Steuersenkung

Steuersenkung: Kinderreicher Bauer, katholisch

Kinderreicher Bauer, katholisch

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Ein Überraschungscoup der Regierung am Freitag der Vorwoche: Nach einer Regierungsklausur in Salzburg, von der sich kaum jemand Resultate erwartet hatte, ging Kanzler Wolfgang Schüssel mit der Präsentation eines fast fertig verhandelten Steuersenkungskonzepts an die Öffentlichkeit.

Da saßen sie bei der Pressekonferenz einmütig am Podium: der Kanzler und neben ihm sein Finanzminister, ferner Vizekanzler Hubert Gorbach, die FPÖ-Chefverhandler Jörg Haider und Thomas Prinzhorn, Maria Rauch-Kallat und – derzeit in aller Munde – Salzburgs Landeschef Franz Schausberger. Ein wenig verlegen lächelnd repräsentierte dieser den, so Schüssel, „Genius Loci“. Die halbe sonstige Regierung und zahlreiche schwarze und blaue Politgranden lauschten im Publikum der frohen Steuerbotschaft.

Drei große Themenblöcke sind es, in denen die Regierung nun zwischen 2004 und 2006 Bevölkerung und Wirtschaft um 2,53 Milliarden Euro entlasten wird:

der Bereich der Lohn- und Einkommensteuer. Der Einkommensteuertarif wird vom System her umgebaut, gleichzeitig werden die Steuerzahler um insgesamt 1,1 Milliarden Euro entlastet. Künftig wird die Steuerpflicht bei einem Bruttojahreseinkommen einsetzen, das betragsmäßig höher liegt als die derzeit gültigen 14.500 Euro Jahresbezug – nämlich bei 15.770 (Jahresbruttobezug inklusive Sozialversicherung und 13./14. Gehalt). Gab es bisher vier „Steuerstufen“, so verändert sich gemäß dem neuen Tarif jeweils in Tausend-Euro-Schritten der Steuersatz.

Gewinner. Am meisten profitiert ein Steuerpflichtiger, der derzeit ein steuerpflichtiges Jahreseinkommen von 11.000 Euro bezieht: Er erspart sich 671,25 Euro jährlich. Wer 30.000 Euro verdient, kommt immerhin noch auf 454,82 Euro Ersparnis. Großverdiener mit 51.000 Euro und mehr werden nur um 165,29 Euro jährlich entlastet.

Der zweite Themenblock betrifft die Wirtschaft. Hier ist es das massive Absenken der Körperschaftsteuer (Köst) von 34 auf 25 Prozent, das sowohl Industriellenvereinigung als auch Wirtschaftsbund gleich nach Bekanntwerden des Vorhabens in Aussendungen jubeln ließ. Zumal sich Bundeskanzler Schüssel noch tags zuvor, bei einer ÖVP-Klausur in Wien, kritisch über die Gefahren eines Niedrigsteuerwettbewerbs zwischen den gegenwärtigen und den künftigen EU-Staaten ausgesprochen hatte.

In Salzburg bezeichnete der Kanzler dann die massiv ausgefallene Köst-Senkung (Schüssel: „Ein wirklicher Hammer“), die immerhin 975 Millionen Euro kostet, als Signal dafür, dass Österreich vis-à-vis seinen westlichen Nachbarländern bei der Standortattraktivität einen gewaltigen Sprung nach vorn zu tun entschlossen sei.

Weitere Entlastungen für die Wirtschaft (Stichworte: „Gruppenbesteuerung“, „Verbesserung bei den Rückstellungsvorschriften bei Versicherungen“) im Ausmaß von 125 Millionen Euro sind zu den 975 Millionen Euro Köst-Entlastung hinzuzurechnen, was die der Wirtschaft nun zufließende Summe auf 1,1 Milliarden erhöht.

