Wenn der Betriebsrat kräftig mitregiert

Wenn der Betriebsrat kräftig mitregiert: Die Gemeinsamkeit von Nemsic, Wais und Co.

Die Gemeinsamkeit von Nemsic, Wais und Co.

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Von Josef Redl

Boris Nemsic weiß jetzt schon, was er an seinem künftigen Arbeitgeber, dem russischen Mobilfunkanbieter VimpelCom, hat: „Bei VimpelCom gibt es keine Beamten. Aber die Arbeitnehmerrechte sind auch in Russland sehr ausgeprägt. Und das ist gut so.“ Die Probleme mit überzähligen Beamten bei der Telekom muss nun Nemsic-Nachfolger Hannes Ametsreiter lösen. Wenn ihn Belegschaftsvertreter und Gewerkschaft denn lassen.

Mit AUA, Telekom Austria und Post haben innerhalb weniger Wochen drei der größten österreichischen Unternehmen ihre Vorstandschefs verloren. So unterschiedlich die Ursachen sein mögen – Ötsch war unbequem geworden, Nemsic hat ein lukratives Angebot, Wais ist schwer krank –, so ist allen Fällen eines gemein: Die drei Unternehmen sind zwar börsennotiert, stehen aber nach wie vor im Einflussbereich der Verstaatlichtenholding ÖIAG – und sie werden augenscheinlich von Belegschaftsvertretern und Gewerkschaftsfunktionären mitregiert.

Boris Nemsic gehörte eigentlich schon zum festen Inventar der österreichischen Wirtschaft. Bis zur vergangenen Woche. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Am Sonntag vergangener Woche enthüllte profil vorab die Rücktrittspläne des Kroaten. Am Montag folgte die offizielle Bestätigung. Bereits am Donnerstag traf der Telekom-Aufsichtsrat die Entscheidung über seine Nachfolge. Der Spuk war vorbei, ehe er so recht begonnen hatte.

Dabei hatte es durchaus unterschiedliche Interessenlagen gegeben. Der einflussreiche Telekom-Betriebsratschef Michael Kolek wollte durchaus ein Wörtchen bei der Neubesetzung mitreden. Noch am Tag vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung versuchte er, etwas Zeit zu gewinnen. „Spitzenleute gewinnt man nicht über Nacht. Eine Hau-ruck-Aktion spielt nur Boris Nemsic und damit einem künftigen Konkurrenten der Telekom Austria in die Hände“, ließ er der ÖIAG via Presseaussendung ausrichten.

Dem gewerkschaftlichen Machtblock innerhalb des teilverstaatlichten Telekom-Konzerns mangelte es aber nicht nur an Zeit, sondern auch an einem ­geeigneten Kandidaten. Manager Gernot Schieszler, dem an sich ein Naheverhältnis zur Be­legschaftsvertretung nachgesagt wird, hatte sich mit Äußerungen zum beabsichtigten Rauswurf von Beamten ins Abseits gestellt. Schieszler musste die Personal­agenden an den neuen Telekom-Chef Hannes Ametsreiter abgeben und hat jede Chance auf höhere Weihen verspielt. In der Frage um die Nemsic-Nachfolge nutzten schließlich auch heftige Interventionsversuche des Betriebsratsbüros beim Kabinett Faymann nichts. Ametsreiter wurde per 1. April als Konzernchef bestellt. Immerhin gelang ein „Teilerfolg“. Für den Festnetzbereich wurde vorerst kein neuer Vorstand bestellt. „Die Gewerkschaft hätte dort gerne einen lenkbaren Vorstand installiert“, so ein Telekom-Manager. Dabei dürfte es sich offenbar nicht um Josef Vinatzer, den in Vorstandskreisen favorisierten Chef der bulgarischen ­Telekom-Tochter Mobiltel, handeln.

„Man hat versucht, gegen Josef Vinatzer eine Schmutzkübelkampagne zu führen“, sagt der scheidende Telekom-Chef Boris Nemsic. Erfolgreich, die Agenden bleiben zunächst bei Ametsreiter. Die Festnetzsparte ist mit sinkenden Erträgen und einer ­hohen Zahl von pragmatisierten Beamten das Sorgenkind des ­Konzerns.

