Tiere: Katzenkopien aus San Francisco

Tiere: Katzenkopien

Haustierklone aus Zellen verblichener Lieblinge

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Endlich haben Katzen mehr als nur neun Leben – wenn auch nicht ganz umsonst. „Kostspielig, keine Frage“, gesteht Ben Carlson, Sprecher der Firma Genetic Savings and Clone mit Sitz in Sausalito, einem Nobelvorort von San Francisco. Teuer, aber nicht unbezahlbar für Jenny X., die ihren Nachnamen nicht gedruckt wissen will. Sie blätterte 50.000 Dollar (etwa 38.460 Euro) auf den Tisch, um ihre verstorbene Katze genetisch zu verdoppeln: Little Nicky heißt ihre, zugleich erste auf Bestellung geklonte Katze, die noch rechtzeitig vor Weihnachten ausgeliefert wurde. „Das Geld war mir nicht so wichtig“, wehrt X. die Kostenfrage ab. „Der Kater passt zu mir, genauso wie Nicky, der letztes Jahr starb.“

An den Wänden des Firmenfoyers hängen Fotos verspielter Samtpfötchen und knuddeliger Hunde, indes nicht unbedingt jener werten Tiergenossen, deren Gewebeproben die Firma, für einen monatlichen Obolus, zu hunderten tiefgefroren in ihren Gefrierschränken hütet. „Wir wahren Anonymität“, beteuert Carlson, als fielen possierliche Haustierfotos unter Datenschutz.

Seit Genetic Savings Little Nicky an die Frau gebracht hat, ist unter betuchten Haustierbesitzern in den USA das Interesse an genetischen Wiedergängern sprunghaft gestiegen. Zum Valentinstag lieferte die Firma die zweite Schnurrdose aus –

Little Gizmo, der etwas zeitversetzt geborene Zwilling der Siamkatze Gizmo, die im März 2003 13-jährig das Zeitliche gesegnet hatte. Weil die Firma nach eigenen Angaben seither den Produktionsprozess besser im Griff hat, ist inzwischen der Preis gefallen – auf 32.000 Dollar (etwa 24.615 Euro), ein Schnäppchen für die genomische Wiederauferstehung.

Gefühle. Tiere zu klonen ist keine Neuigkeit. Genetiker haben seit dem 1996 geborenen Schaf Dolly, dem ersten Klontier der Welt, einen respektablen Zoo genetisch verdoppelt – Mäuse, Kaninchen, Ziegen, Schafe, Rinder, Pferde, Schweine oder Hirsche. Doch bei Haustieren stockt kurz der Atem, geht es doch nicht um Experimente zum Erkenntnisgewinn oder um Vermehrung landwirtschaftlicher Nutztiere, sondern um Gefühle. Es geht um ein Haustier, dessen wesentlicher Lebenszweck darin besteht, dem Menschen ein treuer Gefährte zu sein, und um die insgeheime, jedoch wissenschaftlich widersinnige Hoffnung, dieses Treueverhältnis über die Schwelle des Todes hinaus zu retten. „Unsere Kunden wissen, dass ein bestimmtes Haustier zu ihnen genau passt – ähnlich wie eine Automarke“, erläutert Carlson hilfsbereit das Konzept seiner Firma, „sie wollen ein Tier, mit dem sie eine ähnlich positiv erlebte Beziehung aufbauen können.“

Das Ausgangsmaterial der Klonmaschinerie bilden Eierstöcke, die Katzen in Tierkliniken zu Sterilisierungszwecken entfernt wurden und die Genetic Savings zu tausenden aufkauft. In die aus den Organen gewonnenen Eizellen wird das Erbmaterial des zu klonenden Haustiers eingesetzt. Im Gegensatz zu der beim Dolly-Experiment angewendeten Zellkerntransfer-Methode wendet Genetic Savings eine noch junge, patentgeschützte Technik namens Chromatin Transfer an. Dabei werden die Kernspenderzellen vor dem Einsetzen in die entkernte Eizelle mit Extrakten aus Zellen behandelt, die sich in einem frühen Stadium der Kernteilung befinden. Dadurch kommt es zu einer Kondensation des Chromatins, einer Formation aus Erbsubstanz und Proteinen, die sich anscheinend positiv auf die Reprogrammierung des Zellkerns auswirkt. Die aus Eizellenhülle und Spenderkern neu geschaffene Zelle erreicht so leichter einen embryoähnlichen Zustand. Zweck der Übung ist, erklärt Phil Damiani, Chefgenetiker von Genetic Savings, jene Probleme zu vermeiden, die Tiere der Dolly-Generation bekanntlich plagten – von einem beschleunigten Alterungsprozess über Missgeburten bis hin zur Krankeitsanfälligkeit. 50 Katzen will Genetic Savings bis zum Ende des kommenden Jahres geklont haben.

