Terrorismus: Die Angst danach

Verfassungsschützer warnen vor Gefahr

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Ob Erdbeben, Unfall oder Bombenanschlag: Die österreichischen Einsatzkräfte von Polizei über Rettung und Feuerwehr bis zum Bundesheer sind – so beruhigen Politiker – in Sachen Ausrüstung und Know-how gut vorbereitet. Doch ein Manko kann nicht wettgemacht werden: Wenn sie zum koordinierten Großeinsatz ausrücken, ist das Schlimmste bereits passiert.

Dass Terroranschläge wie zuletzt in London auch in Österreich geschehen können, glauben zwar laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM 81 Prozent der Bevölkerung nicht.

Doch der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2004 vertritt eine gegenteilige Meinung. Dort wird vor in Österreich lebenden Moslems gewarnt, die „potenziell zu Anschlägen innerhalb und außerhalb von Österreich motiviert werden können ... äußerst konspirativ agieren ... und überdurchschnittlich intensive internationale Kontakte in der ganzen Welt pflegen“.

Aufgerüttelt von den Bombenanschlägen vom 7. Juli in London, suchen EU-Politiker nach wirksameren Methoden zur Terrorbekämpfung. Der nach den Attentaten in Madrid im März 2004 eingesetzte EU-Antiterror-Koordinator, der Niederländer Gijs de Vries, warnte, dass das Bedrohungsbild „komplexer“ geworden sei. Während das Terrornetzwerk al-Qa’ida früher zentral gesteuert worden sei, habe man es jetzt mit zahlreichen einzelnen Gruppen zu tun. Kein Land in der EU sei vor der Bedrohung durch den Terror gefeit, erklärte de Vries – „auch Österreich nicht“.

Sicherheitsexperten warnen, dass vor allem Großveranstaltungen wie die Fußball-EM 2008 als Terrorziele ausgewählt werden könnten. Auch politische Großereignisse wie Gipfeltreffen oder Zusammenkünfte von Regierungschefs – etwa auch im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006 – könnten potenziell von Anschlägen bedroht sein.

Mehr Überwachung. Der Umstand, dass Österreich neutral und im Irak nicht Mitglied der US-geführten Allianz ist, bietet keinen absoluten Schutz. Schon unter Bruno Kreisky hatten Terroristen palästinensischer Splittergruppen wiederholt auch in Wien zugeschlagen: mit Attentaten auf die Wiener Synagoge 1982 und drei Jahre später am Flughafen Wien-Schwechat. Auch die OPEC-Zentrale war bereits 1975 Ziel eines Anschlags.

Selbstmordattentate in U-Bahnen könnten auch in Wien kaum verhindert werden. Aber hier wäre die anschließende Suche nach den Tätern schwieriger. Nach Londoner Vorbild sollen erst ab Herbst Überwachungsvideos einiger U-Bahn-Linien und Straßenbahnen versuchsweise bis zu 48 Stunden lang gespeichert werden.

Gegenüber der Tageszeitung „Der Standard“ forderte nun auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine bessere Überwachung von Terrornetzwerken und präventive Maßnahmen gegen Radikalisierung und Rekrutierungsmöglichkeiten. Die Bundesregierung unterstützt auch die jetzt in der EU diskutierte verpflichtende Aufzeichnung von Telefon- und Internetkontakten. Zudem soll die Überwachung von öffentlichen Plätzen durch Videokameras nach Pilotversuchen auf dem Wiener Schwedenplatz und den Parkplätzen der Shopping City Süd ausgedehnt werden.

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer forderte als Reaktion auf die Londoner Anschläge eine umfassende Integrationspolitik, eine strengere Überwachung von Hasspredigern und schärfere Kontrollen der Finanzierungsquellen von Terrorgruppen. Die EU müsse auch mehr Anstrengungen für den Frieden im Irak und im Nahen Osten unternehmen.

Ähnlich argumentierte BZÖ-Chef Jörg Haider. Der Irak-Krieg habe nach Ansicht Haiders den Extremisten in die Hände gespielt und die Terroranschläge von Madrid und London erst ausgelöst. US-Präsident George Bush und der britische Premier Tony Blair hätten „die Ehre der arabischen Menschen verletzt“, sagte Haider. Jetzt nach noch mehr Waffen, noch mehr Überwachung und noch schärferen Sicherheitsvorkehrungen zu rufen bringe wenig.

Der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer befürchtet, Österreich könnte sich „zum Eldorado für Schläfer und Hassprediger“ entwickeln. Islamische Zuwanderer müssten sich „weitestgehend assimilieren“ und zur „völligen Akzeptanz unserer Kultur- und Wertordnung“ verpflichten.

Radikale Prediger. In der islamischen Glaubensgemeinschaft werden Pauschalverdächtigungen von bis zu 300.000 in Österreich lebenden Moslems kritisiert. Integrationsbeauftragter Omar al-Rawi verweist auf die Konferenz der in Österreich tätigen Imame im vergangenen April. Diese hätten sich eindeutig zu den demokratischen Grundwerten in Österreich bekannt und jeglichen Extremismus verurteilt.

