Gift und Dolche

Gift und Dolche

Vatikan. Wie Papst Franziskus die römische Kurie entmachten will

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Von Thomas Migge, Rom

Jorge Mario Bergoglio, seit etwas mehr als einem Monat Papst der Katholischen Kirche, mag es schlicht, er verzichtet auf Gold und allen irdischen Tand. Bei seinem ersten Auftritt trug der Pontifex Maximus keine reich bestickte Stola und keine Mozzetta über den Schultern, sondern eine demonstrativ einfache weiße Kutte. Franziskus ist, modisch gesehen, der Yohji Yamamoto auf dem Papstthron.

Die Kardinäle der mächtigen römischen Kurie, seit mehr als einem Jahrtausend das übermächtige wie undurchschaubare Verwaltungsorgan des Vatikans, lieben hingegen den Prunk. Sie tragen am liebsten schweren Goldschmuck und maßgeschneiderte Soutanen. Kurz: Sie verkörpern die bombastische Selbstüberhöhung der Katholischen Kirche – und tendieren in der Couture eher Richtung Gianni Versace.

Geht es nach dem neuen Mann auf dem Heiligen Stuhl, dürfen seine Brüder in der Kurie ihren modischen Vorlieben weiterhin frönen. Nur mit ihrer barocken Machtfülle soll bald Schluss sein. Der Papst hat es sich zu einer seiner Hauptaufgaben gemacht, die Kurie zu reformieren und zumindest teilweise ihren Einfluss zu reduzieren – nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt. Das versichern Personen aus dem direkten Umfeld des Papstes.

Auch der kirchenkritische Theologe Hans Küng meint: „Wir brauchen nichts dringender als eine Reform des römischen Hofstaates, der zu einer Form der Zentrale der Kirche werden muss, die wirklich funktioniert und nicht nur obstruiert.“

Seit Jahren Negativschlagzeilen
Johannes Paul II. war an der Arbeit der Kurienkardinäle nicht besonders interessiert. Sein Nachfolger Benedikt XVI. versuchte zu Beginn seines Pontifikats, ansatzweise Ordnung zu schaffen, kam aber gegen den bürokratischen Apparat nicht an. Franziskus will dort ansetzen, wo sein Vorgänger scheiterte. Vergangene Woche nominierte der argentinische Papst ein internationales Beratergremium aus acht Kardinälen, welches die Kirche auf fünf Kontinenten repräsentieren soll. Das kommt einer offenen Kampfansage an die Kurie gleich. „Die Gruppe aus acht Kardinälen soll auch das Projekt einer Reform der Kurie vorantreiben“, ist sich der Vatikanexperte Luigi Accatoli sicher.

Eine Reform, die allein aus PR-Gründen unumgänglich scheint. Die Kurie ist seit Jahren hauptverantwortlich für Negativschlagzeilen über die Kirche. „The dagger and poison lobby“ (die Dolch- und Giftlobby) beschreibt ein amerikanischer Kirchenkenner den dubiosen Verwaltungsapparat im „Corriere della Sera“. An Skandalen aus der jüngeren Vergangenheit fehlt es nicht: der Geheimnisverrat „Vatileaks“, die Vertuschungsmaschinerie rund um den sexuellen Missbrauch durch Würdenträger, ­Intrigen gegen den Pontifex höchstselbst sowie anrüchige Geschäfte und Mafia­kontakte der Vatikanbank.

Der investigative italienische Journalist Gianluigi Nuzzi, Autor des Bestsellers „Seine Heiligkeit – Die Geheimakten von Benedikt XVI.“, ist einer der Hauptverantwortlichen für das Bekanntwerden heikler Interna aus der römischen Kurie. „Wie während des Pontifikats von Johannes Paul II., so versuchte man auch unter Benedikt XVI. immer wieder, den Staub unter den Teppich zu kehren“, resümiert Nuzzi: „Das wird vor allem am Beispiel von Monsignore Carlo Maria Vigano deutlich, der als Nuntius in die USA weggelobt wurde, nachdem er verschiedene Korruptionsfälle innerhalb des Vatikans beim Papst angezeigt hatte.“

Vorerst sind die Chefs der Dikasterien, wie man im Kirchenstaat die Ministerien nennt, bestätigt worden. Das gilt auch für den umstrittenen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Er soll jedoch auf jeden Fall ersetzt werden, munkelt man. „Das pfeifen im Kirchenstaat die Spatzen von der Peterskuppel“, sagt ein Monsignore aus dem Vatikan, der anonym bleiben möchte.

Welche Kompetenzen das jetzt geschaffene Beratergremium ab Oktober haben wird, ist noch unklar. Sicher ist hingegen, dass unter dem neuen Papst der viel zu lange währende italienische Einfluss innerhalb der römischen Kurie gebremst werden soll. Die Zusammensetzung des neu geschaffenen Gremiums zeigt das deutlich: Kein wichtiger italienischer Kardinal und noch nicht einmal der ­Präsident der italienischen Bischofskonferenz sind mit von der Partie, was hinter den Kulissen für Zündstoff sorgen dürfte. Die Saison Frühjahr/Sommer lässt sich im Vatikan heftig an.