Telekom in Not

Telekom in Not: Dem Konzern geht das Geld aus

Aktuell. Cash-Flow Rückgang bei der Telekom Austria bis 2015

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Die außerordentliche Hauptversammlung der Telekom Austria am vergangenen Dienstag war der Austria Presse Agentur lediglich ein paar Zeilen wert: Rudolf Kemler, der neue Chef der Verstaatlichtenholding ÖIAG, wurde erwartungsgemäß zum Aufsichtsratschef gewählt; der Manager Oscar Von Hauske Solis wird als einfaches Mitglied künftig den neuen Telekom-Großaktionär America Movil vertreten.

So weit, so unspektakulär. Sieht man einmal von der, gelinde gesagt, unhöflichen Geste ab, dass sich der Mexikaner gar nicht erst die Mühe machte, persönlich nach Wien zu jetten. Er ließ sich von einem Anwalt vertreten.

Nach zwei turbulenten Jahren wäre es hoch an der Zeit, dass in dem börsennotierten Unternehmen wieder Ruhe und Routine einkehren. Der 2011 aufgeflogene Skandal, wonach sich PR-Fachleute und Politiker ziemlich ungeniert in der Telekom bedient hatten, ist im parlamentarischen Untersuchungsausschuss öffentlichkeitswirksam aufgearbeitet worden; der Einstieg des mexikanischen Multimilliardärs Carlos Slims über den Investor Ronald Pecik hat monatelang für Schlagzeilen gesorgt; schlussendlich verstimmten die unlängst angekündigten Dividendenkürzungen die Anleger und drückten den Aktienkurs auf den niedrigsten Stand der Unternehmensgeschichte.

Und doch: Schlimmer geht immer.
Die Telekom Austria (TA) steckt in veritablen Finanzproblemen. Wie aus einem profil vorliegenden internen Dokument des ­Telekom-Vorstands unter Hannes Ametsreiter hervorgeht, musste der vor zehn Monaten erstellte Businessplan für die Jahre 2013 bis 2015 drastisch nach unten korrigiert werden. Laut den jüngsten Berechnungen kann die Telekom Austria kaum noch Geld für dringend notwendige Anschaffungen aufbringen. Und das über Jahre hinweg. Wie trist die finanzielle Ausstattung des teilstaatlichen Konzerns aussieht, zeigen die von Finanzvorstand Hans Tschuden angestellten Berechnungen für den so genannten Free Cash Flow, also die für Investitionen und die Tilgung von Verbindlichkeiten verfügbaren Mittel. Laut ursprünglichem Businessplan von Anfang dieses Jahres wollte die Telekom aus dem laufenden Geschäft bis 2015 rund 1,7 Milliarden Euro flüssigmachen. Nun ist klar: Es werden gerade einmal 630 Millionen werden.

Besonders düster sieht das kommende Jahr aus. Für 2013 waren freie Mittel in der Höhe von 577 Millionen errechnet worden. Aktuell geht das Telekom-Management jetzt aber von einem negativen Cashflow in der Höhe von 362 Millionen Euro aus. Der Konzern kann demnach die für kommendes Jahr geplanten Ausgaben, wie etwa die Übernahme des Billiganbieters yesss! und die Ersteigerung von zusätzlichen Frequenzen, nicht aus eigener Kraft stemmen.

Eine Erklärung, warum die Telekom Austria in nur zehn Monaten alle Berechnungen über den Haufen werfen musste und nun mit einer derart verschlechterten Aussicht aufwartet, lässt sich aus dem Dossier nicht ableiten. De facto kann es aber bloß zwei Gründe geben, warum nur noch ein Drittel des zuvor erwarteten Cash Flows prognostiziert wird. Entweder steigen in den kommenden Jahren die Verbindlichkeiten der Unternehmensgruppe stark an – oder die Ertragslage droht massiv einzubrechen. In dem internen Papier ist lapidar von „verschlechterter Marktentwicklung“ die Rede.

Konzernintern dürften die Zahlen noch nicht kommuniziert worden sein. Bisher wurden die Berechnungen nur einem ausgewählten Personenkreis zugänglich gemacht. Auf profil-Anfrage gibt sich Unternehmenssprecher Peter Schiefer zugeknöpft: „Es ist aus unserer Sicht wenig sinnvoll, unterschiedliche Szenarien, die noch dazu in einem so dynamischen Markt wie dem ­unseren häufig angepasst werden, öffentlich zu diskutieren.“

Mag sein. Aber selbst intern dürfte der Vorstand keinerlei Anstalten gemacht haben, die Schieflage zu erörtern. Der neue Großaktionär Carlos Slim wurde ebenso wenig über die Entwicklungen in Kenntnis gesetzt wie Aufsichtsratsvizepräsident Ronny Pecik. Von profil mit den Zahlen konfrontiert, reagiert Pecik einigermaßen perplex: „Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist mir völlig neu. Diese Zahlen wurden dem Aufsichtsrat bisher in keiner Sitzung präsentiert.“

