Wettlauf um die grüne Technik

Wettlauf um die grüne Technik: Der Kampf um die Vorherrschaft am Milliardenmarkt

Die Vorherrschaft am Milliardenmarkt

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Robert Buchacher und Sophie Menasse

Das Wirtschaftsmagazin „trend“ ruft die „Autorevolution“ aus: „Früher als erwartet wird das Elektroauto die Ballungsräume erobern“, heißt es in der aktuellen Titelgeschichte. „Auch Österreich schwimmt schon mit dem Strom.“ Elektroautos seien nicht länger ein Fortbewegungsmittel für ein kleines Grüppchen überzeugter Umweltschützer, sondern stünden „nun vor dem Sprung auf den Massenmarkt“. Denn fast alle großen Autohersteller wollen schon im kommenden Jahr Elektroautos auf den Markt bringen.

Warum auf einmal? Jahrzehntelang hat sich für das Thema E-Auto kaum einer der Konzernbosse interessiert. Grünbewegte rechneten vor, wie viele Arbeitsplätze durch die „Energiewende“ geschaffen werden könnten, doch keiner der Entscheidungsträger und Wirtschaftskapitäne wollte sie hören. Selbst Wissenschafter argumentierten, Wind- und Solarenergie oder Elektroautos seien wenig effizient, viel zu teuer und daher gegenüber herkömmlichen fossilen Energieträgern nicht konkurrenzfähig. Deshalb werde man weiterhin auf einen „Energiemix“ und mehr Energieeffizienz setzen müssen.

Doch nun ist alles anders. Die Welt tritt in ein neues Zeitalter. Erst kürzlich berichtete das „Time“-Magazin, China, Japan und Südkorea wollten gemeinsam die Forschung im Bereich grüne Technologien vorantreiben, um so den USA und Europa Konkurrenz zu machen. Ein regelrechter Wettlauf um die grüne Technik bahne sich an.

Gas-Schock. Prompt suchen die USA eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China, weil das Reich der Mitte als billige Produktionsstätte von großem Interesse ist. Europa, bisher führend im Bereich Umwelttechnologie und grüne Technik, muss zusehen, dass es bei dem Wettlauf nicht ins Hintertreffen gerät – und strebt nun ebenfalls nach intensiveren Wirtschaftsbeziehungen mit China.

Öl-, Gas- und Wirtschaftskrise beschleunigen die Wende. Extrem hohe Ölpreise machten die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern schmerzlich spürbar, die Verwundbarkeit der Versorgungsströme wurde im vergangenen Winter mit dem plötzlichen Ausbleiben des russischen Erdgases auch den Österreichern schlagartig bewusst. Und die schlimmste Weltwirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren wirft ernsthaft die Frage auf, ob die Art, wie wir bisher gewirtschaftet haben, wirklich das Nonplusultra ist.

„Das kurzfristige, auf schnellen Profit setzende Konzept ist nicht nachhaltig“, erklärt die Wiener Wirtschaftswissenschafterin Agnes Streissler. „Wirtschaft und Umwelt werden jetzt als das neue Hoffnungsfeld gesehen.“ Stärkster Motor für die Wende ist aber nicht allein der Umweltschutz, sondern die Aussicht auf neue Arbeitsplätze und neues Wirtschaftswachstum. Laut Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) stieg die Zahl der im Bereich Umwelttechnik tätigen österreichischen Unternehmen im Zeitraum 1993 bis 2007 von 248 auf 357. Die Zahl der Beschäftigten hat sich im gleichen Zeitraum von 11.000 auf 22.000 verdoppelt, das Umsatzvolumen vervierfacht. Allein diese Zahlen aus dem kleinen Österreich deuten an, welches Zukunftspotenzial im Bereich grüne Technik liegt.

Allmählich dämmert Politikern und Managern, dass die Weltwirtschaft einen neuen großen Innovationsschub ähnlich der Internet- und Handytechnologie benötigt, um sich aus der Krise hochzurappeln. Der Klimawandel fungiert dabei als zusätzlicher Ansporn. Und nicht nur dieser: Umweltschutzgedanken bewegen neuerdings auch die Machthaber in China, weil sie merken, dass der bisher geübte gigantische Raubbau an der Umwelt am Ende mehr Kosten verursacht als Vorteile bringen könnte. Im Bereich Treibhausgasausstoß ist China bereits die Nummer eins vor den USA.