Ganz ohne Hindernisse geht es freilich nicht, gesteht Damiani ein. Die ersten Katzen, die Genetic Savings vor drei Jahren zu Übungszwecken klonte, waren zwei Bengalenkatzen des Firmenchefs Lou Hawthorne. Im einen Fall bedurfte es nicht weniger als 14, im anderen 20 Versuche, bis die Surrogatmütter die Kätzchen erfolgreich austrugen. Auch heute sterben regelmäßig 15 bis 45 Prozent aller lebend geborenen Klonkatzen innerhalb der ersten 30 Tage. Völlig ungewöhnlich ist das nicht, erklärt der Genetiker Eckhard Wolf, Professor für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie an der Universität München, der Rinder klont: „Fünf bis 20 Prozent der Embryonen, die bei uns durch Kerntransfer entstehen, entwickeln sich zum gesunden Kalb.“

Der Kuschelklon, der schließlich als Überlebender dutzender Versuche schnurrend bei den Kunden landet, soll dabei nicht nur genetische Kopie sein. Die Auftraggeber von Genetic Savings erhoffen sich ein Tier, das ihrer alten Katze weit gehend ähnelt. Doch das kann niemand garantieren. Die erste von Genetic Savings geklonte Katze CC (für Copycat) sah ihrer Mutter, einer dreifarbig gepunkteten Mieze namens Rainbow, nicht sehr ähnlich – sie trug Weiß mit einem grauen Tigerfell über dem Rücken. Noch dazu erwies sich CC als gesellig, während Rainbow ein eher verstockter Zeitgenosse ist. „Wir haben nie behauptet“, wehrt Hawthorne solche Einwände ab, „dass Gene das Aussehen und das Verhalten durchgehend bestimmen.“ Doch muss die Firma diesen Glauben wohl oder übel nähren, um erfolgreich um Kunden zu werben. So spricht Hawthorne gerne vom „Potenzial“, das seine Firma Kunden liefere. Wenn sich diese Potenz voll entfaltet, gibt es, so die unterschwellige Aussage, eine fast identische Kopie. Und hin und wieder – und vielleicht sogar immer öfter – gelingt der Zaubertrick. Jenny X. jedenfalls erkennt in der Kopie ihre einst heiß geliebte Katze wieder.

Die Idee zur Schaffung genetischer Haustierdoubletten keimte, nachdem sich der Milliardär John Sperling in Missy, die Hündin von Lou Hawthorne, heute Firmenchef von Genetic Savings, verknallt hatte. Die Mischlingshündin – drei Viertel Collie, ein Viertel Husky – sollte dupliziert werden. Sperling gab Forschern des Veterinary Department der Texas AM University 1997 mehrere Millionen Dollar, um den attraktiven Wauwau zu vervielfältigen. Das Missy-Projekt erregte genug öffentliche Aufmerksamkeit, sodass der Finanzier Sperling ein Geschäft witterte.

Hundeklon. So ward Genetic Savings geboren. Einen Hund hat die Firma freilich immer noch nicht geklont, doch ist die Forschung offenbar weit genug gediehen, um Katzen genetisch zu kopieren. „Klontechnik ist artspezifisch“, erklärt der Genetiker Damiani. „Und die Reproduktionsorgane eines Hundes sind kompliziert.“ Dennoch hofft Genetic Savings, in diesem Jahr einen Hund zu klonen – Missy, deren Konterfei trotz Datenschutz überall an den Wänden des Firmengebäudes prangt.

Doch mittlerweile regt sich Widerstand gegen die wundersame Vermehrung von Haustieren. So lancierte der US-Tierschutzverband American Anti-Vivisection Society kürzlich eine Kampagne, das Klonen von Haustieren in Kalifornien verbieten zu lassen. Begründung: das Gesundheitsrisiko für die geklonten Tiere. Bei Genetic Savings sieht man solche Einwände angesichts voller Auftragsbücher gelassen. „Tiere zu klonen ist legal, und die von uns gelieferten Katzen sind gesund“, erklärt Firmensprecher Carlson. „Selbst ich würde meine brasilianische Regenbogenboa gerne klonen. Aber für Schlangen ist der Markt derzeit noch zu klein.“

Von Hubertus Breuer