Der große Unterschied

Superreiche: Großer Unterschied wird für die Mittelschicht zum Problem

Superreiche. Warum der große Unterschied auch für die Mittelschicht zum Problem wird

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Von Ruth Reitmeier

Eine Feier in rauschender Meerestiefe, ganz privat, ungestört vom Rest der Welt, in einem Luxusjacht-U-Boot. Dieser futuristisch-dekadent anmutende Traum wird vielleicht schon bald Wirklichkeit werden. Vorerst gibt es diesen Hybriden aus U-Boot und Jacht zwar erst am Computerscreen, doch er hat als die nächste Dimension der Superjachten den Nerv der Fachwelt getroffen. Erdacht haben ihn die österreichischen Jachtdesigner Christopher Gloning und Christian Gumpold). Ihre Designstudie, die jüngst auch auf der Monaco Yacht Show vorgestellt wurde, zeigt ein 115 Meter langes U-Boot, allerdings nicht in der üblichen militärischen Kargheit, sondern aufgemotzt mit Pool, großzügigen Sonnendecks und dem unverzichtbaren Helikopter-Landeplatz. Zieht Schlechtwetter auf, werden die Außenanlagen eingefahren, alles dicht gemacht und man taucht ab in die Welt der großen Fische.

Privatsphäre, Sicherheit und Extravaganz
Ein wichtiger Input für diese Idee des ultimativen Superspielzeugs für Superreiche kam nicht zuletzt von der potenziellen Klientel selbst. Denn wer ein Vermögen für Anschaffung und Betrieb einer Jacht ausgibt, der will dort vor allem eines: in Ruhe gelassen werden. "Diese Kunden wünschen ungestörte Privatsphäre, Sicherheit und Extravaganz“, betont Gumpold.

+++ Vermögen der reichsten Österreicher doppelt so groß wie angenommen +++

Dass die Reichsten der Reichen am liebsten unter sich bleiben, abgeschottet vom Rest der Welt, ist auch eines der Ergebnisse der Multimilliardärs-Analyse, die Chrystia Freeland in ihrem aktuellen Buch "Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite“ - erschienen bei Westend - vorlegt. Die kanadische Autorin hatte als renommierte Wirtschaftsjournalistin jahrelang Zugang zur Welt der Reichen.

Die Kluft zwischen den Allerreichsten und dem Rest der Bevölkerung wird weltweit immer größer, zumal die Superreichen auch das Gros der Vermögenszuwächse abschöpfen. Dies ist der Ausgangspunkt ihrer Eliten-Studie. Die Autorin konzentriert sich dabei auf die Topränge der Liste des US-Wirtschaftsmagazins "Forbes“, beschreibt das Leben der Superreichen nicht voyeuristisch, sondern nüchtern, analysiert die Mechanismen und Konsequenzen dieser unfassbaren Vermögen und zeigt, wie die Reichen ticken.

Was hat sie herausgefunden? Die Elite der Superreichen wird nicht etwa von Erben dominiert, sondern gerade unter den Vermögendsten konzentrieren sich Self-made-Milliardäre. Es handelt sich dabei fast ausschließlich um Männer. Männer, die rechnen können. Denn auffällig viele von ihnen haben sich in ihrer Jugend für eine mathematisch-technische Ausbildung an einer Elite-Hochschule qualifiziert. Das trifft auf amerikanische Superreiche ebenso zu wie auf russische Oligarchen. Die heute Reichsten der Reichen entstammen vielfach der Mittelschicht, wo sie sich unter komfortablen Rahmenbedingungen und bestem Bildungsangebot vom vifen Burschen zum künftigen Multimilliardär entfalteten.

Die neuen Superreichen sind Working Rich. Auch nachdem sie es längst geschafft haben, absolvieren sie in der Regel ein intensives Arbeitspensum samt dichtem Terminkalender und internationaler Reisetätigkeit. Zur Arbeit für den Konzern kommt noch jene für die hauseigenen Charitys. Zwar wird man vom Gemeinwesen ungern zu höheren Abgaben genötigt und fühlt sich tendenziell vom Staat schikaniert, will aber dennoch der Gesellschaft etwas zurückgeben. Nachdem diese Superreichen globale Unternehmen hochgezogen haben, meinen sie auch die Wohltätigkeit neu erfinden zu müssen und mit dem Instrumentarium ihres Geschäftserfolgs bessere Resultate als althergebrachte soziale Einrichtungen zu erzielen.

