Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

VA Tech: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

VA Tech: Der Übernahme-Coup ist geplatzt

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Spätestens am Dienstag war allen Beteiligten klar: Das Spiel ist aus. Die Bemühungen von Siemens Österreich und dem Investor Mirko Kovats, mittels eines Übernahmeangebots gemeinsam die VA Tech zu erwerben, hatten ein abruptes Ende gefunden. Die Regierung hatte den Deal an diesem Tag im Ministerrat für unerwünscht erklärt. Der Vorstand der VA Tech hatte eine Übernahme, sollte sie gegen seinen Willen in Angriff genommen werden, schon zuvor als „feindlich“ qualifiziert, und VA-Tech-Mitarbeiter waren gegen die Lösung auf die Straße gegangen.

Zuvor hatte Finanzminister Karl-Heinz Grasser in einem Radiointerview recht unverhohlen gedroht: Er gehe davon aus, so Grasser, dass es sich Siemens angesichts der „ablehnenden Haltung der österreichischen Bundesregierung“ wohl „dreimal überlegen“ werde, ob man einen vom offiziellen Österreich „nicht gewünschten Schritt tatsächlich tut“. Für Siemens hatte es dieses Winks mit dem Zaunpfahl nicht bedurft, um den geordneten Rückzug einzuleiten. Der Konzern ließ verlautbaren, dass es keinen Sinn mehr mache, das Projekt weiterzuverfolgen, „wenn die Botschaft ist: Wir wollen das nicht.“

Schelte. Am Donnerstag folgte dann eine Pressekonferenz von Albert Hochleitner, in welcher der Generaldirektor von Siemens Österreich seinem Ärger Luft machte: Was die Regierung da von sich gegeben habe, seien „unglaubliche Aussagen“, „politischer Opportunismus“ sei da wohl mit im Spiel. Hochleitner schien die Vorgangsweise der Regierung gegenüber einem Konzern, der mit dem offiziellen Österreich über Jahrzehnte höchst amikale Kontakte gepflegt hatte, ernsthaft zu erzürnen. Mit der staatlichen ÖIAG, die vorgegeben hatte, über die Vorgänge nicht informiert worden zu sein, habe Siemens „mehrfach“ über das Thema gesprochen, so Hochleitner. Es sei „lächerlich“, wenn Regierungspolitiker und ÖIAG-Organe jetzt der Öffentlichkeit weiszumachen versuchten, sie hätten „von unserem Vorhaben alle nichts gewusst“.

Mit einem Wort – es ging rund. Emotionen schwappten hoch. Auch die Vorgangsweise der Übernahmekommission wertete der Siemens-Chef als überzogen, ja sogar als „lächerlich“. Die Kommission, die als Behörde dafür zu sorgen hat, dass bei beabsichtigten oder sich abzeichnenden Übernahmen börsenotierter Unternehmen die Kapitalmarktregeln eingehalten werden, hätte praktisch im Zwei-Tages-Takt Stellungnahmen eingefordert und so gut wie täglich das Bedürfnis gezeigt, die aktuellen Medienberichte mit den Akteuren zu diskutieren. Zwei Jahre habe man die Betreiber des Swisscom-Telekom-Deals unbehelligt werken lassen, hier habe man schon nach einem Monat eine öffentliche Erklärung verlangt, so Hochleitner.

Peter Doralt, der Vorsitzende der Übernahmekommission, reagierte pikiert: Er verstehe zwar, dass Siemens angesichts dieses Misserfolgs „irritiert“ sei, räumte Doralt ein. Trotzdem verwahre er sich dagegen, „dass maßgebliche Repräsentanten des heimischen Wirtschafts-Establishments den Vollzug der Kapitalmarktgesetze abwertend qualifizieren, sobald er ihnen Schwierigkeiten bereitet“.

