Von der roten Bank in die Notenbank

Ewald Nowotny wechselt in die Nationalbank

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Dabei hatte sich Ewald Nowotny gerade an die Eigenheiten des ehemaligen Büros von Helmut Elsner gewöhnt: zum Beispiel an den am Schreibtisch verborgenen Schalter, mit dem man die Tür verriegeln kann. Den hatte Nowotny entdeckt, nachdem er ihn an einem Samstag unabsichtlich ausgelöst und sich aus dem eigenen Büro ausgesperrt hatte. Der Portier musste mit einem Generalschlüssel anrücken. Oder die große Tischuhr, die in einem bestimmten Winkel auf dem Regal platziert worden war, damit Elsner über das verspiegelte Ziffernblatt von der gemütlichen Sitzgruppe im hintersten Winkel des L-förmigen Büros den Eingang permanent im Auge behalten konnte. Auf beides wird Nowotny in naher Zukunft verzichten.

Mit Jahresende verlässt Ewald Nowotny die Bawag-Zentrale in der Wiener Tuchlauben und bereitet sich für kommende Aufgaben vor. Mitte 2008 soll er die Nachfolge von Klaus Liebscher als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) antreten. Mit 64 Jahren wird der Ökonom dann an der Spitze jenes Institutes stehen, „das er inhaltlich seit vielen Jahren umkreist hat“, wie ein enger Vertrauter es ausdrückt. Mit der Übernahme der Bankprüfung von der Finanzmarktaufsicht wird die OeNB ab dem kommenden Jahr eine weitaus mächtigere Institution sein, als sie es zuvor war. Der Wechsel von Ewald Nowotny hat jedoch nicht nur mit der Attraktivität des neuen Arbeitgebers zu tun, sondern auch mit den aktuellen Entwicklungen beim alten – bei der Bawag.

Der Kontakt zwischen Ewald Nowotny und Alfred Gusenbauer war seit der Regierungsbildung nicht abgerissen. Damals hatte man sich darauf verständigt, dass ein roter Notenbankchef als Gegenüber des schwarzen Finanzministers opportun wäre. Regelmäßig, so ein SPÖ-Regierungsmitglied, habe man vorgefühlt, wie sich der Bawag-Generaldirektor seine berufliche Zukunft denn vorstellen würde. Schließlich war schon früh klar, dass die im Koalitionsabkommen vereinbarte Reform der Finanzmarktaufsicht vor dem Hintergrund des Banken-Untersuchungsausschusses ein politisch äußerst heikles Thema werden würde. Da ist eine Integrationsfigur wie Ewald Nowotny – geschätzt in beiden Lagern – Goldes wert. Mit seiner Entscheidung ließ sich der Volkswirt mit Forschungsschwerpunkt Finanz- und Steuerpolitik scheinbar Zeit. Noch im Mai setzte er sein Autogramm unter einen Fünfjahresvertrag mit dem Bawag-Eigentümer, dem US-Investmentfonds Cerberus. „Dieser Vertrag war ein Vertrauensbeweis mir gegenüber. Ein Zeichen der Wertschätzung“, sagt Ewald Nowotny.

Vor allem: ein Zeichen nach außen hin.

Strategiefragen. Die Konsolidierungsphase der Bawag war zu diesem Zeitpunkt erfolgreich abgeschlossen. „Für die nächste Phase war klar, dass jemand mit einer langfristigen Perspektive an der Spitze der Bank stehen muss“, so Nowotny. Und bald war klar, dass er dies nicht sein würde. Die Signale aus der Politik waren relativ früh eindeutig: Ewald Nowotny war der Wunschkandidat für den Gouverneursposten, der Gouverneursposten Nowotnys Traumjob. Aber auch aus Amerika kamen zunehmend Signale, die Nowotnys Entschluss beschleunigten. Mitte Mai hatte Cerberus die Übernahme der Mehrheit an der US-Automobilschmiede Chrysler für 5,5 Milliarden Euro paktiert. Eine Summe, die selbst für eine Gesellschaft vom Zuschnitt eines Cerberus nicht so nebenher zu finanzieren ist. „Das Chrysler-Geschäft hat alle anderen Cerberus-Investments zusätzlich unter Druck gesetzt“, so ein Insider.

Bei der Bawag wird das Tempo verschärft. Bereits 2008 – statt ursprünglich geplant bis 2011 – sollen 400 Mitarbeiter abgebaut werden. Das Renditeziel: Bis 2011 soll der Gewinn auf 400 Millionen verzehnfacht werden. Schneller als erwartet geht auch der Verkauf der Bawag-Beteiligungen vonstatten: Die Lotterien-Anteile der Bawag fielen in der Vorwoche für rund 330 Millionen Euro an die Casinos Austria. Ein Teil der Summe wird noch heuer ergebniswirksam. Auch der Verkauf der Klaviermanufaktur Bösendorfer soll demnächst in trockene Tücher gebracht werden. Dem Vernehmen nach soll Ewald Nowotny die strategische Ausrichtung des Bawag-Eigentümers nicht vorbehaltlos geteilt haben. Wobei es auch Stimmen gibt, die eine solche überhaupt in Abrede stellen. „Bis zur Stunde liegt noch gar keine Strategie vor. Der Verkauf von Assets ist jedenfalls keine“, moniert Bawag-Gesellschafter und Aufsichtsrat Hannes Androsch. Tatsächlich ist bis auf Ankündigungen, die Direktbanktochter easybank stärken zu wollen und über das Filialnetz der Post neue Produkte zu vertreiben, aus der Bank noch nicht viel zu hören.

