Klimapolitik: Die wichtigsten Player

Unbehagen in Kopenhagen: Die Welt setzt ihre Hoffnung auf den Kopenhagen-Gipfel

Die Welt setzt ihre Hoffnung auf den Kopenhagen-Gipfel

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Die Botschaft war eindeutig – und dennoch wenig überzeugend. „Wir brauchen in Kopenhagen einen Klimavertrag mit sofortiger Wirkung“, sagte US-Präsident Barack Obama Mittwoch vergangener Woche in Peking nach einem Treffen mit seinem chinesischen Kollegen Hu Jintao: „Unser Ziel ist kein Teilabkommen oder eine politische Absichtserklärung, sondern ein bindender Vertrag.“

In Kopenhagen soll ab 7. Dezember zweieinhalb Wochen lang Geschichte geschrieben werden. Als das „wichtigste internationale Treffen seit dem Zweiten Weltkrieg“ hat der Klimaökonom Nicholas Stern den bevorstehenden UN-Klimagipfel in der dänischen Hauptstadt bezeichnet, und in dieser Einschätzung steht ihm kaum jemand nach.

Die ungewöhnliche Dauer und die Teilnehmerliste schienen zunächst viel versprechend: Über 40 Staats- und Regierungschefs aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern und 15.000 Delegierte aus 191 Verhandlungsstaaten werden in Kopenhagen am Verhandlungstisch sitzen.

Es geht darum, die Erwärmung der Erde gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. Und um das zu erreichen, müssten die Industriestaaten nach Meinung von Klimaexperten ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um stolze 80 Prozent reduzieren.

Die Chancen, dass ein ernst zu nehmender Nachfolgevertrag für das Kioto-Protokoll – den derzeit einzig gültigen internationalen Klimavertrag – zustande kommt, stehen aber mittlerweile bei null.

Auf dem alljährlichen Asien-Pazifik-Gipfel (APEC), der Montag vergangener Woche in Singapur zu Ende ging, trat Obamas Wirtschaftsberater Mike Froman vor die Öffentlichkeit und verkündete, was Klimaexperten schon länger befürchtet hatten: „Die Staats- und Regierungschefs haben entschieden, dass es unrealistisch ist, sich zwischen Singapur und dem Beginn des Klimagipfels auf einen rechtlich bindenden Vertrag zur Reduzierung der Treibhausgase zu einigen.“

Mit anderen Worten: Kopenhagen dürfte ein weiteres Kapitel in der Geschichte der erfolglosen globalen Klimapolitik werden. Konkrete Ergebnisse erwarten sich mittlerweile nicht einmal mehr die UN selbst. „Es wird in Dänemark kein bindender Vertrag zustande kommen“, sagte Yvo de Boer, Vorsitzender der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, in einem Interview. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, was realistisch umsetzbar ist.“ Euphorie klingt anders.

Um zu verstehen, was schiefläuft in der globalen Klimapolitik, muss man zunächst die Positionen der USA und China kennen, also jener Weltmächte, die gemeinsam mehr als ein Drittel der Treibhausgase produzieren.

Chinas Präsident Hu Jintao möchte zwar prinzipiell das Klima schützen. Eine vertragliche Festlegung, wann und wie schnell sein Land die Emissionen senken soll, lehnt Hu jedoch ab. Zuerst müsse die Entwicklung vorangetrieben und die Armut reduziert werden, dann erst könne man sich verstärkt um die Umwelt kümmern. Das ist aus Sicht eines Landes, das bis vor wenigen Jahren noch kaum Verantwortung für die globale Erderwärmung übernahm, durchaus verständlich.

Doch genau hier beginnt der Teufelskreis: Denn die USA wollen keinen Vertrag unterzeichnen, der die ehemaligen Entwicklungsländer China und Indien nicht einbindet, die momentan am meisten CO2 produzieren – was wiederum aus westlicher Sicht verständlich ist.

Was die politischen Ziele zur Vermeidung von Treibhausgasen angeht, stehen die Europäer gar nicht schlecht da. Zumindest auf den ersten Blick. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wollen gemeinsam mit Brasiliens Präsident Luiz Ignazio da Silva ein internationales Abkommen durchboxen.

