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Wenn Drachen töten

Wenn Drachen töten

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Und jetzt ist der Drache also getötet? Jenes Tier, das der Kommentator eines Wochenmagazins – mit einem heftigen Seitenhieb auf profil – unlängst so tief im Blut schwimmen sah, dass er den Drachentöter deshalb zum nächsten EU-Präsidenten machen wollte. Ist der Lindwurm verendet, wie der Chefredakteur einer österreichischen Qualitätszeitung seit vier Jahren beschwört – um damit zu erklären, warum Wolfgang Schüssel einen Pakt am rechtesten Rand des politischen Lebens schließen musste?
Hat sich der Kampf ausgezahlt?
Wohl eher nicht. Der Drache hat getötet.

Die Landtagswahlen in Kärnten und in Salzburg sind von den eigenwilligen Persönlichkeiten der Spitzenkandidaten entschieden worden. Politische Inhalte haben da eine Rolle gespielt, die den Slogans „Ein Land zum Leben“, „Eine von uns“ oder „An Bessern kriag ma nimmer“ angemessen war.
Zum Eigenwilligsein gehörte vor allem Siegeswillen. Den hatte Gabi Burgstaller über alle Maßen, während Franz Schausberger so wenig davon finden konnte, dass er einen ebenfalls nicht wahnsinnig kämpferischen Nachfolger als Beiwagen fixierte. Und den Siegeswillen verkörperte natürlich der über Jahrzehnte beste Wahlkämpfer Österreichs, Jörg Haider, der aus den Serienniederlagen und Demütigungen eher noch Kraft geschöpft hatte.

Was war da noch an persönlichen Merkmalen? Haider wie Burgstaller haben die Volksnähe erfunden, ihre Gegner das Gegenteil. Burgstaller ist als Frau auffällig, ohne eines der entsprechenden Klischees zu bedienen. Haider ist als Mann auffällig, weil er alle Klischees zwischen Saufbruder und aspirierendem Metrosexuellen bedient. Intelligent sind beide.
Bundespolitik? Hatte wenig Bedeutung und wurde von den Personen überlagert. Andernfalls hätte Haider seine Verantwortung für das Chaos in der FPÖ und für die Politik der Bundesregierung nicht so leichtfüßig hinter sich gelassen.
Die Parallelen zwischen den beiden Landtagswahlen entsprechen wiederum dem Großteil aller Wahlentscheidungen, die in Erinnerung sind. Fast immer gewann die auf den ersten Blick größere Persönlichkeit. Kreisky siegte unter anderem über Klaus und Taus, Vranitzky gegen Mock, Riegler sowie Schüssel. Klima und Schüssel verloren gemeinsam gegen Haider (der schon vorher vielen zugesetzt hatte), Gusenbauer und Haupt dann gegen Schüssel. Die Häupls, Prölls, Klasnics sind unschlagbar. (Dass Erich Haider in Oberösterreich zum ewigen Helden der Sozialdemokratie werden konnte, ist eine Skurrilität der Geschichte.) Die Liste lässt sich mit internationalen Beispielen von Blair bis Schwarzenegger fortführen.
Erst die Abnutzung scheint Persönlichkeiten besiegbar zu machen, und abgenutzt ist ein Jörg Haider nicht, wie an dieser Stelle wieder und wieder geschrieben worden ist.

Der Bundeskanzler steht nun vor groben Problemen. Er wird zunächst einmal dafür sorgen müssen, dass Haider zum Landeshauptmann gewählt wird. Angesichts des Debakels seiner Landesorganisation erübrigen sich gegenteilige Festlegungen, und die SPÖ wird nicht dagegenhalten können.
Was dann kommt (abgesehen von einer Bundespräsidentenwahl mit viel Siegeswillen auf der einen und viel Persönlichkeit auf der anderen Seite), will sich Schüssel wahrscheinlich nicht vorstellen, da er es bereits für erledigt erachtet hatte. Haider wird ganz der Alte sein: ein begnadeter und machtvoller Quälgeist, der in einem permanenten Dialog Regierung und Opposition gleichzeitig gibt. Damit stört Haider die ohnehin von Partikularinteressen zerfressene Reformarbeit der Bundesregierung. Er gefährdet aber auch den so genannten Kanzlerbonus, weil er Schüssels Führungsqualitäten als zerbrechliche Eigenschaften enttarnt. Das mag der FPÖ helfen oder, etwas unverdient, der Sozialdemokratie.

Der grundlegenden politischen Frage, die sich dem Kanzler nun einmal mehr turmhoch in den Weg stellt, wird er einmal mehr aus dem Weg gehen: der Frage, unter welchen Umständen man mit Politikern in eine Koalition geht, die der eigene Parteiideologe eben noch als „außerhalb des Verfassungsbogens“ befindlich geortet hatte. Bislang war die Antwort darauf, dass der moralische Schaden, den das Land nimmt, durch zweierlei aufgewogen werde: durch die Reformarbeit der Regierung einerseits – und andererseits durch den finalen Schaden, der Jörg Haider mit der Einbindung zugefügt werden kann. Argument zwei hat sich am 7. März erübrigt.

Wer Drachen umarmt, wird getötet.