Wie lange noch Gusenbauer?

Wie lange noch Gusenbauer?

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Ich habe drei Gründe, mir nach den nächsten Wahlen eine SPÖ-dominierte Regierung zu wünschen:

1. Wolfgang Schüssel darf nicht dafür belohnt werden, dass er die laufende Amtsperiode aus freien Stücken wieder mit der FPÖ bestritten hat. Die Koalition mit ihr war berechtigt, um der Bevölkerung ihre völlige Unbrauchbarkeit vor Augen zu führen. Das ist in der ersten Amtsperiode restlos gelungen. Die FPÖ dennoch ein zweites Mal zum Partner genommen zu haben ist unentschuldbar.

2. Das nachhaltige Unheil der FPÖ-Beteiligung besteht darin, dass Leute ihrer Qualität und Gesinnung in wichtige Funktionen des Staates gehievt worden sind. Und zwar überdimensional: Da Schüssel der FPÖ nie in der Sache nachgegeben hat, hat er sie mit Postengeschenken bei Laune gehalten. Das war taktisch richtig, staatspolitisch ist es abermals unentschuldbar.

3. Zu guter Letzt hat die ÖVP beide bisherigen Amtsperioden benutzt, alle irgendwie interessanten Behörden, ja selbst Vereine komplett einzuschwärzen. Selbst Bruno Kreisky hat nicht so ausnahmslos rot umgefärbt. Diese durch Postenakkumulation erzeugte Machtfülle ist in einem Land, in dem immer noch zahllose Sachentscheidungen „politisch“ getroffen werden, unerträglich.

Aus diesen Gründen, nicht wegen der dringend notwendigen Pensionsreform oder ihrer angeblichen „sozialen Kälte“, wünsche ich mir, dass die schwarz-blaue bei den nächsten Wahlen durch eine rot-grüne Koalition (die ich dann aber auch ungern länger als zwei Perioden amtieren sähe) abgelöst wird.

Nachdem ich mich solcherart politisch nackt ausgezogen habe, will ich endlich der Überschrift gerecht werden: Ich leide – physisch – unter der fortgesetzten Kanzlerkandidatur Alfred Gusenbauers.

Dass die SPÖ unter seiner Führung wieder stärkste Partei wird, ist ausgeschlossen. Aber dass Rot-Grün sich ausgeht, dürfte man angesichts der alles eher als berauschenden Bilanz von Schwarz-Blau doch hoffen: jedes zweite Reformgesetz vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben; das Nulldefizit eine verfehlte Showeinlage; der Abfangjägerkauf ein Desaster; die PISA-Studie eine Ohrfeige für alles, was die ÖVP in der Bildungspolitik je von sich gegeben hat.

Wenn man die – unberechtigte – Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Pensionsreform addiert, müssten die Chancen einer rot-grünen Opposition, die nächste Regierung zu bilden, eigentlich glänzend sein.
Stattdessen sind sie nur gerade noch nicht völlig vertan.
Und die Ursache ist Alfred Gusenbauer.

Es ist nun einmal so, dass heute nicht Parteiprogramme, sondern Menschen gewählt werden. Und zwar zu Recht: Der programmatische Unterschied zwischen ÖVP und SPÖ ist – entgegen allem Getöse – minimal, seit die SPÖ sich zur Marktwirtschaft bekennt und natürlich auch begreift, dass Unternehmensgewinne wichtig sind und Gewerkschaften nicht jede Flexibilität verhindern dürfen. Schon gar ist der Unterschied zwischen „Homo-Ehe“ und der Berechtigung Schwuler, in die wichtigsten Rechte ihrer Lebensgefährten einzutreten, vernachlässigbar. Umgekehrt hat Nationalratspräsident Andreas Khol erst unlängst unmissverständlich erklärt, dass Ganztags- und Gesamtschule für seine Partei kein Tabu mehr sind.

Es geht also in Wirklichkeit nur um schmale Unterschiede in der Sache – sehr viel wichtiger ist, welchen Personen die Bevölkerung eher zutraut, ihre Sache gut zu machen. Und da ist der Kanzlerkandidat nun einmal die Hauptperson. Einmal mehr möchte ich gar nicht behaupten, dass Alfred Gusenbauer seine Sache schlechter als Wolfgang Schüssel machte, wenn er tatsächlich an die Regierung käme. Aber er kommt nicht an die Regierung, weil er bei der Bevölkerung nicht ankommt.

Ich habe einmal, eine ganze Kolumne lang, versucht, das zu erklären: Alfred Gusenbauer wirkt nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Roboter. In keinem Moment hat man das Gefühl, dass er spricht, was ihm in den Kopf gekommen ist, sondern dass er abspult, was ihm antrainiert wurde. Typisch ist folgender Eindruck bei Fernsehdiskussionen: Er gibt die Stellungnahme b/II/3 ab, wird damit aber nicht ganz fertig, weil die Zeit, die ihm der Moderator zubilligt, um ist – worauf er in der nächsten Gesprächsrunde nicht vielleicht auf die nächste – aktuelle – Argumentation seines Gegenübers eingeht, sondern unbedingt die Stellungnahme b/II/3 zu Ende spult. Erst dann vermag er, jetzt in noch größerer Zeitnot, Stellungnahme d/III/1 abzurufen.

Wenn ich der Einzige wäre, der nicht imstande ist, ihm ohne physische Probleme zuzuhören, täte ich es als persönliche Marotte ab, aber meinen sämtlichen Verwandten und Bekannten, die Schwarz-Blau nicht minder abgelöst sehen wollen, geht es genauso. Es wird mit der Zeit auch nicht besser. Wie soll man jemanden „verkaufen“, der, auf die Kommunikationsprobleme der SPÖ angesprochen, soeben formuliert hat: „Es wird auf Basis der Debatte im Präsidium Änderungen geben, was den Außenauftritt der SPÖ betrifft.“

Die einzige erfolgreiche Änderung ist der gerade noch rechtzeitige Ersatz Alfred Gusenbauers durch wen immer. Es gibt den Moment, in dem „Solidarität“ mit einem durchaus braven Mann in Verantwortungslosigkeit gegenüber der Partei und der Sache umschlägt: Wenn Rot-Grün nach den kommenden Wahlen keine Mehrheit hat, dann tragen dafür die Parteifunktionäre die Verantwortung, die Gusenbauer jetzt nicht ersetzen.