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Krebs, Demenz, Allergie: Krank durch Aluminium

Umweltgifte. Alu könnte Krebs, Demenz und Allergien auslösen

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Von Bert Ehgartner

Mein name ist Sonja, ich bin 36 Jahre alt, und mein Leben ist perfekt", beginnt der Blog mit der Adresse dreamsandme.com. Er stammt von Sonja T. aus Altlengbach. Sie ist verheiratet, Mutter von zwei Kindern und beschreibt mit diesen Worten ihre Ausgangssituation, bevor sie im oberen Bereich ihrer rechten Brust einen Knoten ertastete. Es handelte sich um ein invasives Mammakarziom, und Sonja T. berichtet: "Mein Leben stellt sich auf den Kopf".

T. wurde brusterhaltend operiert, erhielt 33 Bestrahlungen und eine Antihormontherapie: "Die Medikamente fördern Depressionen, Gewichtzunahme, ich leide unter trockenen Schleimhäuten, kann nicht einschlafen und durchschlafen schon gar nicht." Bis 2015 dauert die Therapie noch an. In zwei Wochen ist der Termin zur Verlaufskontrolle. Da wird sich zeigen, ob sich Metastasen gebildet haben. "Vielleicht werde ich zur Sicherheit die Eierstöcke entfernen lassen", überlegt T.

Starker Anstieg an Brustkrebs
Mehr als 5000 Frauen pro Jahr teilen in Österreich das Schicksal einer Neuerkrankung an Brustkrebs – 2000 mehr als zu Beginn der achtziger Jahre. „Dieser enorme Anstieg in so kurzer Zeit kann nicht genetisch bedingt sein“, sagt die britische Onkologin Philippa Darbre, die mit ihrem Team seit 20 Jahren an der Universität Reading die Ursachen von Brustkrebs erforscht.

+++ "Faszinierend und schockiernd": Interview mit dem Alu-Experten Christopher Exley +++

Auffällig ist, dass – wie auch bei Sonja T. – 60 Prozent der Krebsfälle im oberen äußeren Quadranten der Brust auftreten. Die Häufung wurde bisher damit erklärt, dass der Bereich neben den Achseln aus besonders dichtem Gewebe mit zahlreichen milchbildenden Zellen besteht. Diese Zellen sind – infolge von Schäden an der Erbsubstanz DNA – auch besonders gefährdet für unkontrolliertes Wachstum und Krebs. Doch was verursacht die DNA-Schäden?

Darbre fand detaillierte Studien mit der Auswertung Hunderter Krebsfälle aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Damals wurden nur 30 Prozent der Tumoren im Quadranten neben den Achseln diagnostiziert. „Damit muss es sich um einen Umwelteinfluss handeln“, glaubt Darbre, „etwas, das sich in den letzten Jahrzehnten rapide verbreitet hat.“ Bei der Untersuchung von Deodorants identifizierte sie einen möglichen Verdächtigen: Aluminiumverbindungen, die bis zu 20 Prozent des Inhalts in Deos ausmachen. Die reaktionsfreudigen Alu-Ionen verschmelzen mit den Zellen der Haut und verkleben dabei die Schweißdrüsen, sodass man kaum noch schwitzt.

Industrie beruhigt, Forschung zweifelt
Vonseiten der Kosmetikindustrie wurde stets Entwarnung gegeben: Die Haut sei für Aluminium eine unüberwindliche Barriere, Deo-Rückstände würden beim Duschen gleich wieder abgewaschen, und falls doch kleine Mengen in den Organismus gerieten, würden sie umgehend ausgeschieden. „Dabei wird völlig übersehen, dass sich Frauen meist die Achselhaare rasieren“, sagt der französische Toxikologe Olivier Guillard von der Universität Poitiers. Er zeigte mit einem wissenschaftlichen Hautmodell, dass der Anteil des Aluminiums, der ins Gewebe eindringt, um das Sechsfache ansteigt, wenn die Hautzellen beschädigt sind.