Doch die Welt erwartet sich mehr von der EU – und zwar Geld. „No money, no deal“, hieß es immer wieder bei den Vorbereitungsgesprächen zum Klimagipfel, vor allem aus den Entwicklungsländern. Wenn nicht ausreichend Geld fließe, dann werde es in Kopenhagen auch keine Einigung geben. Entwicklungsländer wollen sowohl bei der Vermeidung von CO2-Emissionen als auch bei der Anpassung an den Klimawandel, also beim Ausbau der grünen Technologie, unterstützt werden.

Scheitert der globale Klimaschutz also ein weiteres Mal an den nationalen Interessen der Großmächte?

Was sich in Kopenhagen abzeichnet, ist entweder ein komplettes Scheitern des Gipfels oder ein Abkommen, das kein Land zu konkreten Maßnahmen verpflichtet – und Zweiteres wäre für den Klimaschutz weitaus schlimmer.

Denn: „Wir können keine Tricks und halbgaren Abkommen akzeptieren, die dann als Sieg verkauft werden“, sagte etwa Greenpeace-Chef Kumi Naidoo. „In diesem Fall ist kein Abkommen besser als ein schlechtes.“ Sollte nämlich in Kopenhagen tatsächlich ein schwammiger Deal zustande kommen, dann würden sich die Regierungschefs damit auf Jahre zufriedengeben. Doch die Zeit für ein sofortiges Handeln drängt.

Hinter den Kulissen arbeitet der Vorsitzende des Gipfels, Dänemarks Präsident Lars Lokke Rasmussen, bereits an einem Plan B: In Kopenhagen sollen konkrete politische Zielsetzungen getroffen werden, die dann bei einem späteren Gipfel zu einem verbindlichen Abkommen führen.

profil stellt die wichtigsten Player beim Gipfel von Kopenhagen vor und erklärt, warum es so schwer ist, dass Länder mit so unterschiedlichen Interessen wie die USA, China oder die Malediven eine Einigung treffen können.

Die kleinen Inseln

Insel- und Küstenstaaten, die in Kopenhagen von AOSIS (Alliance of Small Island States) vertreten werden, haben ein Argument, über das eigentlich niemand hinwegsehen kann: Ihr Territorium ist teilweise oder gar als Ganzes vom Untergang bedroht (siehe Kasten „Malediven“), wenn der Klimawandel den Meeresspiegel ansteigen lässt. Entsprechend detailliert fallen ihre Vorgaben aus: Die Durchschnittstemperatur darf nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter steigen, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre muss von 380 auf 350 ppm (parts per million) gesenkt werden, der Ausstoß von Treibhausgasen muss 2015 seinen Höchstwert erreicht haben und bis 2050 um 85 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. Zudem sollen die reichen Länder ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Behebung von klimabedingten Schäden zur Verfügung stellen. Die 42 Mitgliedsländer von AOSIS sind für lediglich 0,6 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich.

EU

Nimmt man ihre Ankündigungen als Maßstab, dann ist die EU der unbestrittene Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel. In Kopenhagen werden sich die Europäer verpflichten, ihren CO2-Ausstoß (derzeit 3,9 Milliarden Tonnen pro Jahr) bis 2020 um mindestens 20 Prozent zu verringern – und das gemessen am Niveau des Jahres 1990. Ziehen andere Großemittenten wie China, die USA und Russland mit, will die EU ihr eigenes Gebot gar auf 30 Prozent erhöhen und gleichzeitig Entwicklungs- und Schwellenländer mit bis zu 15 Milliarden Euro pro Jahr dabei unterstützen, ihre Treibhausgase zu vermindern. Wie weit sich diese ambitionierten Ziele realisieren lassen, bleibt abzuwarten. An der Selbsteinschätzung wird es zwar nicht liegen: In einem kürzlich veröffentlichten EU-Bericht gibt sich Umweltkommissar Stavros Dimas überzeugt, dass die EU bis zum Ende der Kioto-Periode ihre Vorgaben „erfüllen oder sogar übererfüllen“ wird. Es deutet aber einiges darauf hin, dass die positiven Entwicklungen zum Teil der Wirtschaftskrise zu verdanken sind, die vor allem in den neuen Beitrittsländern zu einem Rückgang der Schwerindustrieproduktion geführt hat – ein Argument, das Österreich gerne heranzieht, um die Tatsache zu beschönigen, dass es als einziges Mitglied der EU-15 seine selbst gesteckten Klimaziele nicht erreicht. „Unsere Klimabilanz ist so desaströs, dass man sie weder schönrechnen noch schönreden kann“, entgegnet Christiane Brunner, Umweltsprecherin der österreichischen Grünen. Ihr und anderen Umweltschützern sind die Emissionsziele der EU zu wenig ambitioniert: „Die Industrienationen müssten bis 2020 in Wirklichkeit mindestens 40 Prozent einsparen.“ In Kopenhagen vertritt Österreich, das von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) repräsentiert wird, die Position der EU. Was die heimische Wirtschaft betrifft, gelten international tätige Industriebetriebe als Bremser, weil sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchten.

