Voest

Voest: Eisenhandlung

Eisenhandlung

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Das Wort von der „professionellen Ruhe“ ist mittlerweile zum Leitbegriff von Peter Michaelis, Vorstandssprecher der ÖIAG, geworden. Manche sagen, dabei handle es sich um die Selbstbeschwörungsformel eines Managers, dessen Nerven zuletzt arg strapaziert worden waren. Andere glauben darin so was wie Pfeifen im dunklen Wald zu erkennen. Jedenfalls fällt auf, wie eindringlich Michaelis in letzter Zeit betont, als rein ökonomisch orientierter ÖIAG-Manager unbeeindruckt und konsequent seinen Kurs zu verfolgen. Trotz allem.

„Wir verhehlen heute unsere Freude nicht“, eröffnete Michaelis etwas gestelzt die Pressekonferenz am Donnerstag der Vorwoche, auf welcher der ÖIAG-Vorstand und die Vorstandsspitze der Voest vom nahen Ziel des Weges sprachen und die beschlossene angebliche „Vollprivatisierung des Stahlkonzerns“ präsentierten:
Seit Freitag können in jeder Bank Voest-Aktien geordert werden. Noch steht ihr Preis nicht fest, der wird den privaten Kleinanlegern und den institutionellen Investoren am 18. September bekannt gegeben. Die ÖIAG will ihren Anteil an der Voest von derzeit 34,7 Prozent bis zum Achtzehnten „zur Gänze“ loswerden. Eine nicht ganz präzise Angabe, wenn man an das Paket in der Größenordnung von zehn bis 15 Prozent denkt, das noch mindestens drei weitere Jahre lang im Eigentum der Staatsholding verbleibt und das die ÖIAG dazu nutzt, eine (ebenfalls jetzt zu begebende) so genannte „Umtauschanleihe“ zu unterlegen.

Nach Ablauf der drei Jahre kann sie diese – je nachdem, wie sich dann die Situation für die Voest darstellt – den Zeichnern (ausschließlich institutionelle Anleger) wahlweise in Voest-Aktien oder in Cash zurückzahlen.

Der Rest der von der ÖIAG gehaltenen Voest-Aktien, also rund 20 bis 25 Prozent des Voest-Grundkapitals, soll allerdings bis zum 18. September tatsächlich in neue Hände übergehen. Drei bis vier Prozent des Voest-Kapitals sollen so bei privaten Kleinanlegern österreichischer Provenienz landen, schätzt die ÖIAG. Weitere 3,7 Prozent bekommen die Voest-Mitarbeiter, die damit ihre Beteiligung am Unternehmen auf knapp über zehn Prozent aufstocken. Und schließlich werden Aktienpakete in der Größenordnung von (in Summe) 16 bis 21 Prozent des Voest-Kapitals auf institutionelle Anleger des In- und Auslands aufgeteilt.

Populär. „Österreich hat sein Herz für die Voest wiederentdeckt“, gab sich der spröde Michaelis am Donnerstag volksnah und wandelte einen der – aus ganzseitigen Zeitungsinseraten bekannten – Werbesprüche etwas weniger volksnah ab: „Die Österreicher“, sagte er, „mutieren jetzt zu Voesterreichern.“

Wenn der Satz bei ihm auch nicht ganz so zündend klang, wie es seine PR-Leute vielleicht gern gehabt hätten, so mag Michaelis dabei die überschaubare Zahl jener potenziellen Anleger im Sinn gehabt haben, die sich davon überhaupt angesprochen fühlen sollen: Da die ÖIAG nach eigener Aussage bei der Transaktion nur drei bis vier Prozent des Voest-Kapitals für private Kleinanleger vorsieht, wäre mehr Emphase womöglich gar kontraproduktiv. Für diejenigen Privatinvestoren aber, die zum Zug kommen, stellt das Voest-Papier nach Auffassung der meisten Analysten eine „absolut interessante Anlage“ dar.

Pfeile. Auf der Pressekonferenz übte sich Michaelis diesmal auch im Werfen spitzer kleiner Pfeile. „Wir haben in unserer Arbeit sehr ernsthaft versucht“, meinte er in Richtung Regierung, „den Spagat zwischen den verschiedenen Vorgaben des Regierungsauftrags und den Vorgaben der EU zu schaffen.“ (Unausgesprochener Nachsatz: In Wahrheit kann den Spagat, den uns allein schon der in sich völlig widersprüchliche Regierungsauftrag abfordert, kein Mensch bewältigen. Aber mit dem jetzigen Konzept haben wir uns noch ganz gut aus der Affäre gezogen.) Gegenüber den Journalisten versuchte er sich in Ironie: Ständige Schlagzeilen tun einem Wirtschaftsunternehmen nicht gut – diesen häufig gehörten Satz würde auch Michaelis inhaltlich unterschreiben. In dem Sinn soll er sich über die Voest-Debatte auch gründlich geärgert haben.

