Leitartikel: Michael Nikbakhsh

Stillgestanden!

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Das war’s dann also mit Mohamed Bin Issa Al Jaber und Austrian Airlines. Seit Mittwoch vergangener Woche ist das Engagement des österreichischen Unternehmers mit saudischen Wurzeln endgültig Geschichte. Die AUA steht damit wieder genau dort, wo sie schon vor Beginn der ­Verhandlungen stand: kein Investor, kein Geld, keine Perspektive. So reizvoll es auch sein mag, AUA-Vorstandschef Alfred Ötsch die alleinige Verantwortung für das Scheitern des Deals umzuhängen – der Versuch greift zu kurz. Ja, Ötsch hat sich für einen Mann in seiner Position verblüffend tollpatschig verhalten. Ja, es war keine Glanzleistung, Al Jaber noch Anfang April die heile Welt vorzugaukeln, nur um drei Wochen später einen Quartalsverlust von 60 Millionen Euro einzugestehen. Und ja, vielleicht hätte sich Ötsch zu einem klärenden Vieraugengespräch herablassen sollen, um die Angelegenheit doch noch zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Aber andererseits: Das Geschäft war von Anfang an ein Murks. Die 150 Millionen Euro, die der Hotelier zum Einstand hätte einschießen sollen, wären eingedenk des schwierigen Wettbewerbsumfelds innerhalb weniger Monate verbraucht gewesen. Al Jaber mag wohlhabend sein – blöd ist er nicht. Und er hätte mit Sicherheit nicht noch mehr Geld à fonds perdu investiert. 2009, spätestens aber 2010 wären die Diskussionen um die AUA-Zukunft ohnehin wieder von vorne losgegangen.

Denn auch diese Bundesregierung (darin unterscheidet sie sich nicht von früheren) hat schlicht keinen Plan, was mit der AUA geschehen soll.
Der Bundeskanzler? Beteuert lediglich, die AUA müsse ein „österreichisches Unternehmen“ bleiben. Der Vizekanzler und Finanzminister? Plädiert ebenfalls für deren „Eigenständigkeit“. So sehen das auch der Wirtschafts- und der Verkehrsminister, ja sogar die Verkehrs-Staatssekretärin (die gibt es tatsächlich). Warum ein Staat heutzutage an einer Airline, zumal chronisch defizitär, beteiligt sein soll, vermögen sie allerdings nicht schlüssig zu beantworten. Es geht halt nichts über vermeintlich identitätsstiftende Polemik. „Stand alone ist die anstrebenswerteste Variante“, meinte Wilhelm Molterer jüngst wörtlich. „Stand alone“ also, frei übersetzt: „Allein stehen“. Das beschreibt den Zustand der Fluggesellschaft nur zu genau. Sie ist allein – und sie steht. Alfred Ötsch hätte es bereits vor Monaten an der Hand gehabt, eine vernünftige Partnerschaft etwa mit der deutschen Lufthansa oder der italienischen Air One anzulanden. Aber er wurde von seinem Aufsichtsratschef und ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis, der bekanntlich ein eher distanziertes Verhältnis zum österreichischen Aktiengesetz pflegt, zurückgepfiffen – weil Michaelis, vorauseilend gehorsam, den Finanzminister als Eigentümervertreter nicht brüskieren wollte. Ab hier wird es etwas kompliziert: Die Regierung versteckt sich hinter der Verstaatlichten-Holding, die sich ihrerseits hinter der Regierung versteckt. Am Ende bleibt es halt an Alfred Ötsch hängen, den die ÖIAG sei­nerzeit mit Billigung der Regierung an der AUA-Spitze installiert hatte. Das alles ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Fluglinie eigentlich kein verstaatlichtes Unternehmen mehr ist. Jedenfalls nicht im engeren Sinn des Wortes. Die ÖIAG mag zwar zu 42,75 Prozent an der AUA beteiligt sein und im so genannten Österreich-Syndikat mit Raiffeisen, Bank Austria und Wiener Städtische Versicherung auf eine hauchdünne Mehrheit kommen. Umgekehrt sind aber 48 Prozent des Unternehmens nicht in staatlicher oder staatsnaher Hand, sie liegen vielmehr bei privaten und institutionellen Investoren aus dem In- und Ausland – und die durften tatenlos dabei zusehen, wie die AUA-Aktien in kaum mehr als einem Jahr gut und gern 61 Prozent an Wert verloren haben. Wer vertritt eigentlich deren Interessen? Anleger kaufen Wertpapiere, weil sie an den Kapitalmarkt glauben. Und nicht etwa, weil sie heiß darauf sind, ein Unternehmen zum Spielball protektionistischer Ambitionen werden zu lassen. „Stand alone“ – so dürften sich mittlerweile auch die allermeisten Kleinaktionäre fühlen.

Die wahre Ironie: Auch eine Regierung kann sich auf Dauer nicht gegen die Gesetze des Markts stemmen. Eines lautet: Wer auf Dauer mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, weil Mitbewerber besser und vor allem billiger unterwegs sind, ist irgendwann pleite. Die Chancen, dass etwa die Lufthansa bei der AUA den Fuß ins Cockpit bekommt, sind nun größer denn je. Nur haben sich die Vorzeichen deutlich verschlechtert. Die Finanzen sind lädiert, der Kurs ist im Keller, und die AUA-Verantwortlichen werden nach der Al-Jaber-Blamage Mühe haben, mit Leuten wie Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber (selbst übrigens auch Österreicher) auf Augenhöhe zu konferieren.
Vor einem Jahr noch hätte die AUA bloß einen Partner gebraucht. Jetzt benötigt sie einen Retter.