Afrikanische Union

Der ärmste und – was Treibhausgasemissionen anlangt – sauberste Kontinent wird der Klimakonferenz einiges aufzulösen geben: Die Afrikanische Union (AU) hat nämlich beschlossen, als Verhandlungsführer für ihre 53 Mitgliedsländer in Kopenhagen aufzutreten. Zudem gedenkt ihr derzeitiger Vorsitzender Muammar al-Gaddafi, dort seinen letzten internationalen Auftritt in dieser Funktion zu absolvieren. Wer den bizarren libyschen Diktator und sein Faible für panafrikanische Kolonialismus- und Kapitalismuskritik kennt, weiß: Die bereits im Vorfeld von der AU erhobene Forderung nach „Wiedergutmachung“ durch den reichen Westen dürfte nur ein Vorgeschmack sein – und die Frage, warum der Westen dem Süden das Recht auf wirtschaftlichen Fortschritt verweigert, unvermeidlich. Schon jetzt ist bekannt, dass Afrika den Westen zu CO2-Einsparungen von mindestens 40 Prozent und Zahlungen von 45 Milliarden Euro pro Jahr für Adaptierungsmaßnahmen verpflichten will. Die Zahlen geben der AU recht: Der gesamte Schwarze Kontinent ist für lediglich 8,1 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, Europa hingegen für knapp zwölf Prozent und die USA für 15,5 Prozent. Den Vertrag von Kioto haben afrikanische Staaten als Entwicklungsländer unterzeichnet und waren deshalb bisher zu keinen CO2-Reduktionen verpflichtet.

Russland

Die Gemütslage Russlands vor dem Klimagipfel ist von zwei Faktoren bestimmt: dem Bewusstsein, in einer ökonomischen Zwangslage zu stecken, einerseits und verletztem Nationalstolz andererseits. Das wurde bereits im vergangenen Juni klar, als Präsident Dmitri Medwedew die Emissionsziele seines Landes bekannt gab. Demnach wird die Nummer drei auf der Schmutzliste (1,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr*) bis 2020 seinen Treibhausgasausstoß mitnichten verringern, sondern um bis zu 30 Prozent erhöhen. „Wir werden unser Entwicklungspotenzial doch nicht beschneiden“, erklärte Medwedew.

An der Bereitschaft, den Kopenhagen-Prozess mitzutragen, lassen auch Äußerungen des russischen Delegationsleiters bei vorbereitenden Gesprächen zweifeln: „Wissenschaftliche Kreise in Russland und anderswo haben noch immer keine einhellige Meinung bezüglich der Gründe der Erderwärmung“, erklärte er – und fordert eine internationale Untersuchung, um festzustellen, ob tatsächlich der Mensch für den Anstieg der Temperaturen verantwortlich sei.

Dennoch ist denkbar, dass Russland die Beschlüsse mitträgt – alleine aus Imagegründen. Ob es allfällige Vereinbarungen dann auch umsetzt, ist fraglich. Skeptiker rechnen damit, dass erst ihre Ratifizierung und dann auch noch ihre Umsetzung möglichst hinausgezögert wird. Das war schon beim Kioto-Protokoll so gelaufen, das nur zustande kam, weil es de facto nur sehr geringe Beschränkungen für Russland enthielt. Dennoch dauerte es sieben Jahre, bis der Vertrag tatsächlich abgesegnet wurde.

