Elefantenfriedhof: Krise der Republikaner

USA: Elefantenfriedhof

Die Politik von Bush hat den Untergang besiegelt

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Der Oberkommandierende wollte sich der Loyalität seiner Truppen versichern, doch der Plan ging nicht ganz auf. Ende März lud US-Präsident George W. Bush alle 201 republikanischen Kongressabgeordneten ins Weiße Haus ein, zum ersten Mal in seiner Präsidentschaft. Hinter verschlossenen Türen redete Bush auf seine Parteikollegen ein, sprach von Demokratie und Freiheit im Irak und erntete dafür auch Beifall. Doch von vielen Seiten schlug ihm eisernes Schweigen entgegen, erzählte später einer der Anwesenden.

Die Republikaner sind es längst müde, Bushs Krieg öffentlich zu verteidigen. Ihre Partei, die „Grand Old Party“ mit dem Elefanten als Wappentier, liegt nach jahrelanger, ja jahrzehntelanger Vorherrschaft in der amerikanischen Politik zerstört am Boden. „Bush hat eine erfolgreiche Partei genommen und völlig ruiniert“, sagt Ryan Sager, republikanischer Vordenker und Autor des Buchs „Der Elefant im Raum: Evangelikale, Libertäre und die Schlacht um die Republikanische Partei“. Nicht nur in den Reihen der Abgeordneten, auch an der republikanischen Basis ist die Moral im Keller, Depression macht sich breit. Bei der großen jährlichen Konferenz konservativer Organisationen, der „Conservative Political Action Conference“ in Washington, stellten sich im März tausende Studenten, Aktivisten und Jungpolitiker – von den Vertretern des „Islamischen Instituts für den freien Markt“ bis hin zu den „Amerikanischen Protektionisten“ – dieselbe Frage: „Ist die konservative Bewegung am Ende?“

Die Ursache ihres Niedergangs ist klar: der Irak-Krieg. Er führte zum „epischen Kollaps“ („Time“-Magazin) der Bush-Administration, und diese wiederum zieht die gesamte Republikanische Partei mit sich in den Abgrund. Standen die Republikaner früher für außenpolitische Kompetenz und sparsames Regieren, so ist wenig von diesem Image übrig geblieben. „Der Irak-Krieg hat den Anspruch der konservativen Bewegung auf Kompetenz infrage gestellt. Sie hat ihre Rolle als Wahrerin der amerikanischen Hegemonie auf der Welt verloren“, schreibt „Time“. Der Krieg überschattet längst alle anderen Themen, mit denen die Republikaner bis zu ihrer Niederlage bei den Kongresswahlen Ende 2006 so erfolgreich agierten: Abtreibung, Stammzellenforschung und Schwulenrechte. Laut einer aktuellen Umfrage des „Boston Globe“ halten heute 30 Prozent der amerikanischen Wähler den Irak-Krieg für das wichtigste politische Problem; für nur zwei Prozent sind es Religion und Familie.

Schwindendes Vertrauen. Anfang April wurden die Republikaner von der Nachricht schockiert, dass es der Konkurrenz von der Demokratischen Partei gelungen war, deutlich höhere Wahlkampfspenden einzufahren: 78 Millionen Dollar gegenüber 51 Millionen Dollar lautet die Siegesbilanz für die demokratischen Präsidentschaftskandidaten im ersten Quartal 2007. In den vergangenen Jahrzehnten hatte die Grand Old Party das Rennen um die Finanzen nach Belieben dominiert. Für den letzten Sieg der Demokraten beim Geldauftreiben müssen die Historiker bis ins Jahr 1976 zurückgehen, als Jimmy Carter gegen Gerald Ford gewann.

Im Jahr 2007 setzt nicht nur die amerikanische Wirtschaft mit ihren üppigen Geldspenden auf die Demokraten, wenn es um den Einzug in das Weiße Haus geht. Auch das Vertrauen der Republikaner in sich selbst ist dahin: Ganze 40 Prozent von ihnen glauben laut Umfragen, dass ihre Partei bei den Präsidentschaftswahlen Ende 2008 keine Chance hat, ganz egal, welche Kandidaten antreten.

Damit hat sich in der amerikanischen Politik innerhalb von nur vier Jahren das Blatt so nachhaltig gewendet, dass republikanische Schwindel- und Ohnmachtsgefühle nicht überraschen. 2002 kontrollierten die Republikaner nicht nur alle drei Gewalten in Washington – das Weiße Haus, den Kongress mit Senat und Repräsentantenhaus sowie den Obersten Gerichtshof –, sondern stellten auch eine Mehrheit der Gouverneure in den Bundesstaaten. Konservative Think-Tanks dominierten die politischen Debatten, und republikanische Parteistrategen träumten laut von einer auf Jahrzehnte zementierten Vormachtstellung. George Bushs Chefberater, der berüchtigte Wahlkampfstratege Karl Rove, sprach gar von einer „permanenten Mehrheit“ des republikanischen Lagers.