Für die Familien, deren Entlastung der FPÖ und zuletzt auch dem ÖAAB so sehr am Herzen lag, wird schon heuer etwas geschehen. Bereits ab Juli wird es Zuschläge zum Alleinverdiener-Absetzbetrag geben, und zwar 130 Euro monatlich für das erste, 170 Euro für das zweite und 220 Euro für jedes weitere Kind. Außerdem wird die Zuverdienstgrenze beim Alleinverdienerabsetzbetrag bei einem Kind von 4400 auf 6000 Euro angehoben. Bis zu diesem Betrag darf der jeweilige Partner dazuverdienen, ohne dass der Absetzbetrag wegfällt. Außerdem werde die Pendlerpauschale um 15 Prozent angehoben. Insgesamt kostet das alles 250 Millionen Euro.

Pferdefuß: Die Regierung will die Entlastungen nicht „rückwirkend“ in Kraft setzen, sondern warten, bis das entsprechende Gesetz das Parlament passiert hat. Daher gibt es die Steuersenkungen für Familien und Pendler erst ab Juli. Fürs erste Halbjahr hat man sich eine recht ungewöhnliche Lösung einfallen lassen: Die Steuerpflichtigen bekommen das Geld für die Zeit von Jänner bis Juni 2004 über den Jahresausgleich beziehungsweise die Arbeitnehmerveranlagung Anfang 2005 in einem ausgezahlt – möglicherweise mit einem netten Brief vom Finanzamt, in dem sich die Regierung für diese Wohltat entsprechend selber beweihräuchert.

Zuckerln gibt es auch noch für die Bauern und für Kirchenbeitragszahler: Agrardiesel wird ab 2005 steuerlich kräftig entlastet (Kosten: 50 Millionen Euro), der Kirchenbeitrag ist bis 100 (statt bisher nur bis 70) Euro jährlich von der Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer absetzbar (Kosten: 30 Millionen Euro).

Frauen an den Herd. Böse Zungen analysierten nach der Präsentation der Steuerreform, wer denn nun am meisten profitieren würde: zum Beispiel ein katholischer Bauer (Steuersenkung bei Agrardiesel; höhere Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags) mit vielen Kindern (Anhebung des Zuschlags beim Alleinverdiener-Absetzbetrag), der gerne Sekt trinkt (die Schaumweinsteuer, eine Bagatellabgabe, fällt künftig weg). Wenn er vielleicht gleichzeitig noch Unternehmer ist (Senkung der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent) müsste das fiskalische Glück vollkommen sein.

Gedanken dieser Art müssen es gewesen sein, die den Kommentar von SPÖ-Fiskalsprecher Christoph Matznetter zum in Salzburg erreichten Ergebnis etwas ironisch ausfallen ließen. Matznetter: „Bis auf den Minipunkt der Kinderabsetzbeträge für Leute wie Frau Rosenkranz & Co findet die Entlastung erst 2005 statt. Zu spät und ungenügend.“

Weit weniger als brave katholische Bauern profitieren die sozial echt Schwachen, etwas weniger aber auch die Top-Verdiener: Ab einem Jahreseinkommen von 51.000 Euro gilt weiterhin der Maximalsteuersatz von 50 Prozent. Er konnte nicht fallen, weil die Regierung für ihre Steuerreform sonst die Zustimmung der SPÖ gebraucht hätte: Die Kapitalertragsteuer darf laut Verfassungsbestimmung nicht mehr ausmachen als den halben Höchststeuersatz in der Einkommensteuer.

Und wenn ein Top-Verdiener zwar vier Kinder hat, die Frau Gemahlin aber einen Beruf ausübt, schaut die Familie (abgesehen von der allgemeinen Tarifsenkung) überhaupt durch die Finger. Denn: Die Begünstigung für kinderreiche Familien gilt nur für Alleinverdiener. Frei nach dem Motto: Frauen gehören eben an den Herd.

Und wie will die Regierung das bezahlen? Der Kanzler flüchtet in die Leere der Politikersprache: „Die Gegenfinanzierung besteht aus unseren Reformmaßnahmen auf der Ausgabenseite des Budgets.“