Wiener Werbung: Sprücheklopfer

Werbung: Sprücheklopfer

Die Kultslogans von Dirnberger de Felice

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Peter Dirnberger trotzte – wie ein Bub, dem man sein liebstes Spielzeug genommen hatte. Irgendwie war das ja auch passiert. „An so einer Marke“, sagte er damals, „hängt schon einiges Herzblut.“

Im Herbst 2001 hat der deutsche Mobilfunkbetreiber T-Mobile seiner Österreich-Tochter max.mobil einen neuen Marktauftritt verordnet und damit eine der damals bekanntesten Marken des Landes ausgelöscht. In den fünf Jahren zuvor hatte Dirnberger als Kreativdirektor für die Agentur Lowe GGK max.mobil zu einem Bekanntheitsgrad von fast 98 Prozent verholfen, Slogans wie „Was wär’ ein Handy ohne max?“ kreiert und mit dem Werbejingle „Oua, Oua“ sogar Platz eins in der Ö3-Hitparade geschafft. Dennoch musste „max“ nun „T-Mobile“ weichen. Dirnberger: „Das tat natürlich weh.“

Dem Frust folgte der Abschied. Dirnberger kündigte bei Lowe GGK, holte sich die ehemalige max.mobil-Werbeleiterin Sabine Grüber und Marco de Felice, damals Kreativdirektor der frisch fusionierten Agentur Bárci & Partner/Young & Rubicam, und gründete Ende 2002 die Werbeagentur Dirnberger de Felice (D-DF).

Zwei Jahre später gehören die drei zu den gefragtesten Werbern des Landes. Slogans wie „Weg mit dem Speck“ und „Servus die Wadln“ genießen inzwischen Kultstatus und haben D-DF eine Reihe namhafter Preise eingebracht.

Der erste Schritt in die Selbstständigkeit war – für eine junge Agentur eher ungewöhnlich – sozusagen ein Katzensprung. Die Farbe an den Wänden im neuen Agentursitz im siebten Wiener Gemeindebezirk war kaum getrocknet, da stand schon der erste Kunde auf der Matte: der damals kleinste österreichische Handynetzbetreiber tele.ring. Es war ein Treffen alter Bekannter: Ein Großteil der tele.ring-Marketingabteilung hatte kurz zuvor von T-Mobile zu tele.ring gewechselt. „Wenn man Neukunden für aggressive Kampagnen gewinnen will, braucht man meist ein Jahr, um das nötige Vertrauen aufzubauen“, meint eine Insiderin. „Das Problem gab es hier nicht.“ tele.ring-Geschäftsführer Michael Krammer, selbst ehemaliger max-Manager, hatte bereits beschlossen, das Match über den Preis auszutragen und den – damals noch einzigen – „1-Cent-Tarif“ geschaffen. Was fehlte, war die knackige werbliche Umsetzung. Dirnberger: „Wir sollten darstellen, dass der tele.ring-Kunde nur zahlt, was er wirklich braucht. Alles andere ist Ballast.“ Es war die Geburtsstunde der drei kleinen Dicken in den knalligen Kostümen. Dirnberger: „Erst als diese schon fix waren, fanden wir den richtigen Spruch dazu: ,Weg mit dem Speck‘.“

Eine Kampagne, die seither einige Auszeichnungen einheimste, im Vorjahr etwa den renommierten österreichischen Werbepreis „Effie“ in Platin. Eine Kampagne aber auch, die immer wieder Anlass zu heftigen Debatten über Geschmack in der Werbung bot. Kritik kommt etwa von Medienethiker Matthias Karmasin: „Dass in der Kampagne ständig dicke Menschen herabgewürdigt werden und einige Zeit sogar die Mitbewerber im Käfig eingesperrt wurden, ist sicher problematisch.“ Zumal die Männchen anfänglich auch noch die Farben Silber, Blau und Magenta trugen und damit unmissverständlich den Mitbewerbern Mobilkom, T-Mobile und One zuzuordnen waren. Zweimal mussten die Speckmänner auf Druck der Konkurrenz die Kostümfarbe wechseln. Mobilkom-Sprecherin Elisabeth Mattes sieht in der Kampagne aber deutlich mehr als einen ironischen Untergriff: „Wenn Dickleibige attackiert und Bilder geschaffen werden, die ausgerechnet in Zeiten der Irak-Folterberichte Gefängnisszenen darstellen, ist das auch moralisch verwerflich.“

Selbstläufer. Verwerflich vielleicht, erfolgreich allemal. Nach einer Umfrage des Instituts Research International zum Bekanntheitsgrad von Handynetz-Werbungen erhielt tele.ring laut Manager Krammer die mit Abstand besten Werte: 35 Prozent der Befragten nannten die Speck-Kampagne demnach als erste, die Mitbewerber mussten sich mit einem Anteil von jeweils acht bis 14 Prozent begnügen. Robert Nowak, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Focus Group: „Der wirtschaftliche Erfolg von tele.ring ist sehr stark auf die neue Kampagne zurückzuführen.“ Darüber hinaus ist der Slogan längst in den Sprachgebrauch übergegangen: Sogar der Finanzminister griff in seiner Budgetrede im Mai 2003 darauf zurück.

