Christian Rainer

Wie es weitergeht

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Alle Plattheiten und Weisheiten über die Finanzkrise sind schon gesagt und geschrieben worden. Die Texteinheiten laufen meist darauf hinaus, dass irgendjemand schon immer davor gewarnt hatte, was passieren würde. Der Politiker, der Banker, der Ökonom, der Journalist, ein Taxifahrer. So erfahren wir unter anderem, dass der freie Finanzmarkt eben seine Grenzen brauche, und weil diese nicht gezogen worden seien, musste das System kollabieren. (Mag sein.) Die Managergehälter seien so gestaltet gewesen, dass dies nicht nur als unmoralisch zu werten ist, sondern überdies als unverträglich mit langfristiger Prosperität. (Ja, eh.) Man dürfe nicht auf Pump leben und schon gar nicht, wenn man die Pumpe nicht bedienen könne; ein ordentlicher Geschäftsmann täte das nie. (So, so.) Eine Regierung solle sich möglichst schnell konstituieren, weil damit die Implosion der Weltwirtschaft verhindert würde. (Bestimmt.) Und die Juden sind schuld. (Das erfuhr ich am Freitag exklusiv von einem jungen Immigranten.)

Hilft also alles nicht wirklich weiter. Was hilft? Hier einige persönliche Anmerkungen. Wie gut sind Österreichs Unternehmen gegen den totalen Crash gewappnet? Der beste Versuch einer Antwort: Österreichische Spitzenmanager kaufen seit einigen Wochen Aktien österreichischer Finanzinstitute und Industrieunternehmen. Wenn sie das nach den geltenden Compliance-Regeln dürfen, dann erwerben sie Werte des eigenen Unternehmens; wenn dies aufgrund bestimmter Fristenläufe nicht erlaubt ist, dann investieren sie in Konzerne, deren Management ihnen wohlbekannt ist (was in Österreich selten eine Ausnahme darstellt). Besonders mit Bankaktien war das keine sonderlich lukrative Strategie, da es weiter rasant abwärts ging. Aber sie lässt vermuten, dass bei wesentlichen Unternehmen keine Leichen im Keller liegen. Die wären den eigenen Aufsichtsräten und Vorständen kaum verborgen geblieben. Somit ist zwar ein Totalkollaps der globalen Geldwirtschaft möglich, aber bei individuellen und hausgemachten Risken einzelner Konzerne würde deren Management das private Vermögen nicht mit Vorsatz vernichten. Menschen mit Geld und Wissen investieren wieder, das erlaubt Optimismus.

Aber diese Investments überraschen nicht. Denn wer erstens nicht an den Totalkollaps glaubt und zweitens genau jene Rationalität aufbringt, die alle Besserwisser angeblich schon immer hatten, der müsste spätestens jetzt in Wertpapiere investieren. So ist in den vergangenen Jahren bisweilen in Vergessenheit geraten, dass Aktien auch Dividenden zahlen, da bloß auf Kursgewinne spekuliert wurde. Die Dividendenrendite liegt bei vielen österreichischen Unternehmen nun bereits im zweistelligen Bereich. Wer den Konkurs eines derartigen Unternehmens ausschließt, müsste daher unbedingt solche Aktien kaufen. Zwölf Prozent Rendite etwa sind das Doppelte bis Dreifache einer typischen Sparbuch- oder Anleihenverzinsung. Und da dieses Ungleichgewicht zwischen unterschiedlichen Anlageformen nicht ewig halten kann, müsste – nach Marktgesetzen – der Kurs früher oder später massiv steigen. Das ist eine rationale Betrachtung. Ähnliches gilt für viele Industrieanleihen. Wer rational investiert und nicht an einen Konkurs (oder eine Hyperinflation) glaubt, müsste jetzt kaufen: Die Anleihenkurse sind bei vielen hervorragenden Schuldnern trotz sehr guter Verzinsung ohne irgendeinen betriebswirtschaftlich fundierten Grund im Keller. Das bringt eine Rendite meilenweit über Sparbuch oder Bundesanleihen, was daher nicht erst bei der Endfälligkeit zu besseren Kursen führen muss. Auch das ist eine rationale Betrachtung.

Wem dieser Optimismus aufgrund der zweifellos gespenstischen Vorgänge der vergangenen Wochen schwer zugänglich ist, der kann sich vielleicht mit einem Text der Londoner „Times“-Kolumnistin Alice Thomson anfreunden. Sie schreibt: „In Zeiten der Rezession trinken die Menschen weniger Alkohol, rauchen weniger Zigaretten und nehmen ab. Sie kümmern sich um Fortbildung, die Luft ist sauberer, die Straßen sind nicht so verstopft. Selbstmord- und Krebsraten mögen zwar steigen, das wird aber mehr als kompensiert durch einen Rückgang von Autounfällen und Herzinfarkten. Die Geschäfte steigern die Zahl der Preisangebote. Sogar Zahnbürsten sind nun verbilligt.“ Und das führe dazu, dass die Menschen lieber lächeln.