Doch zu vier Moscheen in Österreich, gibt al-Rawi zu, hätte die Glaubensgemeinschaft keinen Kontakt. „Dort wird eine besonders strenge Richtung des Islam eingehalten.“ Dies bedeute nicht, dass dort Extremisten Unterschlupf gefunden hätten. Doch Inhalte von Predigten in diesen Moscheen seien nicht bekannt. Die Überprüfung von dort verbreitetem Gedankengut falle in den Zuständigkeitsbereich der Sicherheitsbehörden. Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Erik Buxbaum, spielte den Ball sofort zurück. Die islamische Glaubensgemeinschaft dürfe solche Prediger erst gar nicht nach Österreich einladen, so Buxbaum.

Auf profil-Berichte, wonach im Jahr 2002 islamische Extremisten in Österreich sogar als Religionslehrer an öffentlichen Schulen tätig waren, habe die Glaubensgemeinschaft durch Entlassungen und bessere Kontrolle bei der Auswahl reagiert, so al-Rawi.

Auf EU-Ebene herrscht weiter Ratlosigkeit über geeignete Maßnahmen zur Terrorabwehr. Bei ihrem Sondergipfel in Brüssel verständigten sich die Innen- und Justizminister der EU am Mittwoch vergangener Woche nur darauf, beschlossene Maßnahmen rascher umzusetzen.

Noch keine Einigung gibt es über die Vorratsspeicherung von Telekomdaten, die vor allem die Briten bis zu einem Jahr aufbewahrt wissen wollen. Damit soll nachvollziehbar werden, mit welchen Personen Verdächtige telefoniert oder via Internet kommuniziert haben. Inhalte der Kommunikation wären durch diese Maßnahme freilich nicht erfasst. Innenministerin Liese Prokop und Justizministerin Karin Miklautsch befürworten eine derartige Ausweitung der Datenspeicherung, wollen die Weitergabe an Behörden aber weiterhin jeweils an eine konkrete richterliche Ermächtigung gebunden wissen. „Wir geraten mit unserer Position – Ja zur Datenaufbewahrung, aber möglichst kurz und restriktiv – in der EU in die Minderheit“, so Sektionschef Roland Miklau vom Justizministerium.

Grundrechte. „Man erwischt damit nur die dummen Terroristen, die kein Wertkartenhandy verwenden und ihre E-Mails nicht vom Internetcafé aus verschicken“, kritisiert Peter Pilz, der Sicherheitssprecher der Grünen, die Sinnhaftigkeit der Maßnahme. Dafür seien die Bürgerrechte massiv bedroht. „So könnte transparent werden, welche Beamte mit Journalisten telefonieren“, warnt Pilz. „Da sind Grundrechte in Gefahr.“

Der Chef der ARGE Daten, Hans Zeger, hält die Erleichterung von Wirtschaftsspionage und eine Aushöhlung des Anwalts- sowie Ärztegeheimnisses für möglich. So sei durch die Datenspeicherung das Kommunikationsverhalten von Personen und Unternehmen ausforschbar.

Im Europaparlament ist die Vorratsspeicherung erst im vergangenen Juni als teure und nutzlose Maßnahme abgelehnt worden. „Im Windschatten von Terroranschlägen sollen Elemente des Überwachungsstaates am Parlament vorbei eingeführt werden“, wettert der grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber. „Da machen sich in der EU die Innenminister selber die Gesetze und wollen sich gleich selber kontrollieren.“

Vorreiter. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel lobte dagegen die „Vorreiterrolle“ Österreichs bei der Kooperation der Polizeibehörden. Im nach einem deutschen Ort benannten Vertrag von Prüm verpflichteten sich sieben EU-Staaten – Deutschland, Frankreich, Spanien, die Benelux-Länder und Österreich – im Mai 2005 zur engeren Kooperation bei der Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration.

Laut Artikel 14 des Prümer Vertrags werden künftig vor Großveranstaltungen – etwa im Sport oder bei EU-Gipfeltagungen – Daten von Personen, die Straftaten begehen könnten, unter den nationalen Polizeibehörden ausgetauscht. „Damit werden Globalisierungsgegner auf eine EU-weite schwarze Liste gesetzt“, kritisiert Pilz. Zwar sollen die übermittelten Daten spätestens nach einem Jahr gelöscht werden, aber in den mitgelieferten Aktenstücken würden die Namen weiter abrufbar bleiben.

Wilhelm Sandriesser, EU-Experte des Innenministeriums, verweist auf die umfangreichen Datenschutzklauseln im Vertrag. „Das hohe österreichische Niveau beim Datenschutz wird somit auch auf EU-Ebene eingeführt.“

Mitarbeit: Marianne Enigl

Von Emil Bobi und Otmar Lahodynsky