Zwist. Auch zwischen Siemens und VA Tech flogen vorübergehend die Fetzen. Siemens versuchte die Glaubwürdigkeit des vehement gegen ein Zerteilen des Konzerns kämpfenden VA-Tech-Vorstands mit der Enthüllung zu erschüttern, dass es die VA-Tech-Führung selber gewesen sei, die den Siemens-Managern die Abtretung eines maßgeblichen Konzernbereichs angeboten habe, falls diese von ihrem Übernahmeplan abließen. Eine Feststellung, die von VA-Tech-Chef Klaus Sernetz umgehend dementiert wurde: Niemals sei ein derartiger Vorschlag gemacht worden.

Beachtlichen Unterhaltungswert hatten für das interessierte Publikum jene Unfreundlichkeiten, die Siemens und der ÖIAG-Vorstand einander ausrichten ließen: Dass die ÖIAG frühzeitig über die Absichten von Siemens informiert war, wie Hochleitner verlautete, sei „unrichtig“, betonte die ÖIAG in einer ersten Reaktion. Quatsch, sagten daraufhin informell die Siemens-Leute, die „Herren in der Dresdner Straße“, dem Sitz der ÖIAG, würden das bloß sagen, um ihr Gesicht zu wahren. Worauf sich die zornigen ÖIAG-Chefs entschlossen nachzudoppeln und eine weitere Eilt-Aussendung losjagten: Die ÖIAG-Manager stellten „noch einmal nachdrücklich fest“, dass sie, sinngemäß, beinah bis zuletzt keine Ahnung gehabt hätten …

Ein Kasperltheater. Bei all dem blieb rätselhaft, wieso der in österreichischem Lobbyismus sonst bestens bewanderte Siemens-Konzern in diesem Fall so „ungeschickt“ (ein mit dem Siemens-Chef durchaus befreundeter Top-Manager) vorgegangen war: Man habe offenbar gemeint, allein den offiziellen Weg über die ÖIAG zu beschreiten, werde genügen, um letztlich zum Erfolg zu gelangen. Wohlwollende Regierungsmitglieder scheinen in die Siemens-Regie tatsächlich nicht eingebaut worden zu sein.

Erstaunlich geringe Beachtung wurde in der Vorwoche den weiteren Plänen und Absichten von Mirko Kovats geschenkt. Was umso verwunderlicher ist, als dieser die gesamte Übernahmeschlacht nicht nur mittels diverser Aktionen und Äußerungen angeheizt hat, sondern mit seinem zwölfprozentigen Aktienpaket auch weiterhin maßgeblichen Einfluss auf die VA Tech ausüben kann und wohl auch wird.

Zunächst einmal ärgerte sich Kovats. Als zweitgrößter Aktionär des Linzer Technologieunternehmens scheinen er und sein Partner Ronny Pecik tatsächlich bis zuletzt auf ein Gelingen des Siemens-Deals gesetzt zu haben. Gleichermaßen hätten spekulative Investoren in jüngster Zeit „in wirklich großem Stil“ mittels Optionen auf einen Abschluss des Deals knapp unter 60 Euro pro Aktie gewettet – sich gleichzeitig aber auch gegen nennenswerte Kursverluste abgesichert, hört man aus gut informierten Finanzkreisen. Nicht wenige am Wiener Platz vermuten Investoren aus dem Umfeld von Kovats und Pecik hinter den Optionsgeschäften. Wäre die VA-Tech-Übernahme zustande gekommen, hätte sich diese Anlagestrategie als überaus profitabel erwiesen. Nun konnten diese Gewinne nicht realisiert werden, die Gebühren, die mit der Absicherung der Transaktion verbunden waren, müssen aber dennoch bezahlt werden. Dies werde diese spekulativen Investoren zwar „sicher nicht arm machen“, heißt es, aber „ein schöner Millionenbetrag“ sei da schon „in Bewegung“.

Backing. In der vergangenen Woche erklärte Kovats, er stehe voll hinter dem gegenwärtigen Management der VA Tech. Dies erscheint deshalb bedeutsam, weil der Widerstand von Generaldirektor Klaus Sernetz und Vize-General Gerhard Falch gegen die beabsichtigte Übernahme der Vermutung Nahrung gegeben hatte, dass Kovats nun versuchen könnte, sich der beiden Manager zu entledigen.

