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Helmut A. Gansterer Heimaturlaub

Heimaturlaub

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Von Zeit zu Zeit, zur Aufklärung Vieltausender neuer ­LeserInnen, mag es sinnvoll sein, die Bestimmung ­dieser Kolumne offenzulegen. Ihr Motto „Good News“ gibt grob die Richtung vor. Es geht um Kontrast. Ein Weltmagazin wie profil, das mit hohem Talent der Aktualität, dem Faktischen und damit der Finsternis zugewandt ist, braucht auch Lagerfeuer, um jene Flugkundschaft anzulocken, die gerne ins Licht blickt. Es geht darum, das Helle zu suchen und fröhlich vor den Vorhang zu holen – ein scharfer Kontrast zur sonstigen Pflicht, das Böse, das „immer und überall ist“ (EAV), aufzuspüren.

Dieser Teil der Aufgabe der Good-News-Kolumne ist nobel. Schon weil er jene aufrichtet, die kaum noch glauben können, dass es so viel Licht wie Schatten gibt, vielleicht sogar ein Leben vor dem Tod. Die zweite Aufgabe der Kolumne schließt an die erste an. Da geht es nicht bloß ums Erkennen des Positiven, sondern um dessen Herstellung.

Zum Beispiel um die ideale Gestaltung eines Österreich-Urlaubs. Dieser ist heuer angesagt, weil der Lieblingsbadestrand in Libyen militärisch ausgebucht und alles andere durch Taifun, Tsunami und Kernschmelze gefährdet ist. Nach Jahrzehnten des Fremdgehens ruft die Heimat wieder.

Aus der Warte des „Globetrottels“ (Copyright: die Frau Mama) ist zu sagen, dass wir nicht im Geringsten auf Heimaturlaube vorbereitet sind. Man flog nun jahrzehntelang die weißen Flecken des Planeten an. Man hakte pflichtbewusst die Liste der angeblich unverzichtbaren Reiseziele ab. Darunter den süßesten Global-Kitsch wie die Zuckertortenschlosshotels in St. Petersburg, Florida (Scott Fitz­gerald!) und am Lake Louise in Banff (Trapp-Family!). Man spie wie ein früh versoffener Mittelschul-Kartellbruder nach ranzigem Yakbutter-Tee in Tibet und Kobrablut-Merlot in Taiwan. Man litt als Europäer in der oberflächlichen Freundlichkeit genormter US-Hotelketten, in Gesellschaft prüder, bigotter Amerikaner, die Gesundheit zerrüttet durch Rauchen auf dem Balkon im eiskalten Anchorage, Alaska. Man überlebte die spitzen Bisse der Suzy Wongs in Hongkong und einen wissenschaftlichen Opiumversuch in einer ­Indochina-Kaschemme, in der Hoffnung, wie Graham ­Greene nach dem Aufwachen die eigenen Bücher auf dem Nachtkastl zu finden, in illegaler, französischer Übersetzung. Mit mehr Glück als Verstand überlebte man sogar den Touristen-Hass der Venezianer und den so genannten Humor der germanischen Sylt-Residents.

Man hat sich, kurzum, gerade noch rechtzeitig in eine Gegenwart gerettet, die den Heimaturlaub nahelegt. Wie aber urlaubt man daheim? Und wird es nicht überhaupt Zeit, die Kunst des Urlaubs neu zu überdenken? Man ­müsste doch das Positivste der Globetrottelei umsetzen können in neue Richtlinien. Hier mein Versuch einer Anleitung:

Tipp 1: Befreien Sie den Urlaub vom Zinsgedanken. Fernreisen müssen sich verzinsen, weil sie so teuer sind. Man versucht, alles zu sehen, vielleicht sogar später gewinnbringend zu verwerten. Entspannen und schlafen kann man später daheim. Die Erschöpfung nach dem Urlaub übersteigt die Erschöpfung davor. Folge: Siechtum und früher Tod. Ein billiger, society-ferner Heimurlaub nimmt den Zinsdruck.

Tipp 2: Befreien Sie den Urlaub vom Aufholgedanken. Man kann in vier Wochen nicht alles aufholen, was man sich in 48 Arbeitswochen nicht gönnte. Aufholstress zerrüttet die feinsten Ehen. Fehlgeschlagene Urlaube sind Scheidungsquelle Nr. 1. Abhilfe: Das „Schöne“ und „Angenehme“ muss wie ein Goldfaden ins Gewebe des Alltags eingeflochten werden.

Tipp 3: Befreien Sie den Urlaub von jeder Erwartung. Die fundamentale Erkenntnis des Seminarkabarettisten Bernhard Ludwig („Sexuelle Zufriedenheit ist die Division von Erwartetem zu Erhaltenem“) ist auf Urlaube übertragbar.

Tipp 4: Lernen Sie auch von Picasso: „Ich suche nicht, ich finde.“ Künstliche, vorausgedachte Ziele verkrampfen. Suchen Sie nichts Bestimmtes. Bleiben Sie wach für alles Neue. Zen-Bogenschützen sagen: „Wer nicht zielt, trifft ins Goldene.“

Tipp 5: Wählen Sie niedrige Geschwindigkeiten. Seit Sten ­Nadolnys Meisterwerk „Die Entdeckung der Langsamkeit“ spricht alle Welt von Entschleunigung. Kaum einer kann sie.

Tipp 6: Wie schnell die ideale Langsamkeit ist, kann nur selbst ermittelt werden. Die Königsdisziplin der regungs­losen Aufbahrung vor der gemieteten Almhütte, die Augen auf die hektischen Kühe und Wolken gerichtet, schafft praktisch keiner. Schon eher erschließen sich Peter Handkes Liebeserklärungen ans Gehen. Als offenbar idealer Speed der Jetztzeit wird aber das Radfahren kenntlich.

Im flachen Holland gilt dies schon lang. Für Österreichs Sommertourismus aber erst, seit die E-Bikes (Pedelecs) die heutige Reife erreichten. Nicht nur in Niederösterreich und Wien, auch im schroffen Hügelland der Region Kitzbühel hat man reaktionsschnell erstklassige E-Bike-Infrastrukturen errichtet. Und auf der fast 2000 Meter hohen Turracher Höhe, mitten in Europas größter Zirbenwaldung, wurde das Radfahren per E-Bike erstmals zum vernünftigen Thema, als Angebot für Wiedereinsteiger, Couch-Potatoes und sportlich verrottete Führungskräfte. Auch hier gilt freilich: Nur keinen Siegeswillen. Und nicht zu viel über Sinn und Unsinn sprechen. Auch der Kopf hat Heimaturlaub verdient.

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