Milliardengeschäft. Was aber könnte den Energieverschwender USA dazu bewegen, auf grüne Technik zu setzen? Ganz einfach: ein Milliardengeschäft. Und wenn die Amerikaner auf den grünen Zug aufspringen, ist die Wende perfekt. Vor 40 Jahren schafften die USA nach einer beispiellosen nationalen Kraftanstrengung die Mondlandung. Mehr als 300.000 Wissenschafter schufen innerhalb weniger Jahre nicht nur die technischen Voraussetzungen für das Mondabenteuer, sondern auch die Grundlagen für die heute so erfolgreiche Computer-, Internet- und Handytechnologie. Bis heute zehren die USA von dieser Kraftanstrengung.

Ausgangspunkt war der Sputnik-Schock im Kalten Krieg. Die USA mussten fürchten, technologisch gegenüber den Sowjets ins Hintertreffen zu geraten, mit unabsehbaren Konsequenzen für ihre macht- und wirtschaftspolitische Stellung in der Welt. Nicht umsonst erinnern sich die Amerikaner heute an die damalige Situation: Die heimische Autoindustrie liegt darnieder, weil die von ihr produzierten Benzinfresser auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind. In Gebäuden werden unvorstellbare Mengen an Energie verschleudert. Jetzt hoffen US-Medien auf eine neuerliche nationale Kraftanstrengung im Bereich grüner Technologien, die stark genug sein müsste, um den Vorsprung Europas wettzumachen und in der Folge sogar auf die Überholspur zu wechseln.

Doch wo stehen Europa, die USA und Asien im Bereich grüner Technologien? Wo liegen die Hoffnungsfelder der Forschung? Und wer wird den Wettlauf gewinnen?

Der Elektrosportwagen Tesla Roadster, den der „trend“ als Zeichen der beginnenden „Autorevolution“ präsentiert, kommt aus den USA, nicht aus Europa. Bei einem Preis von 100.000 Euro und fehlenden Ladestationen hat er derzeit allerdings noch den Charakter eines Demonstrationsfahrzeugs. Seine Leistungen können sich aber sehen lassen: 252 PS, Spitzengeschwindigkeit 200 km/h, Reichweite 350 Kilometer, in 3,7 Sekunden von null auf hundert. Der Wagen zeigt, welche Leistung mit einer Lithium-Ionen-Batterie vom Äquivalent tausender Handybatterien möglich ist.

Auch wenn sich Hollywood-Größen und betuchte Technikfreaks um den leisen Flitzer reißen, echte Marktfähigkeit wird die E- Technologie erst durch Massenfertigung und damit verbundene Preissenkung erreichen. Dann werden auch die nötigen Ladestationen bereitstehen. Und das kann schnell gehen. Das kalifornische Unternehmen Tesla Motors, Hersteller des Tesla Roadster, bereitet schon unter dem Namen „Modell S“ die Massenfertigung einer fünfsitzigen Elektrolimousine vor, die bereits Ende 2010 vom Band rollen soll. Zu diesem Zweck baut das Unternehmen in San José im Silicon Valley für 250 Millionen Dollar eine eigene Fabrik. Und mittlerweile gibt es kaum noch einen großen Autohersteller, der nicht ein E-Fahrzeug im Programm hätte. Von BMW und VW über Mitsubishi und Renault bis zu Nissan kündigen viele Hersteller die Markteinführung kleiner Elektromobile an, teils schon für das kommende Jahr. In Österreich hat sich erst kürzlich unter der Federführung des Verbundkonzerns ein Unternehmenskonsortium gebildet, das auch hierzulande die Elektromobilität vorantreiben will.

Umweltbilanz. Marktbeobachter rechnen für Europa mit sieben Millionen Elektroautomobilen im Jahr 2020, bis zum Jahr 2030 könnten es schon doppelt so viele sein. Aber auch Elektroautos benötigen Energie, die anderswo erzeugt werden muss. Strom aus einem Kohle- oder Ölkraftwerk hat logischerweise eine deutlich schlechtere Umweltbilanz als etwa aus Wasserkraft gewonnene Energie, die in Österreich fast 60 Prozent der Stromproduktion ausmacht. In sonnenreichen Weltgegenden kommt Strom aber zunehmend aus Solarkraftwerken.

