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Warum nicht national und sozialistisch?

Warum nicht national und sozialistisch?

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Nachdem Jörg Haider und Alfred Gusenbauer ihm Spargel und Bordeaux vorgelegt haben, hat nun auch FPÖ-Obmann Herbert Haupt wissen lassen, dass er sich eine Zusammenarbeit mit der SPÖ „durchaus vorstellen“ kann. Zur Freude der meisten seiner Berater hat Gusenbauer damit mit Schüssel gleichgezogen: Anders als seinen Vorgängern Klima und Vranitzky stehen nun auch ihm endgültig alle Koalitionsvarianten offen. Das findet als taktische Leistung selbst bei der bürgerlichen Presse Anerkennung – wie auch nicht, nachdem sie Schüssel diese „Offenheit nach allen Seiten“ stets gutgeschrieben hat.

Mich interessiert, ob irgendjemand in diesem Zusammenhang schon einmal an die Wähler gedacht hat? Denn die „Offenheit“ aller Parteien für alle Koalitionen vertieft einen absurden Zustand: Der österreichische Wähler kann auch bei den nächsten Wahlen keine Wahl treffen.

Nehmen wir an, er wählt SPÖ, weil er auf eine rote Alleinregierung hofft, eine rot-grüne oder rot-schwarze Koalition in Kauf nimmt, die FPÖ aber unbedingt aus der nächsten Regierung ausschließen will – dann hindert dennoch nichts Alfred Gusenbauer, eine rot-blaue Koalition zu bilden. Nehmen wir an, er wählt ÖVP, weil er sich eine schwarze Alleinregierung wünscht, Schwarz-Blau in Kauf nimmt, Schwarz-Grün für absurd hält und eine Neuauflage der großen Koalition unter allen Umständen verhindern will – dann hindert nichts die ÖVP und Alfred Gusenbauer, diese Koalition dennoch zu bilden. Nehmen wir an, er wählt FPÖ, weil er diese Partei innerhalb einer schwarz-blauen Koalition stärken möchte – dann hindert Herbert Haupt nichts, die Freiheitlichen dennoch mit der SPÖ zusammenzuführen.

Ich überlasse es dem Leser, sich die verschiedensten anderen Konstellationen auszumalen – eines ist ihnen durchwegs gemeinsam: dass der Wähler in keinem Fall wissen kann, ob er durch seine Stimme tatsächlich die Regierung fördert, die er herbeiführen möchte. Genau das aber ist normalerweise der Sinn der Demokratie.

Österreich ist meines Wissens das einzige zivilisierte Land, in dem nicht einmal die so genannte intellektuelle Elite darauf Wert legt, dass die Parteien vor den Wahlen klarstellen, mit wem sie nach den Wahlen koalieren, damit der Wähler überhaupt in die Lage kommt, eine sinnvolle Wahl zu treffen.

Aus dem fernen Spanien kann ich mir erlauben, meinen Vorwurf sogar zu adressieren: Wie können kritische Journalisten es seit Jahrzehnten vertreten, den Parteichefs diese entscheidende Klarstellung nicht mit aller Energie abzuverlangen, sondern im Gegenteil ihrem „taktischen Geschick“ zu applaudieren, wenn sie diese Klarstellung verweigern?

Stellen wir uns also, da wir uns alle Koalitionen „durchaus vorstellen“ können müssen, einmal die Koalition zwischen Gusenbauers SPÖ und Haiders FPÖ vor.

Natürlich ist sie machbar. Bei der FPÖ hat ihr „Programm“ noch nie eine Rolle gespielt (und es steht auch nichts Furchtbares drin). Das Furchtbare sind die Emotionen, von denen diese Partei seit Haider lebt. Dass sie „national“ ist, bedeutet im Wesentlichen, dass sie fremdenfeindlich ist, und hat u. a. zur praktischen Folge, dass sie die Ängste vor der Osterweiterung schürt, statt das größere Europa als Chance zu begreifen.

In solchen Zusammenhängen ist sie der SPÖ im Zweifel näher als der ÖVP: Es ist kein Zufall, dass deren Innenminister Zuwanderungsgesetze beschlossen haben, wie sie Haider kaum restriktiver entworfen hätte; und die Skepsis gegen die Osterweiterung ist im ÖGB jedenfalls ungleich ausgeprägter als in der Bundeswirtschaftskammer.

Jedenfalls wage ich in dieser Hinsicht für eine rot-blaue Regierung die Vorhersage, dass „Linke“ dem schwarzen Innenminister Strasser noch einmal nachweinten. In der Wirtschaftspolitik hätten sie mehr Freude mit Rot-Blau: Haider hegt wie sie kräftige Antipathien gegen das „internationale Kapital“ oder die „multinationalen Konzerne“ und sieht sich mindestens so sehr als Vertreter des „kleinen Mannes“.

In Summe: Ich glaube nicht, dass die SPÖ in einer Koalition mit der FPÖ auf unüberbrückbare sachliche Differenzen stieße. Soweit freilich Emotionen das politische Klima bestimmen, glaube ich nicht, dass diese rot-blaue Regierung nur ein Jota sympathischer wäre als die amtierende schwarz-blaue. Nur, dass die FPÖ vier weitere Jahre die Möglichkeit erhielte, „ihre“ Leute in Schlüsselstellungen des Staates zu hieven. Das aber sind nach wie vor entweder „Politiker“ vom Schlage eines Ewald Stadler oder eines John Gudenus, die ständig am Rande der Verbotsgesetze spazieren gehen – oder aber Menschen, die so apolitisch sind, dass sie dieser braune Rand in keiner Weise stört.

Beide Kategorien scheinen mir gleichermaßen ungeeignet, als Staatsanwälte, Offiziere oder Sektionschefs auf Jahrzehnte hinaus wesentlichen Einfluss auf Österreich auszuüben.

Die Beteiligung der FPÖ an der Regierung war ein einziges Mal – im Jahr 2000 – berechtigt, um der Bevölkerung vorzuführen, wie unmöglich Haider und wie unfähig seine Mannschaft ist. Ihre zweite Regierungsbeteiligung im heurigen Jahr war und ist eine überflüssige Schädigung der politischen Infrastruktur des Landes. Ihre dritte Regierungsbeteiligung durch Alfred Gusenbauer wäre unverzeihlich.