Stuttgarter Porsche Museum eröffnet

Stuttgarter Porsche Museum eröffnet: Technisches Superding mit Ecken & Kanten

Technisches Superding mit Ecken und Kanten

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Von Patricia Grzonka

Nicht weniger als ein ganzer Kosmos soll es sein, das neue Museum des Stuttgarter Sportwagenherstellers Porsche. Das traditionsreiche deutsche Autounternehmen, dem es selbst in der momentanen Wirtschaftskrise blendend geht, hat sich an seinem Stammsitz in Stuttgart-Zuffenhausen gerade für 100 Millionen Euro ein eigenes grandioses Ausstellungshaus für seine Kulterzeugnisse geleistet. Hier soll laut Eigendefinition „die Idee Porsche in ihrer gesamten Komplexität vermittelt werden“.

Gezeigt werden auf einer Fläche von 5600 Quadratmetern 80 historische Porsche-Modelle, inszeniert als Rundgang durch die Unternehmensgeschichte: der Berlin-Rom-Wagen etwa, der als Ur-Porsche gilt, die ersten Carrera-Typen, aber auch ein simpler VW-Käfer. Das avantgardistische eckige Gebäude ohne jeden postmodernen Schnickschnack stammt vom Wiener Architektenteam Delugan Meissl, das den Bau als kantigen Solitär und technisches Superding entworfen hat.
Wie ein weißer Kristall mit spiegelglatten Unterfassaden hebt er sich von der metallgrauen Umgebung und dem undefinierten Einerlei des Stuttgarter Vororts Zuffenhausen ab. Hier, am „Porsche-Platz“, in direkter Nachbarschaft zu Porsche-Center und Werk, wird der „Porsche-Kosmos“ Ende Januar für das Publikum geöffnet.

Machtsymbole. Nach Mercedes-Benz und BMW ist Porsche somit der dritte deutsche Automobilkonzern, der sich in Süddeutschland ein eigenes großes Museum gebaut hat. Während anderswo täglich mehr von Verschrottungsprämien als von unbegrenztem wirtschaftlichem Wachstum die Rede ist, so scheint es erklärungsbedürftig, warum gerade heute ein Automuseum eröffnet werden soll. Aber, so stellte der Pressechef Anton Hunger vergangene Woche im neuen Porsche-Museum fest, man hoffe erstens wieder auf Aufschwung, und zweitens sei zu jener Zeit, als der Plan für ein Museum entstand, von der Krise noch keine Rede gewesen. Es ist erst vier Jahre her, seit sich Delugan Meissl mit einem kühnen Projektentwurf gegen 170 Konkurrenten durchsetzten. Dass ein Auto – Inbegriff von Unabhängigkeit und Freiheit – überhaupt im Museum stehen soll, ist ein grundsätzlicher Widerspruch, den Porsche aufzulösen sucht: Das Bauwerk ist als „rollendes Museum“ konzipiert. Die legendären Karossen – die Porsche Turbo, Targa und Spyder – sollen ihre neue Luxusgarage über blendend weiße Rampen hin und wieder ver­lassen dürfen, um ein Rennen fahren oder eine kleine Spritztour machen zu dürfen.

Delugan Meissl Associated Architects: Das sind, neben den Bürogründern Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan, auch die Partner Martin Josst, Dietmar Feistel und Christopher Schweiger. Die Wiener überzeugten die Schwaben 2005 mit einem Entwurf, der eigentlich unrealisierbar schien: einem „Flieger“, der als überdimensionierte Schale mit weit ausgespannten Flügeln auf einer schmalen Stütze aufsitzt.

Internationaler Erfolg. Dass das Gebäude schließlich etwas behäbiger gebaut werden musste als auf der ersten visionären Skizze vorgesehen, schmälert den Gesamteindruck indes kaum. „Wir konnten unsere Hauptidee fast lückenlos umsetzen“, meint Elke Delugan-Meissl im Gespräch zusammen mit Martin Josst, dem Büro-Projektleiter für das Porsche-Museum, an ihrem Wiener Arbeitsort im fünften Bezirk. Hier liegt das funktionale und ebenso schnörkellos in Weiß eingerichtete Studio für die rund 20 Mitarbeiter – gemessen an der Größe ihrer Bauprojekte ein eher kleiner Architektenstab.

Delugan Meissl haben in Wien bereits mehrere Wohnbauten realisiert, darunter im Jahr 2000 den Mischek-Tower auf der Donauplatte, das damals mit seinen 35 Stockwerken höchste Wohngebäude Wiens. Schlagartig bekannt wurde das Duo, als es 2003 eine eigene Wohnung auf dem Dach eines Wiener Neubaus der ­sechziger Jahre realisierte: Elke Delugan-Meissl­ und Roman Delugan ließen ihren architektonischen Ideen freien Lauf – und nannten das futuristische Penthouse leicht untertrieben „Haus“. Die offenen Raumfluchten, das Innendesign, die bis ins letzte Detail durchgeplante technische Ausstattung des Lofts begeisterten nicht nur die Fachpresse, sondern dürften wohl auch die Stuttgarter Porsche-Bosse nachhaltig beeindruckt haben.

Inzwischen ist das Wiener Büro in die internationale Architektenliga aufgerückt: In Amsterdam wird demnächst ein neues Filmmuseum gebaut, und soeben haben Delugan Meissl in der jordanischen Hauptstadt Amman die Ausschreibung für ein neues Konzerthaus gewonnen. Elke Delugan-Meissl bescheiden: „Natürlich ist es toll, wenn man international beachtet wird, aber in welcher Kategorie wir uns jetzt ­genau befinden, das lasse ich andere beurteilen.“

In die heikelste Bauphase sei das „schwebende“ Porsche-Museum in jenem Moment eingetreten, als die Stahlstützen entfernt und mit der Lastabsenkung der 35.000 Tonnen schweren Schale begonnen wurde. Es seien technische Herausforderungen gemeistert worden, die eigentlich in den Bereich des Brückenbaus gehörten, erklärt Martin Josst. Damit die Gebäude „wie aus einem Guss“ wirken, planen Delugan Meissl aber auch die Innenausstattungen mit: Für Porsche entwarfen sie die meisten der fix montierten Interieurs, Empfangsdesk, Kaffeebar und Sitzgelegenheiten inklusive. Als „Abfolge von Beschleunigung, Dynamik und Verlangsamung“ wollten die Baukünstler den Rundgang durch den Porsche-Tempel gestalten: Der Raumeindruck soll für den Besucher ein physisches Erlebnis werden.

Das vielleicht merkwürdigste Exponat der Ausstellung ist jedoch keines der vielen bunten Sportautos, sondern eine unscheinbare schwäbische Spätzlepresse, die in einer kleinen Vitrine präsentiert wird. Diese soll nicht etwa auf den laufenden Sparkurs hinweisen, sondern auf den hohen Standard der süddeutschen Handwerkstradition sowie auf die Qualität der „Werksverpflegung“ in der Firmenkantine. Denn, so einer der Gründerväter, Ferry Porsche: „Nur wer gut isst, kann auch gut schaffen.“