Vienna City Marathon

Vienna City Marathon: Laufende Einnahmen

Impulsgeber für Wirtschaft, Tourismus & Gesundheit

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Frontalansicht, Schwenk in die Totale, Blick von oben: Wien wird permanent im Bild sein, wenn am 16. Mai der 21. Vienna City Marathon live im ORF übertragen wird. Voraussichtlich 25.000 Menschen werden diesmal starten, unter ihnen international prominente Läufer wie der Vorjahressieger Joseph Chebet aus Kenia, Lidia Simon aus Rumänien und der Österreicher Michael Buchleitner.

Das mediale Interesse an der seit 1984 alljährlich stattfindenden Großveranstaltung ist beträchtlich: Stets ist Prominenz aus Politik und Wirtschaft anwesend, und die durch Straßensperren und Umleitungen vom Verkehr befreite Laufstrecke führt an zahlreichen Wiener Sehenswürdigkeiten vorbei – von der UNO-City über Schönbrunn, Prater und Ringstraße bis zum Heldenplatz.

Naturgemäß hat auch die Tourismuswerbung das Marketingpotenzial des Sportereignisses längst erkannt: In ihrem Image-Film über Wien ist als eine der Attraktionen der Bundeshauptstadt auch das dichte Feld der Läufer zu sehen, die über die leichte Kuppe der Reichsbrücke Richtung Stadt starten.

Einnahmequelle. Und auch in ökonomischer Hinsicht hat der Vienna City Marathon erheblich an Bedeutung gewonnen. Nahmen im Jahr 1984 bloß 900 Menschen an dem Lauf teil, betrugen die Teilnehmerzahlen in den vergangenen Jahren stets zwischen 25.000 und 27.000 – was sich auch in entsprechenden Umsätzen für die Veranstalter, Hotellerie, Gastronomie und weitere Wirtschaftszweige niederschlägt.

Zwar fehlen bislang umfassende Studien oder Datenerhebungen zum Wirtschaftsfaktor Marathon, doch nach Schätzungen des Wiener Tourismusdirektors Karl Seitlinger dürften allein die Nächtigungsausgaben der ausländischen Teilnehmer etwa 1,8 Millionen Euro betragen.

Laut Seitlinger reisen etwa 28 Prozent der rund 8000 „echten“ Marathonläufer aus dem Ausland an, wobei Deutschland mit gut 1000 Startern überdurchschnittlich gut vertreten ist. Doch auch aus der Schweiz, aus Italien, Frankreich, Ungarn und den USA kommen zahlreiche Gäste. Insgesamt nehmen erfahrungsgemäß Läufer aus mehr als 70 Nationen am Lauf über die klassische Distanz von 42,195 Kilometern teil. Nicht eingerechnet sind in dieser Kalkulation jene übrigen 17.000 Läufer, die im Rahmen des Gesamtprogramms zusätzlich geplante Routen in Anspruch nehmen, die abseits der eigentlichen Marathonstrecke zur Verfügung stehen.

Spendable Touristen. Insgesamt könne man davon ausgehen, dass ein Wien-Tourist durchschnittlich 240 Euro pro Tag für Unterkunft, Verpflegung, Sightseeing und Shopping ausgebe. „Wenn man bedenkt“, so Seitlinger, „dass viele Teilnehmer ein oder auch zwei Begleitpersonen mitbringen, kommt schon einiges zusammen.“ Auch die Teilnehmer aus den Bundesländern tragen nach Seitlingers Erfahrungswerten zur Verbesserung der Wiener Tourismusbilanz bei: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aus einem westlichen Bundesland an einem Tag an- und abreist, wenn er dazwischen einen Marathon läuft. Er bleibt zumindest eine Nacht.“

Zwei Tage verbringen die Läufer, Begleiter und Gäste des Vienna City Marathon denn auch im Schnitt in Wien – und kombinieren den Aufenthalt mitunter auch gerne mit einem kleinen Städteurlaub, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt nicht nur im Laufschritt zu erkunden.

