gastkommentar Othmar Pruckner

Was ist hier bitte gerecht?

Was ist hier bitte gerecht?

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Man darf davon ausgehen, dass die Sache mit der Erbschaftssteuer ausgestanden ist. Die große Koalition wird sie begraben, die vom Verfassungsgerichtshof gesetzte Frist bis zum 1. Juli 2008 ungenutzt verstreichen lassen.

Erstaunlich, wie souverän die Volkspartei wieder einmal die Themenführerschaft an sich gerissen hat, die Festlegungen sind unumkehrbar: Der Vizekanzler und Finanzminister schließt eine Neuregelung zulasten der Bürgerinnen und Bürger aus, der Wirtschaftsminister jubelt, der ÖVP-Budgetsprecher ist begeistert, Wirtschaftskammer, Bauernbund, ja selbst ÖAAB klatschen frenetisch Beifall. Die Sozialdemokraten hingegen bieten gerade einmal einen Staatssekretär und den Bundesgeschäftsführer als halblaute Zwischenrufer auf, Arbeiterkammer und Gewerkschaft sekundieren ihren politischen Speerspitzen mit denkbar wenig Kraft. Wer’s noch nicht glaubt, dem sei es hiermit gesagt: Die Erbschaftssteuer ist politisch tot, mit ihr die Schenkungssteuer. Über die Grundsteuer wird bereits nachgedacht, und die SPÖ kommt vor lauter Umfallen mit dem Aufstehen gar nicht mehr nach. Die Partei der kleinen Leute lässt sich in dieser Causa von der ÖVP klassisch vorführen; wir kriegen soeben den endgültigen Beweis serviert, dass diese Regierung konservative und nicht sozialdemokratische Politik praktiziert.

Manche mag es noch wundern, dass sich ausgerechnet der Finanzminister über den Wegfall von Steuereinnahmen diebisch freut, doch die Hintergründe für Molterers Begeisterung sind unschwer zu verstehen: Er ist ja im Nebenberuf ÖVP-Obmann, muss am 21. April seinen ersten Parteitag absolvieren und klassische Klientelpolitik machen. Der Machtpolitiker Molterer wäre schlecht beraten, würde er seine Bauern- und Wirtschaftsbündler vergraulen und eine „Reparatur“ des Gesetzes ankündigen – die, folgt man den Verfassungsrichtern, zwangsläufig auf eine Erhöhung der Einheitswerte und damit auf eine Erhöhung der Grundsteuer hinausliefe.

Vielleicht, so kann man spekulieren, wäre mit der ÖVP zu reden gewesen – doch: Der niederösterreichische Landeshauptmann muss 2008 eine absolute Mehrheit im Land verteidigen. Was Erwin „Blackpower“ Pröll da am allerwenigsten braucht, ist eine angeregte Diskussion über Erbschafts- und Grundsteuer, schließlich sind seine Stammwähler vorwiegend Bauern und Eigenheimbesitzer. Clever genug vermarktet die ÖVP das Verschwinden der Erbabgabe längst als Entlastung des breiten Mittelstands. Das erweist sich bei genauerem Hinsehen zwar als falsch, doch die Partei von Alfred Gusenbauer ist einfach nicht imstande, dieser Dampfwalzenrhetorik schlagende Argumente entgegenzusetzen. Der Kanzler höchstpersönlich schweigt sich zu diesem symbolgeladenen Thema aus – aus seiner Sicht verständlich: Zu holen gibt es außer weiterem Gesichtsverlust absolut nichts mehr.

Kleiner Einschub: Die Sache mit der Erbschaftssteuer ist wohl auch deswegen gegessen, weil die meisten Medien der Abschaffung eher wohlwollend gegenüberstehen; die Botschaft „Steuer endgültig abgeschafft“ lässt sich besser verkaufen als die Aufforderung: „Repariert gefälligst die Erbschaftssteuer.“ Außerdem sind Journalisten auch nur Menschen, die von einem möglichen Erbe möglichst wenig abgeben wollen – das aber bitte nur „off records“ gesagt.

Bleibt also noch die Frage zu klären, was überhaupt für diese klein geredete „Bagatellsteuer“ spräche. Eine Antwort lautet: Erbschafts- und Schenkungssteuern bringen derzeit 140 Millionen Euro pro Jahr. Das ist nicht nichts, und einem defizitären Budget tut jeder zusätzliche Euro gut. Mehr Einnahmen bringen mehr Budgetspielraum für Pflege oder für Bildung. Warum dieses Faktum dermaßen bagatellisiert wird, ist unklar.
Eine andere Antwort lautet: Die mit der potenziellen Reparatur zwingend einhergehende Anhebung der Grundsteuer käme gar nicht dem Finanzminister, sondern den kleinen und mittleren Gemeinden zugute. Die könnten mit dem bitter benötigten Geld beispielsweise neue Kindergärtnerinnen anstellen, was wiederum den Bewohnern und Bewohnerinnen dieser Gemeinden zugute käme. Doch die Bürgermeister sparen und fürchten sich lieber zu Tode als solch komplizierte Überlegungen anzustellen.

Noch eine Antwort: Durch die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuern tendiert die Vermögensbesteuerung in Österreich insgesamt gegen null. Das widerspricht, so argumentiert der Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer, nicht nur dem europäischen Standard, sondern auch „dem Leistungsfähigkeitsprinzip der Besteuerung“. Ganz plakativ: Während die wahren Leistungsträger, die Lohn- und Einkommensteuerzahler, ausgequetscht werden bis zum Gehtnichtmehr, während der Spitzensteuersatz bei fünfzig Prozent liegt und keine Anstalten macht, nach unten zu rutschen, werden die Leistungsnehmer, die Erben, vorgeblich aus Gründen der Gerechtigkeit, nun steuerfrei gestellt. Nur um es klarzustellen: Niemand will hier Klassenkampf. Aber es ist wirklich nicht zu verstehen, dass genau jene Bürger über Gebühr geschont werden, die dank ihres Vermögens locker einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaats leisten könnten. Marterbauer rechnet vor: „Während Spitzenverdiener auf Arbeitsleistung einen Grenzsteuersatz von fünfzig Prozent zu entrichten haben, beträgt dieser bei Zins- und Dividendeneinkommen nur 25 Prozent.“ Wirklich gerecht ist das ziemlich sicher nicht – aber offenbar politisch gewollt.