Australien, Spanien und die USA liefern sich einen regelrechten Schaukampf um den Bau der weltgrößten Anlagen. Das spanische Parabolrinnen-Solarkraftwerk Andasol soll im Endausbau mit einer Leistung von 150 Megawatt 600.000 Haushalte mit Strom versorgen. Nahe dem australischen Mildura soll die größte Fotovoltaikanlage der Welt entstehen – mit einer Leistung von 154 Megawatt. Das Energieunternehmen Southern California Edison plant in der Mojave-Wüste den Bau einer 500-Megawatt-Thermosolaranlage, das entspricht der Leistung eines kleineren Atomkraftwerks. Zum Vergleich: Das derzeit größte deutsche Solarkraftwerk nahe Leipzig bringt es auf ganze 40 Megawatt. Regionale oder auch jahreszeitliche Unterschiede bei der Energieausbeute erfordern neue Lösungen in der Speichertechnik, ein Thema, an dem Forscher in der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie seit Langem tüfteln, ohne bisher den Stein der Weisen gefunden zu haben. Abzuschreiben sind diese Konzepte aber keineswegs, sagt Bernhard Geringer, Vorstand des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen an der TU Wien: „Das braucht Zeit.“

Unterdessen setzen Forscher auch auf völlig neue Biotreibstoffe. Der Bioingenieur Jay Keasling von der kalifornischen Universität Berkeley will Kolibakterien oder Hefezellen so umbauen, dass sie je nach Bedarf gewünschte Rohstoffe herstellen. Das von ihm mitbegründete Biotechunternehmen Amyris kündigte im Vorjahr an, man werde mithilfe manipulierter Mikroben Biodiesel aus Zuckerrohr produzieren. Die Herstellung von Benzin und Kerosin wird als nächstes Ziel angepeilt.

Der US-Biotechnologe Craig Venter, dem im Jahr 2001 die Entschlüsselung des Humangenoms gelungen war, konnte das komplette Erbgut eines Mikroorganismus aus künstlichen Bausteinen zusammensetzen. Ihm schwebt die Schaffung eines künstlichen Bakteriums mit verschiedenen gewünschten Eigenschaften vor: So könnte das künstliche Lebewesen etwa Schadstoffe wie das Treibhausgas CO2 vernichten oder künstliche Treibstoffe produzieren.

Und erst kürzlich schlugen kanadische und indische Forscher eine ungewöhnliche Lösung des Weltenergieproblems vor: das „Ölmelken“ von winzigen einzelligen Kieselalgen. Auf künstlich angelegten Plantagen in großem Stil gezüchtet, könnten die Algen nach Schätzungen der Forscher bis zu 200-mal mehr Öl pro Hektar produzieren als Ölsaaten.

Die Stuttgarter Subitec GmbH ist da schon weiter. Die Biotechfirma hat ein patentiertes Verfahren zur industriellen Algenzucht für die Bioenergiegewinnung entwickelt, den so genannten Flat Panel Reaktor. Dabei werden in einer vertikalen Anlage unter Einsatz des Industrieabfallprodukts Kohlendioxid fünf- bis zehnmal mehr Algen pro Flächeneinheit produziert als in einer horizontal angelegten Algenplantage.

Aktivhaus. Derzeit befassen sich verschiedene Forschergruppen mit neuen, effizienteren Methoden der Energiegewinnung in Gebäuden, wie etwa Beschichtungen von Fensterglas, die elektrischen Strom erzeugen, oder beispielsweise mit Konzepten, aus dem Druck, den die Bewohner auf Fußböden ausüben, Energie zu gewinnen.

Energieautarke Häuser, die ohne äußere Energiezufuhr auskommen, gibt es bereits. Nächster Schritt sind so genannte Aktivhäuser, die nicht nur die benötigte Energie, sondern darüber hinaus auch einen Energieüberschuss erzeugen. Ein solches „Haus der Zukunft“ ist in der Blauen Lagune, einem Fertighauspark auf dem Gelände der Shopping City Süd bei Wien, geplant.

Laut Andreas Lotz, Key Account Manager von Blaue Laguna/Energiewelt, soll das Einfamlienhaus aus einem Mischmaterial aus Holz und Beton bestehen, mit einer 14-Zentimeter-Styropordämmung und Dreifachverbundverglasung. Eine hocheffiziente Fotovoltaikanlage soll etwa 5000 Kilowattstunden Strom im Jahr liefern. Ein 4-Personen-Haushalt benötigt im Durchschnitt etwa 4000 Kilowattstunden. Beheizt wird das Gebäude „durch einen Mix aus Solarthermie, Erdwärme, Wärmepumpe und kontrollierte Wohnraumlüftung“, so Lotz. Ein solches Haus wäre dann laut Lotz um einen Preis „von 200.000 Euro aufwärts“ zu haben. Und wenn man mit dem überschüssig produzierten Strom auch noch ein paar hundert Euro verdienen kann, dann wäre das wirklich ein Haus der Zukunft.