Weitaus üppiger fällt die Umsatzberechnung allerdings aus, wenn man die Gesamtzahl aller Läufer sowie der insgesamt gut 150.000 Zuschauer und Begleitpersonen in der Kalkulation berücksichtigt. Eine Berechnung des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2002 ging von damals bis zu 40.000 zusätzlichen Nächtigungen sowie einem Gesamtumsatz im Umfeld des Vienna City Marathon von rund 18 Millionen Euro aus. Addiere man die Umsätze aller in Österreich jährlich stattfindenden Marathon-Veranstaltungen – darunter jene in Graz, Klagenfurt und in der Wachau –, ergebe sich gar eine Summe von 30 Millionen Euro.

Medizinische Versorgung. Freilich wird zwecks Realisierung der Großveranstaltung in Wien auch einiger Aufwand getrieben – finanziert durch 23 Sponsoren sowie die von jedem Teilnehmer zu entrichtenden Nenngelder, die je nach Termin der Anmeldung zwischen 50 und 70 Euro betragen. So stehen für die medizinische Versorgung der Läufer 150 Sanitäter, zwölf Ärzte, 16 Notarzt- und Rettungswagen sowie fünf Sanitätsfahrzeuge zur Verfügung. Entlang der Marathonstrecke werden zehn Ambulanzzelte aufgestellt.

Für die Verpflegung der Läufer sorgen größtenteils die Sponsorunternehmen. 500 Mitarbeiter sind entlang der Strecke im Einsatz. Insgesamt werden rund 500.000 Trinkbecher, 20.000 Orangen, 30.000 Liter Mineralwasser, 50.000 Bananen und 16.000 Liter Elektrolytgetränk bereitgestellt. Nach Ende der Veranstaltung werden die zurückbleibenden Abfälle – im Vorjahr an die 40 Tonnen – von rund 150 Mitarbeitern der Wiener Müllabfuhr umgehend entsorgt.

Mit der Organisation und dem Programm des Sportereignisses waren die Besucher im Vorjahr jedenfalls offenbar mehrheitlich zufrieden: Sie stellten dem Lauf-Event bei einer nachträglichen Befragung ein durchaus positives Zeugnis aus. Nach dem Schulnotensystem gaben 49 Prozent der Befragten dem Wiener Marathon in den Sparten Image, Stimmung, Preis-Leistungs-Verhältnis, Medien, Strecke und Organisation eine glatte Eins. 36 Prozent entschieden sich für die Note zwei und zwölf Prozent für die Note drei. Von zwei Prozent der befragten Teilnehmer erhielten die Organisatoren bloß die Note genügend. Hier wurden vor allem die teils hohen Startgelder kritisiert.

Goldgrube. Eine besonders detaillierte Studie zum Wirtschaftsfaktor Marathon präsentierten im Vorjahr die britischen Sportökonomen Richard J. Coleman und Simon Shibli am Beispiel des Flora-Marathon in London. Insgesamt seien beim mit 33.000 Teilnehmern größten Marathon Europas umgerechnet 86 Millionen Euro erwirtschaftet worden. „Der Marathon ist eine echte Goldgrube“, urteilt Simon Shibli in seiner Expertise abschließend.

Allein die 115.000 Übernachtungen erbrachten den Schätzungen zufolge für die Londoner Beherbergungsbetriebe rund zwölf Millionen Euro an Zusatzumsatz. Für Speisen und Getränke gaben die Gäste nach den Erhebungen von Coleman und Shibli über fünf Millionen Euro aus – ebenso viel wie für Shopping, Sightseeing und verschiedene Unterhaltungsprogramme. Eine Umfrage der Forscher unter Gastronomen und Tourismusbetrieben ergab dabei laut Shibli: „Rund 63 Prozent stellten eine positive Auswirkung auf das Geschäft fest, ein Viertel der Wirte gab an, am Marathontag den größten Umsatz des Jahres zu machen.“

Auch wenn für Wien derart penible Erhebungen nicht verfügbar sind, kann Tourismusexperte Seitlinger zumindest konstatieren, dass „der Marathon jedenfalls Potenzial hat. Der jährlich wiederkehrende Event ist für die Wirtschaft im Gegensatz zu anderen sportlichen Großereignissen in Wien ein fix kalkulierbarer Faktor.“ Damit könne man deutlich effizienter planen als mit Veranstaltungen, die unregelmäßig oder nur alle paar Jahre stattfinden. „Ich denke, dass dieser Umstand in Zukunft noch weit stärker genutzt werden kann“, meint Seitlinger.