Darbres Forschungsergebnisse der letzten Jahre ziehen die Darstellung der Industrie ebenfalls in Zweifel: Bereits wenige Stunden nach der Anwendung seien die Inhaltsstoffe im Blut nachweisbar. Je weiter man von den Achseln weggeht, desto geringer wird die Aluminiumkonzen­tration im Brustgewebe. Und wenn man die Flüssigkeit aus der Brust krebskranker Frauen mit jener von gesunden vergleicht, findet man dort eine doppelt so hohe Konzentration an Aluminium.

Besonders beunruhigend sind aktuelle Resultate, in denen Darbre Kulturen lebender Brustzellen im Labor mit geringsten Konzentrationen des Alu-Chlor-Gemischs versetzte, wie es auch in Deos verwendet wird. Bereits nach einigen Monaten war unter dem Mikroskop deutlich sichtbar, wie sich kleine schwarze Zellhaufen bildeten, während in der alufreien Kontrollgruppe die Zellen völlig unverändert blieben. „Es scheint, dass Aluminium fähig ist, eine normale Zelle in eine Krebszelle zu verwandeln“, lautet Darbres Verdacht. Forscher der Universität Genf legten heuer ähnliche Resultate vor.

Alu und Alzheimer
Während der wissenschaftliche Mainstream gerade erst beginnt, Darbres Resultate zu diskutieren, gilt bei einer anderen immer häufigeren Krankheit die Diskussion über eine mögliche Beteiligung von Aluminium als abgeschlossen. „Aluminium ist kein Auslöser von Alzheimer“, heißt es auf der Webseite der Internationalen Alzheimer Gesellschaft. „Das ist ein bloßer Mythos“, sagt der britische Toxikologe Nicholas Priest, der im Auftrag der Aluminiumindustrie mehrfach Übersichtsarbeiten zu gesundheitlichen Aspekten von Aluminium publizierte. „Das Prinzip der Vorsicht ist ja schön und gut“, so Priest. Aber bei Aluminium sei mittlerweile klar, dass davon kein Risiko ausgehe.

Bis in die frühen neunziger Jahre sah man das noch anders. Zahlreiche Arbeiten fanden Indizien für eine Beteiligung von Aluminium. Sie wurden in hochrangigen Journalen wie „Science“ publiziert. Darunter jene von Daniel Perl, Neuropathologe an der Mount Sinai School of Medicine in New York. Perl entwickelte Verfahren, um das Aluminium in den Alzheimer-Plaques sichtbar zu machen. Er verglich die Gehirne von Menschen, die an Alzheimer gestorben waren, und der Zusammenhang war frappierend. „Aluminium hatte sich zwar ungleichmäßig im Gehirn verteilt“, sagt Perl, „aber genau dort, wo wir die höchste Konzentration fanden, waren auch die Zerstörungen am massivsten.“ In den beschädigten Regionen lag der Aluminiumanteil beim zwei- bis dreifachen Gehalt, den man bei Menschen findet, die an anderen Ursachen starben.

Perl beschreibt, wie eine kleine Gruppe recht bekannter und angesehener Kollegen bei Kongressen und in Medien lautstark gegen diese These mobilisierte. „Sie vertraten den Standpunkt, es handle sich bei dem Aluminium, das wir fanden, wohl um Laborverunreinigungen oder sonstige schlampige Arbeit.“ Die Gruppe hatte stets ausreichend finanzielle Mittel für Übersichtsartikel zur Sicherheit von Aluminium. „Wir vermuteten schon damals, dass sie von der Aluminiumindustrie finanziert wurden“, sagt Perl. „Später tauchten Beweise auf, dass hier massive Geldmittel flossen und bis heute fließen.“