Auf der Pressekonferenz bereitete es ihm nun sichtlich Vergnügen zu kontern: „Wir sind sehr dankbar für die breite Publicity, die Sie uns gaben beziehungsweise mit der Sie uns zuletzt erfreut haben.“ Nachsatz (diesmal ausgesprochen): „Diese öffentliche Aufmerksamkeit für die Voest und die starken Emotionen, die Sie dabei ausgelöst haben, werden wir jetzt nämlich in unserem Sinne nützen.“ Mittels werblicher Künste werde man den Schwung nützen und die negative Emotion „in Kauflust für Voest-Aktien umpolen“.

Während die privaten Kleinanleger diesmal nicht – wie bei etlichen früheren Privatisierungen – mit einem Rabatt beglückt werden, haben es die Voest-Betriebsräte offenbar geschafft, für den Aktionär „Mitarbeiterstiftung“ ein gutes Ergebnis herauszuverhandeln: Pendelt der Voest-Börsenkurs derzeit um die 35 Euro und dürf-te sich auch der Kurs der bevorstehenden Transaktion in etwa dieser Höhe bewegen, so muss die Belegschaft pro Aktie nur 28,28 Euro zahlen.
Mit Erreichen der zehn Prozent Kapitalanteil könnte die Mitarbeiterstiftung für Konzerne, die an einer Übernahme der Voest interessiert sein könnten, übrigens erstmals eine gewisse Übernahmebarriere darstellen: Generell können Firmenkäufer, die schon mehr als 90 Prozent aller Aktien besitzen, die restlichen Aktionäre zwingen, ihre Anteile herzugeben. Ein Aktionär aber, der zehn Prozent oder etwas mehr hält, kann nicht hinausgeworfen werden. Rainer Wieltsch, ÖIAG-Vorstand und Vizechef des Voest-Aufsichtsrats, hält die nunmehrige Aufstockung der Mitarbeiterbeteiligung für „ein wirksames Instrument gegen eine allfällige Übernahme und Zerschlagung des Unternehmens“.

Zwischen der ÖIAG und der Führung der Voest hatte seit geraumer Zeit Funkstille geherrscht. Die ÖIAG hat es lange Zeit verabsäumt, sich mit dem Voest-Vorstand zu beraten. Ein Manko, das nach allgemeiner Auffassung dem Ablauf der Privatisierungsdebatte nicht eben gut getan hat. Seit Anfang August scheint in der ÖIAG zumindest die Bereitschaft zur Kommunikation gewachsen zu sein. Den künftigen Voest-Chef Wolfgang Eder soll mit ÖIAG-Vorstand Wieltsch schon ein „recht brauchbares Arbeitsverhältnis“ verbinden. Jedenfalls ist der ÖIAG bekannt, dass der Voest-Vorstand einzelne Elemente des nun beschlossenen Privatisierungskonzepts nicht wirklich goutiert: Die „Umtauschanleihe“ zum Beispiel halten die Linzer für einen schweren Fehler. Die Voest-Vorstände hätten viel lieber eine echte Vollprivatisierung des Unternehmens noch vor der Landtagswahl gesehen. Doch in diesem Punkt hatte die ÖIAG den Wünschen der Politik schon wieder Tribut zu leisten.

Im ausführlichen Voest-Börsenprospekt, das für institutionelle Investoren bereitliegt, ist übrigens auch eine kleine Pikanterie zu entdecken: Auf Seite 78 ist recht offen von dem berühmt gewordenen Insidergeschäft des Noch-Voest-Generaldirektors Franz Struzl die Rede. Die Passage endet mit der Feststellung: „Herr Struzl hat mittlerweile seine Bereitschaft bekundet, mit dem Aufsichtsrat die Modalitäten für ein einvernehmliches vorzeitiges Ausscheiden aus dem Unternehmen zu erörtern.“
Die nunmehr angekickte Transaktion wird die Voest allerdings noch unter Generaldirektor Franz Struzl bestreiten und auch beenden. Die nächste Voest-Aufsichtsratssitzung (die, die Struzl abberufen soll) findet erst am 29. September statt.