Orange ist derzeit politische Modefarbe

Trends: Orangerien

Jörg Haider will seine FPÖ auf Orange umfärben

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Pantone 144 C – so der Farbecode im Fachjargon. „Ein dunkles, beinahe bronzefarbenes, sehr gediegenes Orange“, befand das renommierte deutsche Wochenblatt „Die Zeit“. Werbeplakate, Kugelschreiber, Sticker und Krawatten – alles war in diesem Ton gehalten. Der schwarze Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, hatte in seinem Wahlkampf im Frühjahr 2004 ganz auf Orange gesetzt. Es war nicht allein seine Idee gewesen. „Die Hamburger sind die Ersten, die unsere neue Bundes-Corporate-Identity einsetzen“, verriet der damalige CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer.

Es sollte sich lohnen: Ole von Beust, der den rechten Law-and-Order-Haudegen Ronald Barnabas Schill durch Aufbürden von Regierungsverantwortung entzaubert hatte, legte um satte 21 Prozentpunkte zu – der höchste Stimmenzugewinn, den es bei Landtagswahlen in Deutschland je gegeben hatte.

Ein halbes Jahr später konnte Wiktor Juschtschenko in der Ukraine das revolutionäre Potenzial der Farbe Orange nützen. Seine orange Protestbewegung gegen die – blaue – Nomenklatura um Wiktor Janukowitsch brachte das Ancien Régime zu Fall. In Rumänien gewann der Außenseiter Traian Basescu am 13. Dezember die Präsidentschaftswahlen. Seine Kampagnenfarbe: Orange. Und auch im benachbarten Moldawien verpasste sich die Opposition ein oranges Outfit – dort allerdings erfolglos.

Kein Wunder also, dass Österreichs regierungsinterne Opposition, die FPÖ, die Trendfarbe für sich entdeckt hat. Die jüngsten Plakatserien zieren orange Kolorierungen. „Eine frische, freundliche Farbe mit Pep, die keiner anderen Partei zugeordnet wird“, findet FPÖ-Generalsekretär Uwe Scheuch. Auch der Parteitag am 23. April in Salzburg dürfte in sanftem Orange erstrahlen.

Jörg Haider, bekannt modebewusst, hat mit der rot-gelben Mischfarbe noch ganz anderes vor: Er will Orange zur offiziellen Parteifarbe für seine in Planung befindliche FPÖ neu machen. Zu dieser „Wohlfühl“-Partei würde Orange, eine weiche, warme Farbe, besser passen als das alte, kühle bis aggressive Kornblumenblau. Eine „orange Happy-Pepi-Truppe“ würde das werden, spottete Rechtsaußen-Rebell Andreas Mölzer.

Trendscout. Freiheitlicher Trendsetter war einer, der bislang nicht gerade als up-to-date gegolten hatte: Ernest „Meine Ehre heißt Treue“ Windholz. Der frühere niederösterreichische FPÖ-Obmann war am 6. März bei den Gemeinderatswahlen in seinem Heimatort Bad Deutsch Altenburg mit einer orangen Liste angetreten. Windholz erreichte 25,6 Prozent.

Weniger erfolgreich war Haiders erster Testlauf in Orange vor zwei Wochen bei den Wirtschaftskammerwahlen in Kärnten: Er hatte die Kandidaten des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender (RFW) mit orangen Schals durchs Land geschickt. Die Unternehmer blieben unbeeindruckt. Für den Kärntner RFW setzte es ein Minus von fast zehn Prozentpunkten. Der VP-Wirtschaftsbund konnte seine Absolute wider Erwarten ausbauen.

Einer, der seit Jahren eine besondere Affinität zur Farbe Orange hat, ist Kärntens FPÖ-Verkehrslandesrat Gerhard Dörfler: Seit seinem Amtsantritt 2001 vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht – in eine orange Straßenbauarbeiter-Jacke gehüllt – aus einer lokalen Zeitung lacht. Seine Lieblingsbeschäftigung im Landtagswahlkampf 2004: das Verteilen von knallorangen Pannenwesten.

