Tarzan, der olympische Star

Tarzan, der olympische Star

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Markus Rogan, heißt es, sei über kleinbürgerlichen Chauvinismus erhaben, und das lässt für ihn hoffen, denn das Talmi nationaler Etikettierung soll zu oft die ehrlich errungenen edelmetallenen Medaillen überstrahlen; nicht erst heute haben es Olympische Spiele an sich, dass freie Individuen von hyperpatriotischen Funktionären vereinnahmt werden. Manchmal werden sie sogar blitzartig eingemeindet, und sollte Herr Rogan so was, weil es ihm opportun erscheint, zulassen, dürften wir nicht bös sein, denn eventuell macht er eine zeitgenössische Karriere wie einer seiner Vorschwimmer.

Der hieß einmal Janos Peter Weissmüller und wurde als gebürtiger Österreich-Ungar der berühmteste Schwimmer der Vereinigten Staaten von Amerika.
Obgleich eine Biografie besagt, er wäre Rumäne gewesen, eine andere (in „Tarzan of the Movies“) gar, er sei in Windber, Pennsylvania, geboren, ist doch, wie die „Show Business Enzyklopädie des 20. Jahrhunderts“ festhält, wahr, dass er in Freidorf zur Welt kam, das an jenem 2. Juni 1904 noch zur Monarchie gehörte. Drei Jahre später wanderte die Familie in die USA aus, und dort wurde der in früher Jugend oft kränkelnde, schmächtige „Johnny“ von einem Athletik-Trainer entdeckt.

Big Bill“ Bachrach nahm sich des Burschen an, machte aus ihm einen 95 Kilo schweren, knapp zwei Meter großen Schwimmer, der mit 18 Jahren der erste Mensch der Welt war, der die Ein-Minuten-Schwimmmauer im Kraulen mit 58,6 Sekunden durchbarst. 1924 trat er bei den Olympischen Spielen in Paris an und gewann in 100 und 400 Meter Freistil sowie als Mitglied der 4-mal-200-Meter-Freistil-Staffel drei Goldmedaillen. Nachdem er das geschafft hatte, wurde er in ihm adäquater Geschwindigkeit amerikanischer Staatsbürger – für die Medaillen-Liste des Internationalen Olympischen Komitees sogar rückwirkend.

Vier Jahre später verteidigte er in Amsterdam den olympischen Titel in 100 Meter Freistil und mit der Freistil-Staffel. Damit ihm dazwischen nicht fad wurde, brach Johnny Weissmuller, jetzt ohne Umlaut, aber ebenso ohne Umwege, 67-mal bestehende Weltrekorde, 52 amerikanische Bestleistungen und verbesserte seine persönlichen Rekorde 174-mal. 1950 wurde er zum „besten Schwimmer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ ernannt.

Das freute ihn damals, denn es steigerte die Zuschauerquoten der TV-Serie „Jungle Jim“, in der der reife Herr einen Naturburschen darbot. Doch seine diesbezügliche Leistung hielt natürlich keinen Vergleich aus mit seinem früheren weltberühmten Wirkungskreis in den Urwäldern des westafrikanischen Staats Gabun, dort, wo Tarzan zu Haus war.

Zwölfmal zeigte er uns, wie maskulin sinnlich es sein kann, so wie er über mannshohe Wurzeln von Affenbrotbäumen zu springen und mittels Lianen durch den Dschungel zu schwingen, um unbedarften Hascherln einer Safari zu Hilfe zu eilen. Zwölfmal demonstrierte er, wie mann aus dem Wasser steigt, nachdem er ein Krokodil erlegt hat, um sich nun das freche Nashorn vorzuknöpfen; und sechsmal zeigte er uns, wie mann eine irische Schönheit namens Maureen O’Sullivan in die feucht glänzenden, nackten Arme schließt, um – wie das Drehbuch zu „Tarzan and his Mate“ anführte – „ihren halbgeöffneten Mund mit einem heißen Kuss zu schließen“.

Weissmullers Tarzan war Elementarereignis, war Greenpeace auf zwei Beinen: Er war kein Polizist oder Soko-ffer, er riskierte ohne unsere alltägliche Feigheit seine Existenz und ordnete zufrieden stellend seine Umwelt und unsere Gedanken.
Er besaß die naive Würde, aus dem Dschungel der vermeintlichen Determinationen unseres Alltags auf eine Lichtung hinauszutreten und mit unschuldigem Mut zu fragen: „Wozu?“ – und zerhauchte damit jegliches reglementierte Schnöselwerk.
Die rührende Schlichtheit seiner Feineinteilung ist nicht unerklärlich, denn Tarzans Erfinder, Edgar Rice Burroughs, war Soldat. Und bis zu seinem genialen Einfall Versager: Die Militärakademie West Point hatte er nicht geschafft; als er eine Rinderherde in Idaho beaufsichtigte, kam das Vieh unter seinen wachsamen Augen abhanden; er wurde Silbergräber in Oregon und nach einer Woche bestohlen; zuletzt scheiterte er auch noch als Vertreter. Im Sommer 1912 schrieb er die Geschichte „Tarzan of the Apes“, im März 1932 stieß „Tarzan the Apeman“ erstmals den Weissmuller-Roar aus – das Einzige, was an Johnny nicht echt war, sondern ein Gemisch aus seiner Stimme, Kamelblöken, Hyänen- und Hunde-Geheul und einer Geigenkadenz auf der G-Saite.

Was Markus Rogan von ihm auch lernen könnte, ist die Einsicht, sich nicht vorschnell an bevormundende Sponsoren zu binden: Weissmullers Weltkarriere wäre fast an einem Werbevertrag für Bademode gescheitert: Erst als die Filmfirma MGM der Modefirma erlaubte, ihre weiblichen Stars in deren Textilien zu fotografieren (Greta Garbo, Joan Crawford, Jean Harlow), durfte Weissmuller Tarzan werden. Und als solcher den unsterblichen Satz „Tarzan … Jane“ kreieren (und zwar, allen halbgebildeten Trotteln zum Trotz, ohne „Ich … Du“!).

Aber er könnte gewiss noch mehr ausdrücken, das wissen wir beide, Rogan … Fan.