Diese philanthropisch-kapitalistischen Tätigkeiten bieten zudem Gelegenheit zum Austausch mit anderen in ihrer Liga. Die Geldelite organisiert ihr Leben vornehmlich in Netzwerken, wo sie unter sich bleibt. Ihr gesellschaftliches Leben hat allerdings wenig mit Bällen oder Jagdgesellschaften zu tun, sondern spielt sich auf dem internationalen Konferenzparkett ab, vornehmlich bei Veranstaltungen, die den Schwerpunkt auf die Lösung der großen globalen Probleme legen. Der Spitzenevent ist das alljährlich im Jänner/Februar tagende Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Buchautorin kommentiert: "Dorthin eingeladen zu werden, signalisiert einem ehrgeizigen Plutokraten, in der internationalen Szene angekommen zu sein.“

Alles in allem, ein ziemlich dichtes Programm. Diese umtriebige Lebensart verleitet dazu, die Schlussfolgerung zu ziehen, eben einfach doch gescheiter, schneller, emsiger als der Rest zu sein - und den sagenhaften Reichtum folglich verdient zu haben. Im Umkehrschluss trägt wohl jeder, der es nicht nach oben schafft, dafür selbst die Verantwortung. So mancher Superreiche erklärt sich seinen spektakulären Aufstieg auch einfach damit, mit einer einzigartigen Begabung zum Geldverdienen gesegnet zu sein. Freeland korrigiert: Ohne die enormen Auftriebskräfte der Globalisierung, Technologisierung und die Potenziale deregulierter Weltfinanzmärkte wäre es nicht möglich, dass ein einzelner Mensch solcherart Reichtum in wenigen Dekaden anhäuft. Dafür waren in Unternehmerfamilien in früheren Zeiten gleich mehrere fürs Geschäft begabte Generationen nötig.

Das Problem am Reichtum unserer Tage: Vermögenszuwächse passieren im globalisierten Turbokapitalismus fast nur noch "oben“ und sickern kaum nach "unten“ durch. Es herrsche, so Freeland, das Prinzip: "Der Gewinner bekommt alles.“ Die ökonomische Realität hat die Trickle-down-Theorie überholt, die davon ausgeht, dass letztendlich alle vom wachsenden Wohlstand profitieren. Dieses Prinzip funktioniert längst nicht mehr. Und wird der Kuchen auch insgesamt größer, bekommen deshalb nicht alle mehr davon ab, das Gegenteil ist der Fall. In den USA stagnieren trotz enormer Wohlstandszuwächse seit gut drei Jahrzehnten die Löhne der Arbeiter, mit dem Resultat, dass die Armen ärmer und mehr werden. Der Lohndruck hat aber längst die Mittelschicht erreicht, und auch sie wirtschaftet ab. Freeland im Gespräch mit profil: "Was zurzeit mit der Mittelschicht passiert, ist wirklich beunruhigend. Während die Vermögen oben anschwellen, wird die Mitte ausgequetscht.“

Im 21. Jahrhundert ist die wachsende Ungleichheit längst zu einem globalen Thema geworden. Österreich ist dabei keine Ausnahme. Das bedenklichste Ungleichgewicht besteht bei den Vermögen, zumal echte Spitzeneinkommen ein eher punktuelles Phänomen und außerdem hoch besteuert sind. Das aktuelle Ranking der Reichsten im Lande im Wirtschaftsmagazin "trend“ listet 30 österreichische Euro-Milliardäre, die in Summe 100 Milliarden schwer sind.

Internationale Reichen-Zählungen wie etwa der World Wealth Report des internationalen Beratungsunternehmens Capgemini und der Royal Bank of Canada zeigen ein ähnliches Bild. Dort gilt bereits als reich, wer über ein Finanzvermögen von mehr als einer Million US-Dollar, also rund 750.000 Euro verfügt. Das Ergebnis für Österreich: Im Vorjahr zählten 98.800 Österreicher zu den weltweit erhobenen Dollar-Millionären. Das entspricht einem Plus von immerhin zwölf Prozent binnen eines Jahres.