Dass bioaktive Aluminiumverbindungen neurotoxisch sind, bestreiten jedoch nicht einmal die Aluminium-Botschafter. Es komme aber immer auf die Dosis an, und die sei in den meisten Anwendungen extrem gering.
Grenzwerte anzugeben ist tatsächlich schwierig, weil die Menschen – je nach individuellem genetischem Hintergrund – extrem verschieden reagieren. Bei einer Studie, in welcher der Weg von Aluminiumpartikeln im Körper verfolgt wurde, fand sich unter fünf Freiwilligen ein Unterschied in der Aluminiumaufnahme von 300 Prozent. Das heißt: Bei vielen Menschen toleriert der Körper Aluminium problemlos, während andere Personen es schwer ausscheiden und die dreifache Menge im Organismus behalten. Was diese Alien-Partikel dort anstellen, ist vollkommen unklar. Bislang sind aber mehr als 200 biochemische Abläufe bekannt, welche durch Aluminium beschleunigt, verzögert oder unterbunden werden.

Alufreie Alternativen
Der Pariser Neuropathologe Romain Gherardi schätzt den Anteil der Aluminium-Akkumulierer in der Bevölkerung auf etwa ein Prozent. „Wenn es uns gelänge, diesen Personenkreis über einen geeigneten Test zu identifizieren, könnten wir hier gezielt Vorsichtsmaßnahmen setzen.“ Dafür wäre es notwendig, so Gherardi, dass auch alufreie Alternativen angeboten werden. „Dies gilt vor allem für Impfungen, wo aluminiumhaltige Hilfsstoffe als Wirkverstärker verwendet werden.“

Was Aluminium im Einzelfall anrichten kann, erlebte Herwig Holzer, der an der medizinischen Universität Graz viele Jahre die Abteilung für Nierenkrankheiten leitete. In den siebziger Jahren wurde weltweit ein beunruhigendes Phänomen in Dialysestationen beobachtet: „Wir hatten damals ungewöhnlich viele neuro­logische Fälle mit schweren Ausfallserscheinungen“, sagt Holzer. „Besonders bei jungen Menschen entstanden schlaganfall- oder alzheimerähnliche Bilder.“ Das Phänomen ging als „Dialysedemenz“ in die Medizingeschichte ein. Als Auslöser wurden neuartige Medikamente identifiziert, die Aluminiumhydroxid als Wirkstoff enthielten. „Als wir das Problem erkannten, haben wir das Präparat sofort abgesetzt“, sagt Holzer. Es sei sofort eine Absenkung der Blutspiegel festzustellen gewesen. Allerdings: „Das Problem war, dass sich das Aluminium schon im Gehirn befand und dort seine toxische Wirkung verbreitete.“

Ähnliche Medikamente sind heute noch im Umlauf, werden aber nicht mehr an Dialysestationen abgegeben, sondern in Apotheken als Mittel gegen Sodbrennen oder als Magenschutz. Manche davon sogar rezeptfrei. Im Kleingedruckten der Patienteninformation wird vor Langzeiteinnahme gewarnt. Diese könnte zu Demenz führen. Bei längerer Anwendung sollte der Aluminiumspiegel im Blut kontrolliert werden.

Erika Jensen-Jarolim und ihre Forschergruppe an der Universität Wien verwenden diese Mittel, um im Tiermodell Allergien auszulösen. „Egal, ob die Mittel injiziert oder verfüttert werden, mithilfe von Aluminium gelingt es, das Immunsystem der Tiere gezielt gegen eine gleichzeitig verabreichte Substanz scharfzumachen“, erklärt Jensen-Jarolim. Nun zeigen aktuelle Studien, dass sich dieses Risiko nicht auf Tiere ­beschränkt. In der Schwangerschaft leidet wegen des Zwerchfellhochstands etwa die Hälfte der Frauen unter Sodbrennen. „Wenn diese Frauen aluminiumhaltige Medikamente nehmen, haben ihre Kinder ein doppelt so hohes ­Risiko für eine Allergie“, sagt Jensen-­Jarolim.