Rohrpost und Setzlinge

Top Team Affäre: Rechnungshof bringt SPÖ und FPK in Bedrängnis

Affäre Top Team. Ein Bericht des Kärntner Rechnungshofs bringt SPÖ und FPK in Bedrängnis

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700 Autogrammkarten „Dr. Peter Kaiser“ in den Formaten A5 und A6, beidseitig bedruckt, bestellt im Jahr 2010 vom Büro des damaligen Kärntner SPÖ-Gesundheitsreferenten Peter Kaiser. Kostenpunkt: 1671,60 Euro, bezahlt aus Steuergeldern.

Eine zweiseitige Postwurfsendung „Rohrpost“, adressiert an alle Kärntner Haushalte, gewidmet von „Ing. Reinhart Rohr“, bestellt im Jahr 2009 vom Büro des damaligen SPÖ-Gemeindereferenten Reinhart Rohr. Kostenpunkt: 8385,39 Euro, bezahlt aus Steuergeldern.

Eine Inseratenserie in der „Kärntner Tageszeitung“ zum Generalthema „Kultur“ mit dem Testimonial „Mag. Harald Dobernig“, bestellt im Jahr 2011 vom Büro des damaligen FPK-Kulturreferenten Harald Dobernig. Kostenpunkt: 37.800 Euro, bezahlt aus Steuergeldern.

Eine „Sportkampagne“ in der „Kärntner Tageszeitung“ mit Wunschthemen von „LH Gerhard Dörfler“, bestellt zwischen 2010 und 2012 vom Büro des damaligen FPK-Landeshauptmannes Gerhard Dörfler. Kostenpunkt: 136.000 Euro, bezahlt aus Steuergeldern.

Diese Woche – und somit rechtzeitig vor den Nationalratswahlen – wird es im Kärntner Landtag noch einmal hoch hergehen. Der Landesrechnungshof (LRH) wird das Ergebnis einer einjährigen Überprüfung diverser Aufträge von Mitgliedern der früheren Kärntner Landesregierung an einst SP-nahe Zahlungsempfänger präsentieren: die „Kärntner Tageszeitung“, bis Ende 2009 im Eigentum der SPÖ-Kärnten, seitdem in privater Hand; die Kärntner Druck- und Verlagsgesellschaft, bis Sommer 2010 im Eigentum der SPÖ-Kärnten, dann in Schieflage und nach kurzem Intermezzo in privater Hand nunmehr endgültig in Konkurs; und die notorische Werbeagentur Top Team, bis Februar 2010 im Eigentum der SPÖ-Kärnten, heute in privater Hand.

Die Arbeit des LRH steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Sachverhaltsdarstellung des Klagenfurter Anwalts und nunmehrigen freiheitlichen Klubobmannes Christian Leyroutz gegen vier Kärntner SPÖ-Politiker vom August vergangenen Jahres. Leyroutz bezichtigt darin Peter Kaiser (heute Landeshauptmann), Gabriele Schaunig (heute Kaisers Stellvertreterin), Reinhart Rohr (heute Erster Landtagspräsident) und Wolfgang Schantl (Gesundheitslandesrat von 2005 bis 2008) der verdeckten Parteienfinanzierung aus Landesmitteln. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue auf, die bis heute andauern. Im Juli 2012 setzte der Kärntner Landtag, noch unter FPK-Führung, den LRH in Bewegung. Dessen Auftrag: „Überprüfung der Zahlungen aus den Referaten der Mitglieder der Kärntner Landesregierung an parteinahe Firmen wie Top Team, Kärntner Druckerei und Kärntner Tageszeitung.“

1,5 Millionen Euro
Das Ergebnis umfasst 45 Seiten und liegt profil vor. Vorweg: Die Prüfer hatten es mit einer auffallend unvollständigen Dokumentation zu tun, weil ein Teil der Unterlagen durch die Abwahl des FPK in Verstoß geraten ist. Nach profil-Recherchen flossen allein der Agentur Top Team im Zeitraum 2003 bis 2012 insgesamt 1,5 Millionen Euro aus Landesmitteln zu, wovon – und das ist durchaus überraschend – immerhin 800.000 Euro auf die Kappe von Jörg Haider und später Gerhard Dörfler gingen. Der Rest, also rund 700.000 Euro, dürfte in den Verantwortungsbereich der SPÖ-Regierungsmitglieder fallen. Der LRH hat mangels Unterlagen allerdings nur 14 Geschäftsfälle im Zeitraum 2009 bis 2012 untersuchen können. Doch diese reichen allemal, um empörende Zustände zu diagnostizieren. FPK- und SPÖ-Regierungsmitglieder verballerten allein in diesem Zeitraum hunderttausende Euro an Steuergeldern, um in der Öffentlichkeit einen teils bizarren Personenkult zu pflegen – mittels großflächiger Zeitungsinserate, Postwurfsendungen und Wählergeschenken aller Art.