Indien
Indien steht im Grunde vor denselben Problemen wie China. Das Land hat sich binnen weniger Jahre zu einer ökonomischen Supermacht entwickelt, in breiten Teilen des Landes herrscht aber nach wie vor große Armut. Das Land lehnte bislang mit Verweis auf seine geringen Pro-Kopf-Emissionen – in diesem Ranking ist Delhi an 139. Stelle – verbindliche Reduktionsziele ab und fordert Hilfszahlungen des Westens zur Anpassung der indischen Industrien. Umso erstaunlicher war vor wenigen Tagen die Veröffentlichung eines Papiers des indischen Umweltministers Jairam Ramesh. Darin hatte er die Möglichkeit diskutiert, dass sein Land sich auch CO2-Reduktionen in Entwicklungsländern vorstellen könne. Diese Perspektive hätte den Verhandlungen in Kopenhagen neuen Schwung geben können. Doch Premierminister Manmohan Singh pfiff den vorschnellen Minister zurück. Indien werde keinesfalls verbindliche Reduktionsziele akzeptieren, erklärte Singh später. Beim Gipfel in Kopenhagen wolle Indien nach Möglichkeit unisono mit China auftreten – was im Zweifelsfall eher für weniger Bewegung sorgen dürfte.

USA

Die USA sind hinter China der größte CO2-Produzent weltweit und auch bei den Pro-Kopf-Emissionen unter den ersten fünf Ländern. Präsident Barack Obama hat den Klimaschutz zum Zentrum seiner ersten Amtszeit erklärt und mit Ausbruch der Wirtschaftskrise das Zeitalter eines neuen „grünen Deals“ ausgerufen. Doch der Präsident wird in der Alltagspolitik auf den harten Boden der Realität zurückgeworfen. Da der US-Kongress harten Klimaschutzauflagen skeptisch gegenübersteht (konkret geht es um die Senkung der CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent), ist der Zeitgewinn für Obama von großer Wichtigkeit. Dass ein neues amerikanisches Klimagesetz noch vor dem Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen verabschiedet wird, ist unwahrscheinlich. Müsste Obama mit leeren Händen nach Kopenhagen reisen, würde dies jedoch seinen Anspruch infrage stellen, beim Kampf um den Klimaschutz „eine globale Führungsposition“ einzunehmen, und ihn innen- sowie außenpolitisch schwächen. Seine Hoffnung ist nun, dass der Senat im ersten Halbjahr 2010 ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, auf dessen Basis die US-Regierung bei einer UN-Konferenz Mitte 2010 in Bonn ein CO2-Reduktionsziel für 2020 und finanzielle Zusagen einbringen kann. In Kopenhagen gehört Obama zu den „Bremsern“ eines Deals.

China

China hat ein Problem, das die Welt gerade in der kaum überstandenen Wirtschaftskrise unmöglich ignorieren kann: Es braucht ein enorm großes Wachstum – und das bei enorm großem technischem Aufholbedarf. Noch ist die chinesische Industrie stark von Kohle abhängig. Das macht das bevölkerungsreichste Land der Welt auch zum größten Umweltsünder (6,1 Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr). Dennoch: Die Fortschritte der Chinesen in den vergangenen Jahren waren bemerkenswert. Inzwischen hat sich ihr Land zu einem der wichtigsten Produzenten von Wind- und Solarkraftwerken entwickelt. In Kopenhagen will China den Westen in die Pflicht nehmen: Die reichen Länder sollen ihre Emissionen in weitaus höherem Ausmaß verringern als die aufstrebenden Schwellenländer. Zudem sollen sie jeweils ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts zur Verfügung stellen, um dem Rest der Welt dabei zu helfen, sich auf umweltfreundliche Energieträger umzustellen. China selbst verspricht seinerseits, bis zum Jahr 2020 „bedeutend“ weniger Treibhausgas in die Luft zu pusten als noch im Jahr 2005, will aber weder konkrete Zahlen nennen noch bindende Verpflichtungen eingehen. Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht die Entwicklung dennoch optimistisch: „Wenn China seine Ziele (gemeint ist die CO2-Reduktion auf ein Niveau unter jenem von 2005, Anm.) erreicht – und in der Vergangenheit hat es die meisten seiner derartigen Ziele erreicht –, wird es 2020 das Land mit den größten Emissionsreduktionen sein und an vorderster Front im Kampf gegen den Klimawandel stehen“, sagt IEA-Chefökonom Fatih Birol.