Auch der vergangene Woche präsentierte Nowotny-Nachfolger David Roberts kündigte in seinen ersten Statements die Wachstumsziele der Bank eher verhalten an: „Wir werden uns sicher nicht zur Größe schrumpfen“, diktierte der Brite den Journalisten in die Notizbücher. Ähnlich diplomatisch gibt sich Ewald Nowotny dieser Tage. In seinem Fall ist Schweigen sicherlich Gold. Für die einvernehmliche Auflösung des Fünfjahresvertrags kassiert der Universitätsprofessor eine großzügige Abfertigung. Da fällt das Stillschweigen besonders leicht. „Er hat es sich verdient, dass er sich jetzt in allen Ehren verabschieden kann. Nach dem, was er in der Bawag geleistet hat, verstehe ich, wenn er sich an den Otto-Wagner-Platz (der Standort der OeNB-Zentrale, Anm.) setzt und einmal die Woche nach Frankfurt fliegt“, sagt Hannes Androsch, der selbst einmal erfolglos das oberste Amt in der Nationalbank angestrebt hat. „Der Gouverneursposten ist besser bezahlt als der Finanzminister und viel angenehmer“, so die prägnante Jobbeschreibung des ehemaligen Finanzministers. Freilich dürfte Nowotny im neuen Job kaum ein Drittel seines Bawag-Gehalts verdienen.

Rochaden. Im Chefsessel der Notenbank erwartet ihn auch jede Menge Arbeit. Denn nicht nur der Vertrag von Noch-Gouverneur Klaus Liebscher läuft im Sommer kommenden Jahres aus. Auch die Positionen der anderen drei Direktoren werden neu ausgeschrieben. Für alle gilt: Der OeNB-Generalrat bereitet für jeden Posten einen Dreiervorschlag aus allen Bewerbungen für die Bundesregierung vor. Die endgültige Entscheidung trifft der Ministerrat.

Auch Ewald Nowotny wird dieses Prozedere bis zur Angelobung durch Bundespräsident Heinz Fischer durchlaufen. Wolfgang Duchatczek und Peter Zöllner werden sich um eine weitere Amtszeit bewerben. Abgesehen von ihrer unbestrittenen Expertise gilt Duchatczek als ÖVP-nahe, Zöllner wird der SPÖ zugerechnet. Ihre Chancen auf Wiederbestellung stehen gut. Bei Josef Christl eher weniger. Er wurde im Jahr 2002 von Karl-Heinz Grasser in das OeNB-Direktorium gehievt. Allerdings war ein anderer Kandidat vom Generalrat, dem Aufsichtsorgan der Nationalbank, an erster Stelle gereiht gewesen: Ewald Nowotny. Er hatte sich nach Beendigung seiner Tätigkeit als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank ebenfalls für das Direktorium beworben. „Ich schätze Ewald Nowotny, wir beide sind auch gut miteinander bekannt. Ich habe damit also überhaupt kein Problem“, sagt Josef Christl (siehe Interview). Christl gilt innerhalb der OeNB jedoch als isoliert. Dem früheren Kabinettschef von Karl-Heinz Grasser wird intern vorgeworfen, er habe zu Beginn seiner Tätigkeit in der Nationalbank seinem ehemaligen Chef bei verschiedenen Gelegenheiten das Wort geredet. „Das ist in der um Äquidistanz bemühten Notenbank ganz schlecht angekommen“, so ein Notenbanker.

Neben der Koordination des Direktoriums werden Nowotny auch andere Personalfragen beschäftigen. Zum 1. Jänner wechselt der gesamte Bereich der Bankenprüfung von der Finanzmarktaufsicht (FMA) in die Nationalbank. Zuvor hatten beide Institutionen geprüft – oft mehr gegen- als miteinander. Ab 2008 führt die OeNB sowohl die laufende Bankenüberwachung als auch alle Vorortprüfungen und Managementgespräche in Eigenregie – eine Konsequenz aus den Versäumnissen der Aufsicht bei Amis, Bawag und Hypo Alpe-Adria. Damit sollen Doppelgleisigkeiten und das wechselseitige Zuschieben von Verantwortlichkeiten Geschichte sein. „Die Verantwortung ist dann klar verteilt. Wir werden uns sehr bemühen, dass in Zukunft gute Teamarbeit stattfindet“, so Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter. Dafür wird vor allem Ewald Nowotny verantwortlich zeichnen. Ihm soll der Brückenschlag zwischen OeNB und FMA gelingen. Man darf gespannt sein, welches Gegenüber er dann an der Spitze der Finanzmarktaufsicht haben wird. Während der Kontrakt von Kurt Pribil noch bis Oktober 2009 läuft, endet der Vorstandsvertrag des Grasser-Vertrauten Heinrich Traumüller bereits im kommenden Februar. Ohne Chance auf Verlängerung. Seine Position könnte mit Helmut Ettl just jener Mann einnehmen, der zuletzt in der Nationalbank für Bankprüfungen zuständig war.

Derlei Personaldebatten kommentiert Ewald Nowotny nicht: „Ich habe gesagt, dass ich mich bei der Nationalbank bewerben werde. Mehr werden Sie von mir nicht hören.“ Auch öffentliche Ratschläge für die Organisation der Bankprüfung in der Nationalbank vermeidet er. Dabei kennt kaum einer die Systemfehler der alten zweigleisigen Prüfungen besser als er.

Eine lange Vorbereitungszeit wird Nowotny nicht benötigen. Die Nationalbank ist für ihn kein unbekanntes Terrain. Er gehört bereits seit Februar dem Generalrat der Nationalbank an. Zudem kennt Ewald Nowotny zahlreiche OeNB-Mitarbeiter persönlich. Einige studierten gar bei ihm: an der Wirtschaftsuniversität, wo er als Professor unterrichtet.

Von Josef Redl