Erben mussten 2,3 Millionen Euro an Steuern bezahlen, weil die Bemessung von einem hohen Substanzwert mit hohen Gewinnen ausging. „So hohe Abgaben können ein Unternehmen in den Ruin treiben“, warnt Beiser.

In den USA läuft gerade eine heftige Debatte über die Erbschaftsabgaben. Immobilien werden dort relativ hoch nach dem tatsächlichen Wert besteuert. Die bundesweit eingehobenen Erbschaftssteuern sollen bis 2010 auslaufen. Doch inzwischen haben sogar Republikaner eine Rückkehr zur Besteuerung, wie sie vor dem Beschluss von Präsident George W. Bush im Jahr 2001 praktiziert worden ist, empfohlen. Auch Dollar-Milliardäre wie Warren Buffet oder Bill Gates bringen einen großen Teil ihres Vermögens lieber in gemeinnützige Stiftungen ein, als es zur Gänze ihren Nachkommen zu vererben.

Von Otmar Lahodynsky