Suff Daddy

Menschen des Jahres. Nicholas Ofczarek, oder die hohe Kunst, g’scheit blöd zu sein

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Allem Anschein nach hat Nicholas Ofczarek ein ­Alkoholproblem. Aber das lässt sich wohl nicht vermeiden, wenn man der regierende Volksschauspieler dieses Landes ist, oder besser: dessen erster Volksdarsteller. Das Volk trinkt, sein Darsteller wankt, und keiner torkelte so treffsicher durch dieses Jahr wie Nicholas Ofczarek. Das konnte man zum Beispiel recht ausführlich im ORF ­sehen, als Ofczarek acht Folgen lang den Richard Pfeisinger gab, Diskothekenbesitzer in der Waldviertler Pilgergemeinde Braunschlag, und die „Süddeutsche Zeitung“ zu Lobeshymnen hinriss. Das Blatt bescheinigte dem 41-Jährigen „einen solchen Mut zur Hässlichkeit und Dumpfigkeit, dass man manchmal ­abschalten möchte, weil er schon wieder besoffen durch seinen Laden torkelt und gar so blöd dreinschaut – aber so gut blöd dreinschauen kann kaum einer“.

Das wirft wiederum die Frage auf, ob man denn einen Stammplatz im Burgtheater-Ensemble braucht, um gut blöd dreinzuschauen. In Wahrheit handelt es sich ­dabei jedoch um eine Begabung, über die in diesem Land kaum jemand so frei verfügt wie Nicholas Ofczarek, weil nämlich zum blöd Schauen auch das schnell Denken gehört, wenn es denn etwas bringen soll. Paradebeispiel: „Niko“. Ofczareks erste Gastrolle im ORF-Satireformat „Wir Staatskünstler“ geriet ihm – an der Seite seiner kongenialen „Laura“ Claudia Kottal – zu einem wegweisenden Method-Act: Diese dramatisch gespitzten Lippen, diese irrwitzig aufgerissenen Augen, dieser dämonisch verhaberte Tonfall machten aus einer an sich simplen Nachricht (Politik übt Einfluss auf öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus) eine menschliche Tragikomödie und aus dem „Niko“ einen Herrn Karl für das iPhone-5-Zeitalter.

Nicholas Ofczarek bewies auch in allen weiteren seiner „Staatskünstler“-Sketches (als traniger Michi im Wiener Koalitionshaushalt, als bellender Ali am burgenländischen Hochstand oder als verliebte Angela vorm Brandenburger Tor), dass er seine burgbekannte Körperlichkeit, seine unmittelbare Kraftlackelei gar nicht notwendigerweise braucht, um Wirkungstreffer zu landen. Der Salzburg-„Jedermann“ und Fernseh-Falstaff tanzt zwar nach wie vor auf bemerkenswert vielen Hochzeiten, aber er hält dabei sowohl die Höhe als auch die Tiefe (die Breite sowieso), und dass hier einer die Lust an der Satire entdeckt hat, der im Unterschied zum üblichen Kabarettpersonal eben sehr viel mehr vermag, als nur blöd dreinzuschauen, tat beileibe nicht nur dem ORF gut.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.