Die konservative Revolution war schon Ende der sechziger Jahre ins Rollen gekommen und geriet mit Präsident Ronald Reagan in den achtziger Jahren in volle Fahrt. Mit dem von Newt Gingrich angeführten Sieg bei den Kongresswahlen 1994, als die Republikaner die Vorherrschaft der Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus brachen, legte sie noch einen weiteren Gang zu. Nun scheint sie in einem Crash zu enden.

Die Zerfallserscheinungen sind offensichtlich. Die Erfolge hatten die Republikanische Partei, eigentlich ein Sammelsurium diverser Interessengruppen mit unterschiedlichen intellektuellen und ideologischen Traditionen, lange Zeit zusammengehalten. In der Krise prallen nun christliche Fundamentalisten auf libertäre Staatsgegner, außenpolitische Realisten auf neokonservative Ideologen und populistische Einwanderungsgegner auf fanatische Freihändler.

Vor allem der staatskritische „small government“-Flügel der Republikanischen Partei, jene Wähler, die sich niedrige Steuern, einen ausgeglichenen Staatshaushalt und eine möglichst geringe Einmischung des Staates in ihr Leben wünschen, verfluchen George W. Bush. „Er hat aus der Grand Old Party die Partei für Big Government und Big Religion gemacht“, schimpft Autor Ryan Sager. Tatsächlich haben die Republikaner bei den Kongresswahlen 2006 viele ihrer moderaten Wähler im Nordosten und ihrer libertären Wähler im Westen verloren. Unter Bush junior sind sie zur Partei des amerikanischen Südens mit seinen Heerscharen religiöser Wähler geworden, die für die Verankerung ihrer Moralvorstellungen in der Politik kämpfen und sich um das explodierende Budgetdefizit nicht kümmern.

Bei ihren internen Querelen übersehen die Konservativen unterschiedlicher Schattierung aber, dass ihnen das Wahlvolk ganz generell abhanden kommt. Die US-Gesellschaft wird zusehends liberaler, rückt leicht nach links. Eine Langzeituntersuchung des Pew Research Center, die Anfang April veröffentlicht wurde, spricht eine deutliche Sprache: Die Amerikaner wünschen sich ein verstärktes soziales Sicherheitsnetz, weniger ökonomische Ungleichheit und eine diplomatischere Außenpolitik. Laut der Studie bezeichneten sich 43 Prozent der Amerikaner als demokratische Wähler, ebenso viele als republikanische. Heute sind 50 Prozent bekennende Demokraten und nur noch 35 Prozent Republikaner. 54 Prozent der Amerikaner sagen, der Staat solle Bedürftigen helfen, selbst wenn dies mehr Staatsschulden bedeute. 1994 waren es nur 41 Prozent. Und 73 Prozent der Amerikaner meinen, dass die „Reichen reicher werden, während die Armen ärmer werden“. 2002 teilten 65 Prozent diese Meinung.

Ende einer Ära. „Die politische Landschaft ist günstiger für die Demokraten“, stellt der Bericht fest. „Es ist klar, dass wir am Ende einer republikanisch-konservativen Ära angelangt sind“, sagt Bruce Bartlett, konservativer Analyst und Autor des Buchs „Der Hochstapler – Wie George W. Bush Amerika in den Bankrott getrieben und Reagans Erbe verraten hat“. Das konservative Lager ist rat- und führerlos und schwelgt in Reagan-Nostalgie. 60 Prozent der republikanischen Wähler sind unzufrieden mit den drei sichtbarsten Kandidaten, die für sie am Präsidentenwahlkampf teilnehmen – Rudy Giuliani, John McCain, Mitt Romney. So mancher setzt seine Hoffnungen nun auf Quereinsteiger Fred Thompson, der noch am ehesten ein Konservativer Reagan’scher Prägung ist – und so wie dieser ein Schauspieler (siehe Kästen).

Laut Ryan Sager gibt es nur eine wirkungsvolle Waffe, die das zersplitterte rechte Lager einen und einen republikanischen Sieg 2008 erwirken könnte: der kollektive Hass auf Hillary Clinton. „Hillary könnte die Retterin der Republikanischen Partei sein“, meint Sager. „Der Hass auf sie und ihren Mann ist jenseits aller Rationalität.“ Die republikanischen Parteigranden haben schon damit begonnen, die Anti-Hillary-Trommel zu rühren und das Schreckgespenst ihrer Präsidentschaft an die Wand zu malen – und es wirkt umso mehr wie ein taktischer Schachzug, als Hillarys Kandidatur für die Demokraten durch die Stärke ihres Konkurrenten Barack Obama keine ausgemachte Sache mehr zu sein scheint. „Wenn die konservative Bewegung und die Republikaner nicht verstehen, wie massiv die Clinton-Maschinerie ist, wird sie Präsidentin“, warnt der Exführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Tom DeLay. „Sie wird gewinnen, wenn wir nicht alle Hebel in Bewegung setzen und unsere Basis motivieren.“

Von Sebastian Heinzel, New York