Sernetz gibt sich jedoch zuversichtlich, dass die Differenzen mit dem größten Privataktionär der Gruppe überbrückbar sind: „Die Einzigen, die mich rechtzeitig und frühzeitig über die Pläne informiert haben, waren der Herr Doktor Kovats und der Herr Pecik. Das habe ich toll gefunden.“ Er habe, sagt Sernetz, den beiden „gleich gesagt“, dass er „das anders sehe als sie“ und dass er die Sache gemäß seiner Funktion und gemäß Aktiengesetz auch gar nicht anders betrachten könne. Er nehme Kovats den versuchten Deal „nicht übel“ und glaube, „auch er wird mir meine Position nicht übel nehmen“.

Nächster wichtiger Termin für die Zukunft des Unternehmens und die Gestaltung seiner Eigentümerstruktur ist der 21. September: An diesem Tag findet die ordentliche Hauptversammlung statt, auf der eine Kapitalerhöhung beschlossen werden soll. Mirko Kovats hat angekündigt, diesmal für eine Aufstockung zu stimmen, nachdem er ein solches Ansinnen zuletzt im April überraschend abgelehnt hatte. Ob die Victory AG, über die Kovats und Pecik ihre VA-Tech-Aktien halten, mitziehen und neue Aktien zeichnen wird, scheint freilich noch nicht festzustehen.

Ambitionen. Kovats-Kenner vertreten die Auffassung, dass er versuchen werde, der ÖIAG ihre Rolle als offiziell größter Einzelaktionär der Gesellschaft abzujagen. Die ÖIAG hält derzeit 15 Prozent der Aktien. Sie muss bei der Kapitalerhöhung – auf Geheiß der Bundesregierung – jedenfalls mitmachen, damit die Staatsbeteiligung derzeit nicht reduziert wird. Gesellschaftsrechtlich bringt das freilich keinerlei Stärkung der Staatsholding. Kovats käme es, will er seinen Anteil tatsächlich nennenswert aufstocken, als Aktionär gelegen, wenn die Aktien, deren Preis sich am Börsenkurs orientieren wird, billig auf den Markt kommen. Insofern könnten Kovats die jüngsten massiven Kursrückgänge der VA-Tech-Papiere um nahezu 20 Prozent gar nicht so unwillkommen sein.

Anders könnten sich freilich Aktionärsgruppen verhalten, von denen es gerüchteweise heißt, dass sie mit Kovats in Verbindung stünden (was von Kovats aber abgestritten wird): Solche Aktionärsgruppen hatten im April gemeinsam mit Kovats und Pecik die damals schon beabsichtigte Kapitalspritze verhindert. Diesmal, so die Vermutung, könnten sie anders als Kovats, also gegen die Kapitalerhöhung, votieren. Was diese Maßnahme angesichts einer zu erwartenden Stimmenmehrheit für die Erhöhung aber nicht blockieren muss.

Kalkül. Solche Nein-Stimmen kämen Kovats aber durchaus gelegen: Da wegen des gleich lautenden Stimmverhaltens auf der April-Hauptversammlung bei der Übernahmekommission ein Verfahren wegen „abgestimmten Verhaltens“ anhängig ist, könnte Kovats dann darauf verweisen, dass er mit den Nein sagenden Investoren keineswegs „abgestimmtes Verhalten“ an den Tag legt. Damit hofft er dann auch die Gefahr beseitigt zu haben, allen anderen VA-Tech-Aktionären ein Übernahmeangebot machen zu müssen – was die Finanzkraft der Victory AG überschreiten würde.

Auf mittlere Sicht rechnen die meisten damit, dass Kovats seine Position in der Gesellschaft wieder zu stärken beabsichtigt und auf der Hauptversammlung im April 2005 neuerlich einen Versuch unternimmt, den VA-Tech-Aufsichtsrat in seinem Sinn umzugestalten. Bis dahin könne man, heißt es, von dem sprunghaften Investor aber noch einiges erwarten. Kovats betreffend macht derzeit ein Spruch die Runde: „Wie immer die letzte Runde ausgegangen ist – nach dem Spiel ist für ihn vor dem Spiel.“