Indessen wähnen sich die Österreicher in der Illusion der Gleichheit. Denn dieser fantastischen Summen ungeachtet, geschieht das Auseinanderdriften der Vermögensverhältnisse fast unbemerkt. Studien belegen, dass die Österreicher von einem Mittelstandsmythos beseelt sind, der nichts mit der Realität zu tun hat. "In der Vermögensverteilung gibt es in Österreich de facto keinen Mittelstand. Die Hälfte der Bevölkerung besitzt fast nichts“, betont Ökonom Wilfried Altzinger von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Ein paar Zahlen aus der aktuellen Studie zu "Vermögen in Österreich“ der Universität Linz (profil 32/2013 berichtete): Die ärmsten 50 Prozent der Privathaushalte besitzen gerade 2,2 Prozent des gesamten Nettovermögens von rund 1,25 Billionen Euro, die reichsten zehn Prozent hingegen 69 Prozent, wobei sich der Reichtum nach obenhin verdichtet: Das reichste eine Prozent besitzt mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens, nämlich 37 Prozent davon.

Rankings der österreichischen Geldelite
Die Superreichen - es handelt sich dabei im Wesentlichen um die Milliardäre - sind wissenschaftlich schwer zu erfassen und wurden auch in der Linzer Studie nicht einbezogen. Wer sie sind und wie reich sie sind, zeigen alljährlich veröffentlichte Rankings der österreichischen Geldelite. Auch in den heurigen Listen führen unangefochten die Familien Porsche und Piëch mit einem Vermögen von 41,5 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich streng genommen nicht um einen einzigen, sondern um ein paar milliardenschwere Haushalte. Dessen ungeachtet ist dieses Familienvermögen größer als das der ärmsten 54 Prozent gemeinsam. Kratzten diese fast zwei Millionen Haushalte alles zusammen, so kämen sie auf 40,7 Milliarden Euro.

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Das Familienvermögen Porsche & Piëch: 41,5 Milliarden Euro*

Das gesamte Vermögen der ärmsten 54 Prozent der österreichischen Haushalte ( = 1,986.120 Haushalte): 40,7 Milliarden Euro

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Auch in Österreich sind gerade unter den Superreichen die Selfmade-Milliardäre auffallend stark vertreten. Die Mehrheit der österreichischen Vermögen wurde jedoch nicht von einem erfolgreichen Unternehmer hochgezogen, sondern entstand über Jahrzehnte durch akkumulierte Ersparnisse von Generationen - wobei Erbschaften als Sockel für weiteren Vermögensaufbau dienten. Geschätzte 30 Milliarden Euro werden in Österreich Jahr für Jahr weitergegeben. "Erbschaften und Schenkungen sind allerdings noch ungleicher verteilt als die Vermögen“, betont Altzinger. 66 Prozent der privaten Haushalte erben gar nichts, und unter den Erbhaushalten zeigt sich die übliche Verteilung: Jene, die über wenig Vermögen verfügen, erben überschaubare Beträge, große Erbschaften hingegen machen ohnehin vermögende Haushalte.

Vermögensbildung, so zeigt sich, braucht vor allem eines: stabile Verhältnisse. Krisen und Kriege hingegen vernichten Vermögen, sind Gift fürs Geld. Nicht zuletzt deshalb ist der gesellschaftliche Zusammenhalt im ureigensten Interesse der Reichen. Und auch wenn sie am liebsten unter sich bleiben, brauchen auch sie ein funktionierendes Gemeinwesen da draußen. Stark ungleiche Gesellschaften hingegen sind weder stabil noch nachhaltig. US-Ökonom Joseph Stiglitz fasst es so zusammen: "Die Beweislage aus der Geschichte ist eindeutig: Es kommt der Punkt, wo sich die Ungleichheit spiralartig nach unten dreht und eine ökonomische Funktionsstörung verursacht. Und wenn es so weit kommt, zahlen auch die Reichen einen hohen Preis.“

Was außerdem zu beachten ist:
Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen geben ihr Geld aus. Sinkt ihre Kaufkraft, so schadet das der Wirtschaft enorm. Das können ein paar superreiche Big Spender nicht kompensieren.

Zugleich verstärken krasse Schieflagen der Vermögen Chancenungleichheit und soziale Immobilität. Perspektivenlosigkeit passt so gar nicht ins Selbstverständnis der meisten westlichen Industriestaaten, galt es doch quasi als ausgemacht, dass jeder, sofern er sich anstrengt, zumindest eine Chance bekommt. Stiglitz identifiziert diese Entwicklung als eine der negativsten Konsequenzen des Ungleichgewichts. Die Vereinigten Staaten von Amerika seien heute nicht mehr das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, schreibt Stiglitz in seinem Bestseller "Der Preis der Ungleichheit“.