Die von der Verstaatlichtenholding ÖIAG gemeinsam mit Vertretern von Telekom und Post entwickelten Pläne, überzählige Beamte in eine eigene Agentur auszulagern, scheitern bislang an den Drohungen der Betriebsräte. Mit dem Ballast von jeweils rund 2000 Beamten, für die kein Job im Konzern zu finden ist, wird allerdings keiner der beiden Konzerne über kurz oder lang auf einem liberalisierten Markt bestehen können. Auch bei der ebenfalls an der Wiener Börse notierten Post AG steht der Vorstand unter Dauerbeschuss durch die Belegschaftsvertreter.

Post-Chef Anton Wais, der Mitte vergangener Woche aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste, hat in den vergangenen Jahren so manchen Strauß mit dem Gewerkschafter und Post-Betriebsratsvorsitzenden Gerhard Fritz ausgefochten. Kaum jemand ist so schnell mit einem Streikbeschluss bei der Hand wie Fritz – seien es Postämterschließungen, Lohnverhandlungen oder Börsengang. Erst Mitte Dezember machte Fritz Ernst und ließ bundesweit Warnstreiks in 80 Postämtern gegen die Sparpläne der Konzernführung organisieren. Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit, wenn das Postaufkommen doppelt so hoch ist wie sonst. Die Wirkung des Streiks: Anton Wais musste seine ehrgeizigen Rationalisierungsmaßnahmen zurücknehmen. Dabei geht es nicht nur um die Schließung von Postämtern, sondern um die gesamte Konzern-Langzeitplanung. Statt eines bis ins Jahr 2015 durchkalkulierten Modells müssen Rationalisierungsmaßnahmen – also Golden Handshakes, Kündigungen wird es bei der Post ohnehin nicht geben – nun jedes Jahr aufs Neue mit den Betriebsräten verhandelt werden. Dabei wäre gerade jetzt eine längerfristige Strategie vonnöten.

2011, also in knapp zwei Jahren schon, fällt das Monopol für Briefe bis 50 Gramm. Damit wird die Post vor allem in Ballungsräumen die harte Konkurrenz privater Anbieter zu spüren bekommen. Die Liberalisierung des Postmarktes wird Gerhard Fritz allerdings nicht mit einer Streikdrohung vom Tisch wischen können. Und die bange Frage ist, ob die Post dann darauf vorbereitet sein wird – mit 15.000 pragmatisierten Beamten in einer Branche ohne Kollektivvertrag für Zusteller. Zu allen Unwägbarkeiten kommt nun auch eine Personaldebatte. Die Nachfolge von Anton Wais übernimmt interimistisch Finanzvorstand Rudolf Jettmar. Die Position wird allerdings demnächst ausgeschrieben.

Von einer Marktliberalisierung 2011 kann die AUA-Belegschaft nur träumen. Die Fluglinie stand trotz einer im Vorjahr eilig durchgepeitschten Privatisierung zu Jahreswechsel knapp vor der Zahlungsunfähigkeit. Wenn die EU-Behörden sich mit der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der AUA-Übernahme durch die Lufthansa zu lange Zeit lassen, droht im Sommer die Insolvenz. Wie ernst es um die AUA steht, wollten nicht nur Politiker jedweder Couleur lange Zeit nicht wahrhaben. Die Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte führen im Unternehmen seit Jahren eine Art Guerillakrieg gegen das Management. Unzählige Male forderte Betriebsrat Alfred Junghans den Kopf von Ötsch. Dieser war mit seiner unbedarften Aussage von der sanierten AUA, dem Beinahe-Investor Al Jaber und dem ständigen Zurschaustellen der eigenen empfundenen Überlegenheit ein leichtes Opfer im internen Grabenkampf. Einem angezählten Vorstandschef macht ein Betriebsrat keine Zugeständnisse. Doch auch das Ende Jänner vom verbliebenen Vorstandsduo Andreas Bierwirth und Peter Malanik präsentierte Krisenpaket wurde in einer ersten Reaktion als „Wunschkonzert“ abgeschmettert. Man wolle erst einmal abwarten, bis Konzepte auf dem Tisch liegen.

Das Spiel auf Zeit scheint sich fortzusetzen: Bis heute gibt es keine Einigung mit der AUA-­Belegschaft über Kurzarbeit und Gehaltsverzicht.