Nun ist die Informationspolitik der Telekom-Führung die eine Sache. Sie lässt aber tief blicken, wie sehr die Unternehmensführung den neuen mexikanischen Eigentümer, der mit der Verstaatlichtenholding ÖIAG fast auf Augenhöhe sitzt, außen vor hält. Doch bei allem Misstrauen: Die Finanzprobleme der Telekom lassen sich auch durch Schweigen nicht leugnen. Teure Einkäufe im Osten – die bulgarische Mobtel oder die weißrussische Velcom – rissen ein Loch in die Kassen, zumal die Performance der Auslandstöchter zuletzt hinter den Erwartungen zurückblieb. Auch der Umsatz in Österreich ist seit Jahren rückläufig. Das schlägt aufs Gesamtergebnis durch. Heuer wird der Gewinn der Telekom-Austria-Gruppe vor Steuern bei 1,4 Milliarden Euro liegen. Zum Vergleich: 2008 waren es noch fast zwei Milliarden.

Und damit nicht genug: Darüber hinaus ist in den vergangenen Jahren die Eigenkapitaldecke des Unternehmens rasant dahingeschmolzen. Die 2,5 Milliarden Euro im Jahr 2007 sanken zuletzt auf knappe 883 Millionen. Das wiederum heißt: Auch aus der Unternehmenssubstanz kann die Gruppe nicht schöpfen.

Erste Konsequenzen wurden bereits gezogen: Die Dividende wurde auf fünf Cent pro Aktie gekürzt. Bis 2010 hatte die Telekom noch 75 Cent gezahlt. Pecik, der für die mexikanischen Miteigentümer im Aufsichtsrat sitzt, spekuliert seit Monaten offen über eine notwendige Kapitalerhöhung. Das würde zwar die Probleme der Telekom Austria lösen, ­dafür aber die Finanzministerin ordentlich in die Bredouille bringen. Die Republik hält über die ÖIAG 28,4 Prozent an der Telekom, America Movil 22,88 Prozent, der Rest ist im Streubesitz. Zieht die ÖIAG bei einer Kapitalerhöhung mit, muss die Republik Geld in die Hand nehmen, andernfalls verschieben sich die Eigentümerverhältnisse – der Anteil der ÖIAG könnte dann unter die Sperrminorität von 25,1 Prozent fallen. Die Republik würde somit deutlich an Einfluss auf das Unternehmen verlieren.

Carlos Slim, niemand Geringerer als der reichste Mann der Welt, könnte nicht nur problemlos bei einer Kapitalerhöhung mitziehen. Beim aktuellen Börsenkurs der Telekom-Aktie wäre die Mehrheit auch noch billig zu haben.

Laut Pecik sei „eine Kapitalerhöhung im Aufsichtsrat bereits debattiert“ worden. Seitens der Telekom und der ÖIAG wird aber abgewinkt. „Wir sehen überhaupt keine Notwendigkeit, über eine Kapitalerhöhung nachzudenken“, sagt Telekom-Sprecher Peter Schiefer. Bernhard Nagiller von der ÖIAG teilt profil schriftlich mit: „Für die ÖIAG ist eine Kapitalerhöhung bei der TA derzeit kein Thema. Grundsätzlich prüfen wir mögliche Kapitalerhöhungen im Einzelfall und forcieren diese dann, wenn sie nachhaltig wertschaffend sind.“

Das ist eine originelle Sichtweise. Immerhin befindet sich der Markt im Umbruch. Nach GSM und UMTS steht der Branche mit LTE ein neuer Mobilfunkstandard bevor. Nur mit technologischer Aufrüstung kann der steigende Bedarf an ­Datenübertragung für die Generation iPhone gedeckt werden. Wer nicht ins Hintertreffen geraten will, muss viel Geld in die Hand nehmen. Kommendes Jahr schreibt der Telekom-Regulator RTR drei Frequenzbänder zur Versteigerung aus. Um sich einen substanziellen Teil am Kuchen zu sichern, wird der Marktführer Telekom Austria mehrere hundert Millionen zahlen müssen. Und da sind die Ausgaben zur technischen Aufrüstung von Sendeequipment und Leitungen auf den neuen Standard noch gar nicht eingepreist. Insgesamt stehen dem Unternehmen allein aus der Umstellung auf LTE kurzfristig Investitionen von rund 750 Millionen Euro ins Haus. Und das allein in Österreich.

Doch gerade hier, auf dem extrem umkämpften Mobilfunkmarkt, kann sich das Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil nicht leisten. Die Telekom wird also zwangsläufig „nachhaltig wertschaffend“ investieren müssen.
Fragt sich, mit welchem Geld.