Vorreiterfunktion. Wolfgang Konrad vom Veranstaltungsunternehmen Enterprise Sport Promotion sieht für das Wiener Lauf-Event noch weiteres sportliches wie auch wirtschaftliches Potenzial. Konrad möchte den Vienna City Marathon aufgrund der EU-Erweiterung als führenden zentraleuropäischen Marathon positionieren. „Wer wachsen und erfolgreich sein will, muss seine Grenzen überschreiten“, postuliert Konrad. Dementsprechend gelte es nun, das Langstreckenlaufen auch in den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wie in Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei populärer zu machen. In diesen Ländern bereits vertretene Marathon-Sponsoren wie Erste Bank, Hervis und die Wiener Städtische Versicherung wollen als Vorreiter fungieren.

Im Westen haben sich die Sportart Marathonlauf im Allgemeinen und der Vienna City Marathon im Besonderen in den vergangenen Jahren kontinuierlich ein zugkräftiges Image erarbeitet. Das Schweizer TV-Magazin „Quer“ beispielsweise, das 650.000 regelmäßige Seher verzeichnet, hat den Vienna City Marathon 2005 bereits zur Kulisse für die Sendung „42 Kilometer zum Glück“ gewählt. „Die Strecke ist sehr attraktiv“, erklärt Redakteur Thomas Gerber diese Entscheidung. „Sie geht durch die Mitte der Stadt, an allen Sehenswürdigkeiten vorbei – Oper, Prater, Sachertorte –, das gibt fürs Fernsehen gute Bilder.“

Der Inhalt des Reality-TV-Projekts: Innerhalb eines Jahres sollen fünf Bewegungsmuffel so fit werden, dass sie bei einem Marathon mitlaufen können. Gerber: „Die Aktion soll die Zuschauer zum Sport animieren. Uns interessiert vor allem, wie die Teilnehmer diese Zeit erleben.“ 600 Interessierte meldeten sich beim ersten Aufruf des Magazins, nach dem Casting und der notwendigen medizinischen Begutachtung wurden fünf Kandidaten ausgewählt, die unter fachkundiger Anleitung in Kürze mit dem Training beginnen sollen.

Marathon-TV. Ab Februar nächsten Jahres wird das Schweizer TV-Publikum wöchentlich am Freitagabend an den Erfolgen und Rückschlägen der Läufer teilhaben können. Marathonluft schnuppert die Gruppe allerdings schon heuer. Die Schweizer sind am 16. Mai in Wien dabei – als Zuschauer. „Wir sind auch eine Stadt des Sports geworden“, glaubt Seitlinger. „Mit der Kombination aus Sport, Kultur und Musik sprechen wir ein breiteres, vielfach auch jüngeres Publikum an.“

Geht es nach den Wiener Veranstaltern und Marketingstrategen, soll der Marathon freilich nicht nur Einnahmequelle und Imagefaktor, sondern auch Anreiz für die Wiener sein, selbst sportlich vermehrt aktiv zu werden – und damit die steigende Zahl übergewichtiger Österreicher reduzieren. Im Rahmen des Vienna City Marathon bietet der medizinische Fachverlag Universimed deshalb mit Ärzten Tipps für eine geeignete Vorbereitung auf Laufbewerbe – bis hin zum Marathon – an. Zielgruppen sind unter anderem Diabetiker und Herzkranke, für die eigene Bewerbe wie etwa der „Wiener Herzlauf“ oder die Veranstaltung „Wir laufen dem Diabetes davon“ veranstaltet werden.

Dieses Jahr findet im zeitlichen Umfeld des Marathons erstmals auch ein Ärztekongress statt. Unter dem Motto „move for live“ widmen sich am 14. und 15. Mai Fachleute in Vorträgen und Workshops den Themen Sport und Gesundheit. „Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Sport als Therapeutikum“, erläutert Professor Bernhard Ludvik, Präsident der Tagung. „Es soll praxisnah vermittelt werden, wie das ,Medikament Bewegung‘ richtig und effizient eingesetzt werden soll.“