In Österreich werden nicht nur Vermögen, sondern auch Bildungsabschlüsse zwischen den Generationen einer Familie weitergegeben. Sind die Eltern Akademiker, stehen die Chancen gut, dass auch die Kinder einen Hochschulabschluss machen. Hingegen werden aus nur sechs Prozent der Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, Akademiker. Die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems ist gering. In der Wissensgesellschaft ist Bildung jedoch der Schlüssel zu höheren, sichereren Einkommen und stärkerer Kaufkraft. Um den Wirtschaftsstandort gesund zu erhalten und zugleich bessere Bedingungen für mehr Chancengerechtigkeit zu schaffen - da sind sich die Experten einig -, müsse vor allem der Bildungsbereich reformiert werden. WU-Professor Altzinger plädiert dafür, möglichst früh in der Bildungskarriere anzusetzen und bereits in hochwertige Vorschulerziehung zu investieren: "Je früher, desto besser. Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass die ersten Lebensjahre von zentraler Bedeutung für den weiteren Bildungs- und Erwerbsverlauf sind.“

Freelands Buch heißt im Original übrigens nicht etwa "The Superrich“, sondern "Plutocrats“ - die Plutokraten. Die Essenz der Analyse: Das viele Geld in den Händen Weniger bedroht die Demokratie. Zum einen, weil Vermögens- und Machtkonzentration zusammenhängen, zum anderen, weil eine kapitalistische Demokratie, die breiten Bevölkerungsschichten keine Vorteile bringt, ein Legitimationsproblem hat. Der deutsche Publizist Jens Jessen schreibt zu diesem Thema in der Wochenzeitung "Die Zeit“: "Wird ein so gewaltiger Lebensbereich wie die Wirtschaft der gesellschaftlichen Gestaltungskraft entzogen, ist auch die Demokratie sinnlos.“

"Machtbegrenzung kann letztlich nur über Vermögensbegrenzung erfolgen“, betont Altzinger. Eine Ära, die die Entstehung riesiger Vermögen begünstigt, wird demzufolge eine Zeit der höheren Besteuerung der Vermögenden sein müssen. Steuerexperten beschäftigt dabei nicht nur die Frage der Gerechtigkeit, sondern vor allem jene, was ökonomisch am sinnvollsten ist. Kurz: Welche Maßnahmen bringen und welche bremsen mehr Wachstum und Beschäftigung. Die OECD hat dazu eine Steuer-Wachstums-Hierarchie erarbeitet. Das Resultat der Analyse der Abgabensysteme in 21 OECD-Staaten auf den Punkt gebracht: Die höhere Besteuerung von Einkommen wirkt sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus, die Grundsteuer und die Erbschaftssteuer hingegen gelten als die verträglichsten Abgaben. In Österreich wird demnach exakt falsch besteuert, zumal sich das Abgabensystem auf die Arbeitseinkommen konzentriert und die Vermögen schont.

Eine wachstumsverträgliche Umverteilung setzt laut Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), bei einer Entlastung der niedrigen und mittleren Einkommen an. Bei jenen, die so wenig verdienen, dass sie ohnehin keine Steuern zahlen, kann dies über eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge erreicht werden, bei den mittleren Einkommen bietet sich ein Absenken des Eingangssteuersatzes an, der in Österreich mit 36,5 Prozent im EU-Vergleich zu den höchsten zählt.

Zur Gegenfinanzierung bieten sich zunächst eine Reform der Grundsteuer an sowie die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuern. Die Basis für die Berechnung der Grundsteuer sind die Einheitswerte, die seit den 1970er-Jahren nur minimal angepasst wurden und heute weit unter den Verkehrswerten liegen. Mit einer zeitgemäßen Erhöhung der Einheitswerte wäre zudem eine fairere Basis für eine Neuauflage der Erbschafts- und Schenkungssteuern geschaffen.

Eine klassische Vermögenssteuer, also eine Besteuerung der Substanz, hält Schratzenstaller hingegen für problematisch. "In der Vergangenheit waren davon primär die Unternehmen betroffen, zumal das strenge österreichische Bankgesetz Privatvermögen schützt.“