Trübe ­Stimmung

Forschung. Nebel und Kälte machen angeblich krank und traurig. Aber stimmt das überhaupt? Was sagt die Wissenschaft?

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Gerade in den vergangenen Tagen konnte man mit einer Seasonal Affective Disorder (SAD), einer pathologischen saisonbedingten Gemütstrübung, richtig Eindruck und ordentlich Mitleid schinden – obwohl es sich möglicherweise um Phantomkrankheit handelt. Zumindest legen das die Forschungsergebnisse des belgischen Psychologen Jaap Denissen nahe, der in einer Studie an der Uni Leuven – „Come Rain Or Come Shine: Individual Differences on How Weather Affects Mood“, Emotion 2011 – eindeutig nachweisen konnte, dass Stimmung nicht Wetter-, sondern Charaktersache ist. Unterschiedliche Versuchspersonen reagierten auch unterschiedlich auf verschiedene Witterungsverhältnisse. Insgesamt beschrieb Denissen vier Haupttypen der Wetterbetroffenheit – Sommer-Liebhaber, Sommer-Hasser, Regen-Hasser und Wetterunempfindliche –, die zum Teil auch familiär weitervererbt werden.

Sehr viel allgemeiner gilt dagegen: Schlechtes Wetter hat auch seine Vorteile, zumindest wenn man gern viel arbeitet oder lernt. Ein australisches Forscherteam unter der Leitung des Psychologen Joseph Forgas konnte im Jahr 2009 – „Can Bad Weather Improve Your Memory? An unobtrusive field study of natural mood effects on real-life memory“, Journal of Experimental Social Psychology 2009 – zeigen, dass trübes, regnerisches Wetter die Leistung des Kurzzeitgedächtnisses signifikant steigert. Die Forscher vermuten einen Zusammenhang mit einer erhöhten kritischen Aufmerksamkeit bei widriger Witterung. Gutes Wetter dagegen lenkt ab und macht unkonzentriert. Ein ähnliches Ergebnis erzielte Francesca Gino von der Harvard Business School – „Rain­makers: Why Bad Weather Means Good Productivity“, Harvard Business School 2012 –, die sowohl im Feld- als auch im Laborversuch deutliche Produktivitätssteigerungen bei Schlechtwetter messen konnte.

Ganz stimmungsunabhängig gilt aber auch: Lange Winter können Herzen brechen. Eine brasilianische Studie, bei der Gesundheitsdaten von 227.000 Patienten ausgewertet wurden – „Seasonal Variation of Lipid Profile and Prevalence of Dydlipidemia“, ­Journal of the American College of Cardiology, 2013 – zeigte eine deutliche Erhöhung des (bösen) LDL-Cholesterinspiegels im Winter, bei gleichzeitigem Absinken des (guten) HDL-Cholesterins. Studienleiter Filipe Moura vermutet als Ursache saisonal bedingte Lebensstiländerungen (fetteres Essen, weniger Bewegung) sowie einen Zusammenhang mit dem sonnenmangelbedingten Vitamin-D-Defizit.
Weil Gesundheit vor Arbeit geht, spricht rein wissenschaftlich also alles für einen baldigen Frühling.