Dirnberger: „Es war von Beginn an unser Bestreben, uns bedingungslos auf die Suche nach etwas zu machen, das nicht nur am Plakat oder im TV-Spot bleibt, sondern zum Selbstläufer wird.“ Dieser Effekt trat nicht zuletzt deshalb ein, weil tele.ring mehr für Werbung ausgibt als jeder andere Mobilfunkbetreiber im Lande: 20 Millionen Euro im Jahr. Und wäre die Tarifstruktur von tele.ring nicht so einfach, hätte die Werbung wohl auch kaum funktioniert. So sehen es jedenfalls die Mitbewerber. Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin ergänzt: „Markterfolg und Effizienz rechtfertigen noch lange keine Tabubrüche.“

Hans-Jörgen Manstein, Gründer des gleichnamigen Fachverlags („Horizont“, „Bestseller“, „Cash“), nennt Dirnberger einen „Exzentriker, einen von hoher Qualität aber“. Die Zusammenarbeit mit ihm sei immer schwierig gewesen, „weil ihm nichts, auch nicht das, was er selber macht, gut genug ist“. Dirnbergers neue Partner de Felice und Grüber, so Manstein, könnten mit dem Exzentriker aber „ganz gut umgehen“.

Lob und Tadel. Peter Czerny, Partner bei der Agentur CCP, Heye, spricht dem Team um Dirnberger seinen Respekt aus: „Sie haben es geschafft, Konzepte zu kreieren, die weder Kunden noch Auftraggeber überfordern.“ tele.ring habe sich deshalb zu Recht so rasch etablieren können. Die Qualität der jüngsten D-DF-Kampagnen beurteilt Czerny jedoch skeptisch: „Das sind eigentlich nur noch Klone der ersten Kampagne, eher oberflächlich und sehr einfach gestrickt.“

Ihren Erfolg schmälert das allerdings kaum. Der für den Sportartikelhändler Intersport geschaffene Spruch „Servus die Wadln“ entwickelte innerhalb weniger Monate ebenfalls eine beachtliche Eigendynamik. Die Kampagne läuft seit einem halben Jahr, der Slogan ist mittlerweile ein geflügeltes Wort. In Bayern sei sogar ein „Servus die Wadln“-Fanklub gegründet worden, erzählt Dirnberger nicht ohne Stolz, „obwohl die Werbung dort gar nicht läuft“.

Partner de Felice: „Wir wollten etwas schaffen, das stärker ist als der Hervis-Werbeträger Armin Assinger.“ Bei einem Brainstorming, zu dem wie immer nicht nur die Kreativprofis, sondern das ganze Team bis hin zur Telefonistin beigezogen wurde, sei plötzlich ein Satz da gewesen: „Servus die Wadln“. Dirnberger: „Bei uns werden solche Albernheiten aber nicht gleich wieder vom Tisch gefegt wie in anderen Agenturen.“

Ganz so leicht zu verkaufen war die Kampagne dem Intersport-Management aber nicht, wie sich Marco de Felice erinnert: „Die haben bei der Präsentation zuerst geglaubt, wir wollen sie auf den Arm nehmen.“

„Wir haben selbst nicht erwartet, dass sich das so sensationell entwickelt“, erzählt Intersport-Marketingleiter Alfred Kapfer. Alois Grill von der Agentur LZS/ Grill/Thompson: „Man muss den Leuten von D-DF neidlos zugestehen, dass sie wirklich gut darin sind, populäre Werbung im besten Sinn zu machen. Und noch dazu eine typisch österreichische.“

Weitere Kunden sollen folgen: Für den Privatsender ATVplus hat die Agentur den kleinen schwarzen Hund als Maskottchen kreiert; für die Drogeriekette Bipa schickten sie Liebesgott Amor als Werbebotschafter ins Rennen; für die Handelskette Merkur ersannen die Werber die Tiefpreislatte, unter der Produkte Limbo tanzen müssen; und für den ET Multimedia Verlag begleiteten sie die Umstellung des Lifestyle-Magazins „miss“ auf Kleinformat mit der schlüpfrigen Anspielung „Ehrliche 22 Zentimeter“.

Mit ihrer sehr plakativen, populistischen Linie setzt sich Dirnberger de Felice deutlich vom allgemeinen Trend zu subtilerer, eleganterer Werbung ab. Dass sich die Erfolgsstory beliebig fortschreiben lässt, wird in der Branche jedoch bezweifelt. Ein Konkurrent: „Ich bin überzeugt, dass sich dieser Schmäh zunehmend abnützt. Das hat alles ein Ablaufdatum.“