Unser zweiter Mann im Staat

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Niki Lauda hat die Konsequenzen gezogen. Eben erst bestellt, schied er eilends wieder aus dem ÖBB-Aufsichtsrat. Hubert Gorbach hatte dem leidlich überraschten Flugunternehmer zu verstehen gegeben, dass ein ÖBB-Aufseher nur ein verlängerter Arm des Ministers ist.

Ist es nicht höchste Zeit für Alfred Heinzel, dem Beispiel Laudas zu folgen? Sollte der ÖIAG-Präsident nicht sein Amt zur Verfügung stellen (mögliche Begründung: die psychohygienischen Verhältnisse in der neuen Verstaatlichten-Zentrale) und so seinen tadellosen Ruf als Papierunternehmer schützen? Soll er sich wirklich als Büttel der Politik lächerlich machen? Soll er sich weiter vom Finanzminister verhöhnen lassen? Wie viel Demütigung verträgt männliche Eitelkeit?

Neuer Höhepunkt in der Skandalchronik der österreichischen Privatisierungspolitik: Der fertig ausgehandelte Deal zwischen der Telekom Austria und der Schweizer Swisscom wird am vergangenen Donnerstag bei einer Pressekonferenz in allen Details präsentiert. Schönheitsfehler: Zweck der Veranstaltung ist es, das Scheitern der Verhandlungen zu vermelden.

Karl-Heinz Grasser hatte die „politisch unabhängige“ ÖIAG mit exakt dieser Form der Privatisierung (ein Verkauf an den Schweizer Staat) beauftragt. Grasser hatte den formalen Beschluss des Deals durch den „politisch unabhängigen“ ÖIAG-Aufsichtsrat für Sonntag anberaumen lassen. Und Grasser hatte schließlich die „politisch unabhängige“ ÖIAG angewiesen, das Ganze wieder abzublasen.

Grassers Reaktion: Er „begrüßt“ das Scheitern des von ihm angeordneten Plans. Die Reaktion der Börse: Die Telekom-Aktie verliert 20 Prozent. Heinzels Reaktion: Man habe die „100-prozentige politische Rückendeckung“ nicht erwarten können.

Kurzfassung der bisherigen Privatisierungsflops dieser Regierung:

Die Voest soll bei Nacht und Nebel an Grassers Mentor Frank Stronach verschachert werden. Was durch einen profil-Artikel aufgedeckt und – mutmaßlich dadurch – verhindert wird. Die Post soll an die Deutsche Post gehen. Die Transaktion wird bis heute verschleppt. Die VA-Tech-Privatisierung scheitert am naiven Umgang mit Aktionär Mirko Kovacs. Der Verkauf der Austria Tabak scheint in Ordnung zu gehen. Aber die neuen Eigentümer haben den Kaufpreis durch die Unternehmensgewinne in kurzer Zeit zurückverdient. Und ob der Verkauf der P.S.K. an die Gewerkschaftsbank Bawag und des Postbusses an die ÖBB als Privatisierung bezeichnet werden kann, darf bezweifelt werden.

Privatisierungspolitik ist kein Orchideenthema. Der Kanzler himself hat die Privatisierungen neben der Budgetsanierung, der Pensionsreform und der Gesundheitsreform unter die vier wichtigsten Aufgaben der Regierung gezählt.
Ein Finanzminister ist kein Orchideenminister. Er ist nach dem Bundeskanzler der zweitwichtigste Mann im Staat. Über den Staatshaushalt kann er jenen Rest an Wirtschaftspolitik verwalten, der nicht nach Brüssel delegiert ist.

Aber dieser Finanzminister ist ein Blender. Er ist mit dem Nulldefizit und mit den Privatisierungen, also mit zwei der vier Hauptaufgaben der Koalition, gescheitert. Persönlich schrammt er durch die Homepage-Affäre hart am Verwaltungs- und Strafdelikt. (Allein die Tatsache, dass Vater Grasser einen Teil des Familienvermögens in ein völlig unbekanntes Wiener Internetunternehmen steckt, das just jene Homepage des Finanzministers zu überhöhten Preisen erstellt und dessen Vorstand ausgerechnet ein Schulfreund des Finanzministers ist, allein diese Tatsache ist ungeheuerlich.)

Bis auf die „Krone“ haben alle Zeitungen und auch der ORF perplex von Grassers Rolle beim Telekom-Deal berichtet. Alle haben offen oder indirekt seinen Rücktritt gefordert.

Warum geht er nicht? Warum feuert ihn der Kanzler nicht? Stimmt nach dem Telekom-Debakel wirklich noch, was hier vor einem Jahr geschrieben stand: dass der schlechteste Finanzminister aller Zeiten auch der beliebteste Finanzminister aller Zeiten ist?