Alles bleibt schlechter

Telekom: Die jüngste Frequenzauktion bringt den Konzern in Bedrängnis

Telekom. Die jüngste Frequenzauktion bringt den Konzern in ernsthafte finanzielle Bedrängnis

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Die Telekom Austria (TA) steckt in veritablen Finanzproblemen. Wie aus einem profil vorliegenden internen Dokument des Telekom-Vorstands unter Hannes Ametsreiter hervorgeht, musste der vor zehn Monaten erstellte Businessplan für die Jahre 2013 bis 2015 drastisch nach unten korrigiert werden. Laut den jüngsten Berechnungen kann die Telekom Austria kaum noch Geld für dringend notwendige Anschaffungen aufbringen.
Diese Passage entstammt einem Bericht, den profil auf den Tag genau vor einem Jahr publizierte (Nr. 44/12) – auf Grundlage vertraulicher Unterlagen aus dem Innersten der Telekom Austria. Sehr zum Missfallen des Managements. In einer ersten Reaktion nannte die Telekom die profil-Interpretation damals „falsch“ und „manipulativ“.

Seit nunmehr einer Woche hat es Telekom-Vorstandschef Hannes Ametsreiter (Bild) gleichsam amtlich: Am 23. Oktober stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonität des Konzerns auf „BBB-“ herab – Ausblick „stabil“, was eingedenk der misslichen Lage durchaus missverstanden werden könnte. BBB-: Das ist nur eine Stufe vor dem so gefürchteten Ramsch-Status. Und das auch nur deshalb, weil die Telekom die Republik Österreich im Rücken hat (der Staat hält über die Verstaatlichtenholding ÖIAG 28,4 Prozent, die América-Móvil-Gruppe des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim 23 Prozent, der Rest ist Streubesitz).

Falsch? Manipulativ?

Die vor einem Jahr konstatierten Finanzprobleme sind nicht kleiner geworden. Ganz im Gegenteil. Die Telekom Austria muss nun auf die Schnelle hunderte Millionen Euro aufstellen, die sie nicht hat – und die so auch nie budgetiert waren. Vor wenigen Tagen fiel der Hammer in der sogenannten Mobilfunk-Multiband-Auktion. Die Republik versteigerte jene Frequenzen, welche die Datenübertragung auf dem neuen LTE-Standard sichern sollen.

Aus Sicht des Staates ein gutes Geschäft. Anstelle der ursprünglich erwarteten 550 Millionen Euro spülte die Auktion gleich zwei Milliarden ins Budget, wovon 1,03 Milliarden zu Lasten der Telekom gehen, 655 Millionen Euro zahlt die deutsche T-Mobile, 330 Millionen die chinesische Hutchison-Gruppe („3“ und nunmehr auch „Orange“).

Neue Schulden
Soweit es die teilstaatliche Telekom betrifft, ist der Erfolg für den Steuerzahler zu relativieren. Die Unternehmensführung hatte mit einem Betrag in der Größenordnung von 350 Millionen Euro kalkuliert, welcher gerade noch aus den vorhandenen Cashreserven gestemmt hätte werden können. Aber 1,03 Milliarden Euro? Und da sind die Investitionen in den Ausbau der neuen Infrastruktur noch gar nicht eingerechnet. Wo soll das fehlende Geld nun herkommen? Auf Anfrage teilte die Telekom vergangene Woche lapidar mit: „Wir werden die Mittel, die für die Frequenzauktion nötig sind, aus den liquiden Mitteln des Konzerns sowie zusätzlichem Fremdkapital finanzieren.“

Neue Schulden also.

Sicher, die neuen Frequenzen sind unerlässlich, um auf dem Markt nicht den Anschluss zu verlieren; sicher, die Kunden werden ihren Anteil an dem Deal noch an den Handy-Abrechnungen ablesen können.

Trotzdem.

Schon vor Jahren muss den Kaufleuten in der Telekom klar gewesen sein, dass der geltende UMTS-Standard ein Ablaufdatum hat. Doch statt Reserven zu bilden, wurden großzügige Dividenden verteilt.
Seit 2007 hat die Telekom Austria insgesamt 1,5 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausgeschüttet. Und das selbst in mageren Jahren. 2011 etwa verzeichnete der Konzern ein negatives Jahresergebnis von 253 Millionen Euro; trotzdem wurden 331 Millionen Euro unter die Anleger geworfen. Dazu musste auch die Substanz angegriffen werden. Noch im Jahr 2010 kündigte der Vorstand vollmundig eine Dividendenuntergrenze von 76 Cent je Aktie für die kommenden Jahre an. Und das, obwohl die Geschäftsentwicklung keine großen Sprünge erlaubte. Schon für das Jahr 2011 wurden nur mehr 38 Cent je Aktie bezahlt; für 2012 waren es gar nur fünf Cent.