Der LRH kritisiert an mehreren Stellen den Einsatz von Landesmitteln für „personenbezogene Öffentlichkeitsarbeit“.
Da wären einmal jene 140.040 Euro, welche das Büro des früheren SPÖ-Gesundheitslandesrates und nunmehrigen Landeshauptmannes Peter Kaiser 2009 an die damals noch im SPÖ-Eigentum stehende Agentur Top Team überwies – im Voraus, ohne Ausschreibung, und das zunächst ohne adäquate Gegenleistungen. Im Dezember 2009 fakturierte Top Team sechs Rechnungen über insgesamt 140.040 Euro an Kaisers Referat. Formell standen diese alle im Zusammenhang mit einer Kampagne, zu der es damals nur, Zitat Landesrechnungshof, „schemenhafte Vorstellungen“ gab: „Leben retten – 144 das merk ich mir!“

Die Aktion in Kooperation mit dem Roten Kreuz gab es tatsächlich, allerdings erst ab 2010. Was man für das Geld bekommt? Schaltungen in „Kronen Zeitung“ und ORF, Scheckkartenhüllen, Informationsveranstaltungen, Erste-Hilfe-Sets, Windjacken und T-Shirts mit unmissverständlichen Aufdrucken wie „Gesundheitsreferent Landeshauptmann-Stv. Dr. Peter Kaiser“. Die Prüfer monieren: „Bei den tatsächlich erbrachten Leistungen handelte es sich zum Großteil um umfangreiche Inseratenschaltungen und den Ankauf von Werbemitteln. Für den LRH war mangels Aufzeichnungen nicht feststellbar, wo und wie viele Werbemittel für die Kampagne tatsächlich verteilt wurden. Für den LRH ist der Verbleib von rund 7500 Stück im November 2012 bestellten Erste-Hilfe-Sets im Wert von rund EUR 20.000,– … bislang ungeklärt. Auch die unterschiedlichen Druckversionen legen den Schluss nahe, dass Erste-Hilfe-Sets im Wahlkampf zur Verteilung gelangten.“

Es gibt zwar keinen Beleg dafür, dass etwa Peter Kaiser selbst in Unregelmäßigkeiten verwickelt war oder gar Geld zur SPÖ verschoben worden wäre; wohl aber muss seinem Büro klar gewesen sein, dass die Vorgangsweise nicht den haushaltsrechtlichen Bestimmungen entsprach. Das gaben seine Büromitarbeiter gegenüber dem LRH auch zu: „Als Begründung für die gewählte Vorgehensweise verwiesen die Verantwortlichen auf das schlechte Verhältnis zum Finanzreferenten des Landes Kärnten. … Aufgrund drohender Budgetkürzungen sei man nicht sicher gewesen, die für solche Projekte notwendigen Mittel in Zukunft zu erhalten“, heißt es in dem Bericht.

Finanzlandesrat war dazumal ein gewisser Harald Dobernig, FPK, nebenbei auch für Kulturagenden zuständig. Überhaupt Dobernig: Die von der FPK angestrengte Prüfung wird nun auch für die eigenen Leute zum Bumerang. Denn sie haben auf Kosten der Steuerzahler ebenso fleißig inseriert und kampagnisiert – und das auch in der „Kärntner Tageszeitung“ (KTZ), allerdings erst, nachdem diese nicht mehr im unmittelbaren Einflussbereich der SPÖ stand. Im Jahr 2011 etwa schloss das Land Kärnten, vertreten durch Dobernigs Kulturreferat, eine umfangreiche „Medienkooperation“ mit der KTZ. Unter den Titeln „Heimatherbst 2011“ und „Kultur“ wurden in Summe 56.700 Euro für Inserate bezahlt. Wofür? Der LRH stellt fest: „Die Sichtung der nachträglich beigebrachen Belegexemplare erweckte den Eindruck, dass in erster Linie die Präsentation des Kulturlandesrates und weniger Anliegen der Kultur im Vordergrund standen.“ Obendrein sei die „preisliche Gestaltung der Inserate im Bereich Kulturkooperation nicht nachvollziehbar“ gewesen.

Durchaus engagiert auch Dobernigs Parteikollege Gerhard Dörfler: 2010 verfiel der – ressortmäßig eigentlich unzuständige – Landeshauptmann auf die Idee, „in der KTZ Sportthemen aus Kärnten“ zu platzieren. Da wurde eine „Jahreskooperation Sport“ kreiert, die bis 2012 andauern und insgesamt 126.000 Euro kosten sollte. Weitere 10.710 Euro flossen in die Promotion des „Eishockey Freiluft-Derbys“ zwischen Villach und KAC im Klagenfurter Stadion 2010. Bemerkenswert: Laut LRH erfolgte die „inhaltliche Abstimmung direkt zwischen den KTZ-Journalisten und dem LH selbst, wobei der LH auch immer wieder Themen für Schaltungen vorgegeben“ habe; bei „Abweichungen wäre sofort telefonisch urgiert worden“. Da darf Folgendes nicht weiter überraschen: „Belegexemplare oder Schaltungen oder sonstige schriftliche Aufzeichnungen lagen nicht vor. Eine systematische Kontrolle der Leistungsnachweise durch das Büro des LH fehlte.“

Der Bericht des Landesrechnungshofes listet darüber hinaus mehrere kleinere Aufträge auf, die allesamt der Publicity der politischen Akteure dienten: die Autogrammkarten für Peter Kaiser etwa, die Postwurfsendung von Reinhart Rohr oder auch eine von FPK-Jagdlandesrat Uwe Scheuch organisierte „Medienkooperation KTZ–Fischereivereinigung“ 2009 im Gegenwert von 6050 Euro, die intern unter „Förderung des Fischereiwesens/Ankauf von Setzlingen“ verbucht wurde.

Zusammengefasst stellen die Rechnungshofprüfer den Mitgliedern der früheren Landesregierung ein miserables Zeugnis aus. Sie beanstanden „Rechnungen, die nur scheinbar erbrachte Leistungen dokumentieren“ und auf teils „unzutreffenden Posten verbucht wurden“; ebenso „wertmäßig gestückelte Aufträge, um Genehmigungsvorschriften zu umgehen“, „großzügige Vorauszahlungen“ oder „Ausgaben seitens des Landes, die einen deutlich erkennbaren Bezug zum Wahlkampf aufwiesen“. Vor allem aber stießen sie sich an dem Umstand, dass „Unterlagen, die eine Basis für Rechnungslegung darstellten, entsorgt wurden.“

Das war wohl kein Zufall.