Tunnel-Blick: Hainburg-Déjà-vu

Verkehr: Tunnel-Blick

„Hohe Beeinträchtigun-gen“ für die Donau-Auen

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Man stelle sich vor: hunderte Nackerpatzerln vor dem Verkehrsministerium oder auf dem Wiener Rathausplatz; FKK-Anhänger, die trotz winterlicher Temperaturen gegen die Zerstörung ihres Kulturraums demonstrieren. Was die Freunde des Nacktbadens zum spektakulären Protest bewegen könnte: Mit der Naherholung in der bei Nudisten so beliebten Dechantlacke und der Panozzalacke in der Wiener Lobau dürfte es bald zumindest für ein paar Jahre vorbei sein – Baustellenstaub statt Nacktbadeerlebnis.

In den kommenden Wochen soll die Trassenentscheidung für die geplante Lobau-Autobahn verkündet werden. Voraussichtlicher Baubeginn und damit Badeschluss: 2008. Diese insgesamt sechste Donauquerung ist Teil des seit Jahren diskutierten Ausbaus des Autobahnrings um Wien. Das Verkehrsministerium und die Wiener Stadtregierung müssen allerdings nicht nur mit Widerstand von Anhängern der Freikörperkultur rechnen. Umweltschützer, Bürgerinitiativen und die Wiener Grünen haben sich zur Gegenattacke formiert.

Öko-Kämpfer und Veteranen der Au-Besetzung nützten die Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Ereignisse in Hainburg für Warnungen vor den Auswirkungen der Lobau-Autobahn auf den Nationalpark Donau-Auen. Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima gab sich vor zwei Wochen in der „Kronen Zeitung“ ebenfalls kämpferisch: „Der weitere Schutz der Lobau ist mein größtes Anliegen.“

Simas politische Einsatzfreude dürfte nun gefragt sein.

Denn selbst die Projektbetreiber der Autobahn-Finanzierungsgesellschaft (Asfinag) sind sich der ökologischen Belastungen durch den Autobahn-Bau durchaus bewusst. In einem geheimen Gutachten für die Stadt Wien konstatieren von der Asfinag beauftragte Experten „hohe Beeinträchtigungen“ für die Umwelt – und zwar bei beiden derzeit diskutierten Varianten der Donauquerung. Denn noch ist die Entscheidung nicht gefallen, ob die Donau in diesem Bereich untertunnelt oder überbrückt werden soll.

Die Stadt Wien hat sich auf die Tunnelvariante festgelegt. Im November sagte Bürgermeister Häupl: „Ohne Tunnel gibt es keine Umfahrung. Nur so gefährden wir das Ökosystem nicht, indem wir tief unterhalb des komplizierten Grundwassergeflechtes bleiben.“

Doch auch die Röhre unter der Donau hat negative Folgen. Für Fauna und Flora sind die Auswirkungen nach Ansicht der Asfinag-Studienautoren bei der Tunnellösung sogar größer. Die Brückenvariante wiederum belastet das ökologische Gleichgewicht des Gewässers stärker als die Untertunnelung. Darüber hinaus verursacht die Überbrückung dem Gutachten zufolge „hohe Auswirkungen auf das Landschaftsbild“. Ein Ausweg wird allerdings gleich mitgeliefert: Die „höhere optische Akzeptanz“ soll durch „gestalterisch hochwertige, innovative Lösungen“ – etwa durch einen Architektenwettbewerb – erzielt werden.

Biologe Häupl. Gegenüber der „Krone“ gab sich Häupl, im Zivilberuf Biologe, im Oktober als scharfer Umweltschützer: „Ich lass mir die Lobau nicht kaputt machen. Lieber verzichten wir auf die Umfahrung.“ Ganz ohne Umweltschäden kann das Projekt einer sechsten Donauquerung allerdings nicht verwirklicht werden. Denn bei beiden Varianten ist laut Studie „eine hohe Beeinträchtigung“ von „Schutz- und Schongebieten“ zu erwarten. Für die Brücke müsste ein Hektar Auwald im Naturschutzgebiet gerodet werden, für den von Häupl bevorzugten Tunnelbau sogar drei Hektar.

Insgesamt halten die Asfinag-Experten die Auswirkungen für die Umwelt in beiden Varianten für gleich hoch. Die Herstellungskosten für den Tunnel sind mit prognostizierten 632 Millionen Euro deutlich höher als jene für die Brücke (382 Millionen Euro). Da überdies die Bauzeit für den Tunnel mit 72 Monaten deutlich über der Brückenvariante liegt, plädieren die Studienautoren und die Asfinag-Manager für die Brücke. Aus heutiger Sicht wird es dennoch zur Tunnellösung kommen, zu groß ist der politische Druck aus dem Wiener Rathaus. Ulli Sima kann mit dem Asfinag-Gutachten nicht viel anfangen: „Die Studie unterscheidet nicht zwischen Bau- und Betriebsphase und forciert einseitig die Brückenvariante. Außerdem dürfte wohl jedem Laien klar sein, dass eine Brücke über die Donau größere Auswirkungen hat als ein Tunnel untendurch. Es gilt weiterhin: Der Nationalpark bleibt unberührt.“

Ginge es nach dem Willen der Wiener Grünen, wäre das gesamte Projekt gestorben. Grünen-Gemeinderat Rüdiger Maresch: „Nimmt man den Umweltschutz ernst, sind beide Varianten ausgeschlossen.“