„Bei der FPÖ hat das alles ja überhaupt keine inhaltliche Botschaft. Die würden auch Gackerlgrün nehmen, wenn es gerade modern wäre“, ätzt SPÖ-Klubchef Josef Cap. „Bei uns hatte Orange noch eine echte Symbolkraft: für die Öffnung der Partei unter Bruno Kreisky.“

Die Sozialdemokraten waren die Ersten, die in Österreich mit Orange experimentierten. Bereits 1962 hatte der Meinungsforscher und spätere Zentralsekretär Karl Blecha im Auftrag der Partei mit empirischen Untersuchungen über die Farbe Orange begonnen. Vor allem männliche Wähler, so seine Expertise, sprangen auf die Offenheit signalisierende Farbe an. 1963 wurde Orange erstmals als SPÖ-Plakatleitfarbe verwendet. „Später wurde daraus das berühmte Kreisky-Orange“, erinnert sich Blecha. „Es war eher ein Rotorange, nicht so ein Juschtschenko-Orange.“

Modern. Die neue SP-Parteifarbe galt als modern und undogmatisch, sie passte hervorragend zu der von Bruno Kreisky propagierten scharfen Abgrenzung gegenüber den „dunkelroten“ Kommunisten. Ausgerechnet unter Viktor Klima kehrte die SPÖ wieder zu einem flammenden Rot zurück.

In den siebziger Jahren war Orange freilich Modefarbe schlechthin: ob auf Tapeten, Teppichen oder Lampen – es dominierte Orange (bisweilen mit Braun kombiniert). „Nach dem Nachkriegs-Grau und der folgenden Pastellton-Phase stand Orange für Aufbruch, Gesellschafsveränderung, Revolution“, sagt die Journalistin Susanne Pauser, die Ende der neunziger Jahre mit ihren „Wickie, Slime und Paiper“-Büchern und -CDs – natürlich mit orangem Cover – die Seventies-Retro-Welle betrieb.

Seit einigen Jahren setzt auch die ÖVP auf die Apfelsinen-Farbe: Plakate und Broschüren sind mit einem saftigen Orange unterlegt, der Europawahlkampf war darauf abgestimmt, ebenso die aktuelle Jugendkampagne. „Es ist eine angenehme Farbe, die bemerkt wird, aber nicht so aggressiv ist wie etwa Gelb“, meint ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka.

Wie Orange überhaupt immer mehr zur Couleur der europäischen Volksparteien wird: von der Partido Popular in Spanien bis zur CDU in Deutschland. Die jüngst in Portugal abgewählten „Sozialdemokraten“, eine konservative Truppe, warben ebenfalls in Orange.

Der Farbeinsatz spielt in der politischen Inszenierung jedenfalls eine nicht unbedeutende Rolle.

Ende April 2003 fand im Linzer Design-Center der ÖVP-Parteitag statt. Eine heftige Debatte über die Pensionsreform hatte damals die Republik erhitzt, die „Pensionssicherungsreform“ war auch parteiintern heftig umfehdet. Am ersten Tag des VP-Konvents waren Halle und Bühne in eisiges Azurblau getaucht. Dies sollte „Konfrontation“ signalisieren, so die schwarzen Spin-Doktoren. Die Delegierten durften am Rednerpult ihren Ärger loswerden.

Tags darauf war das kalte Blau im Saal dann einem angenehmen, wohligen Orange gewichen. Harmonie. Die Bühne gehörte ganz allein Wolfgang Schüssel, dem „Wellness-Kanzler“.

Den nachhaltigsten politischen Erfolg feierte die Farbe Orange übrigens in den Niederlanden: Dort herrscht seit Ende des 16. Jahrhunderts die Familie Oranien-Nassau. Alljährlich am „Koninginnedag“, dem Nationalfeiertag am 30. April, versinkt ein ganzes Land in Orange. Und auch dann, wenn die niederländischen Fußballnationalspieler gerade in Form sind. Sie tragen königliches Orange.

Von Oliver Pink