Auf den allzu lockeren Umgang mit den Reserven angesprochen, weicht das Unternehmen aus. „Die Dividendenpolitik wurde im Vorjahr gerade in Hinblick auf die anstehenden Investitionen angepasst und auf fünf Cent je Aktie reduziert“, so die Telekom-Pressestelle in einer schriftlichen Stellungnahme. „Diese Entscheidung hat sich also als richtig erwiesen.“
Hilft nur nichts. Die neuerdings konservative Dividendenpolitik macht die Fehler der vergangenen Jahre nicht wett. Konsequenterweise ist die Eigenkapitaldecke des Konzerns immer dünner geworden. Standen Ende 2007 noch 2,5 Milliarden Euro auf der Passivseite der Bilanz, war es Ende 2012 nur noch etwas mehr als ein Drittel: 836 Millionen Euro. Zugleich lasteten zuletzt Verbindlichkeiten in der Höhe von 6,4 Milliarden Euro auf den Büchern.

Und da wird noch einiges dazukommen. Nach profil-Recherchen muss die Telekom kurzfristig 600 bis 700 Millionen Euro zusätzlich aufnehmen, um überhaupt die Frequenzen bezahlen zu können. Das verschlechterte Rating kommt hier zur Unzeit. Eine schlechtere Bonität zieht schlechtere Finanzierungskonditionen nach sich.

Der guten Ordnung halber sei angemerkt, dass der weitaus größte Teil der Dividenden dem Staat zugutekam. Dass Aktionäre Begehrlichkeiten anmelden, liegt in der Natur der Sache. Dennoch hätte der – laut Aktiengesetz – weisungsfreie Vorstand mehr Augenmaß zeigen können, wenn nicht müssen.

Für Anfang kommender Woche hat sich eine Delegation des neuen Großaktionärs América Móvil angekündigt – die Mexikaner haben sich 2012 in das Unternehmen eingekauft, in dem sie dem Wiener Investor Ronny Pecik große Teile seines Aktienpakets ablösten (profil berichtete). Pecik fungiert seit dem Vorjahr als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender hinter ÖIAG-Chef Rudolf Kemler.

Kontroversen zwischen América Móvil, ÖIAG und Telekom Austria sind programmiert. Schon 2012 wurde intern über die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung gestritten. Pecik und seine mexikanischen Partner sahen und sehen keine Alternative, ÖIAG und Telekom-Vorstand standen und stehen auf der Bremse. Mit gutem Grund. Um nicht noch weiter verwässert zu werden und somit an Einfluss zu verlieren, müsste die ÖIAG, also der Staat, Geld in die Hand nehmen, für das im Budget nicht vorgesorgt ist. Dass Hannes Ametsreiter von einer Kapitalerhöhung nach wie vor nichts wissen will, sollte nicht überraschen. Eine weitere Verschiebung der Anteilsverhältnisse in Richtung América Móvil würde seine Halbwertszeit im Konzern nicht eben erhöhen. Sein Vertrag läuft noch bis Dezember 2016.

Infobox

Reden ist Gold
Die Telekom Austria ließ sich den Auftritt von „Abenteurer“ Richard Branson eine halbe ­Million Euro kosten.

Sir Richard Branson war da. Großer Bahnhof im Wiener Museumsquartier für einen Querdenker. Am 8. Oktober hatte Hannes Ametsreiter den Gründer der Virgin-Gruppe eingeladen, vor 600 Gästen zu sprechen. Als Keynote-Speaker der mittlerweile traditionellen Veranstaltungsreihe „future.talk“. In den Jahren zuvor hatten sich Kapazunder wie Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan, US-Vizepräsident a. D. Al Gore oder Apple-­Mitbegründer Steve Wozniak eingefunden. Auf der Homepage der Telekom liest sich die Nachschau zum Event 2013 so: „Der future.talk 2013 … beeindruckte die Gäste durch innovatives Eventdesign. ­Besondere Beachtung fanden der Eingang direkt vom Hof des MuseumsQuartiers in die Halle E und die ­runden Leinwände, auf denen Videoeinspielungen und das Bühnengeschehen präsentiert wurden. Annina Campell, die Schweizer Moderation von SRF und Servus TV, führte durch einen Abend, der nicht nur inhaltlich auf Nachhaltigkeit ausgerichtet war. Der gesamte Event war nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens für Green Events gestaltet. Die Gäste bekamen für die Anreise kostenlose Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel, das Catering war zu 100% regional und saisonal.“

Was die Telekom nicht erwähnt. Die Veranstaltung kostete ein kleines Vermögen. Allein Branson soll ein Honorar von 150.000 Euro kassiert haben – für einen lockeren Talk mit Hannes Ametsreiter. Für Catering, Miete, Ausstattung und Personal dürften noch einmal 400.000 Euro ausgelegt worden sein. Eine halbe Million Euro also. Seitens der Telekom Austria wird die Zahl weder bestätigt noch dementiert. Man verweist auf den „enormen Werbewert“ des Events.