Wie macht das der Schüssel?

Obwohl es für die ÖVP Niederlagen regnet, wirkt der Kanzler kaum geschwächt.

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Wenn Wolfgang Schüssel sich wirklich zu amüsieren scheint, verzieht sich sein Gesicht zu jenem kleinen Lächeln, das die TV-Gemeinde von den Direktübertragungen der Parlamentsdebatten kennt – das Lächeln mit dem ganz kleinen Mund und den Fältchen um die Augen.

Zuletzt sah man es vergangenen Mittwoch in der „Zeit im Bild 2“, als Schüssel die Niederlage seiner Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl zu erklären hatte. Der ÖVP-Obmann wirkte tatsächlich amüsiert – nicht so demonstrativ wie die jungen Benita-Groupies natürlich, die am Sonntag bei Bekanntwerden des für ihre Kandidatin so betrüblichen Resultats in deliriumsähnliche Verzückung gefallen waren.

Doch Wolfgang Schüssel wirkte bei seiner Analyse der Präsidentenwahl wie ein Mann, der wieder ein gutes Stück weitergebracht hat. Eine „ausgezeichnete Kandidatin“ habe man gesehen, einen „perfekten Wahlkampf“. Dass die ÖVP gerade, erstmals seit 18 Jahren, eine Präsidentenwahl verloren hatte, schien ihn nur noch am Rande zu berühren: Wenn zwei antreten, gebe es halt einen Sieger und einen Verlierer, erklärte der Kanzler gelassen wie ein Fakir. Und im Übrigen solle man jetzt „nicht so lang die Nachbetrachtungen in den Vordergrund schieben“.
Schüssel locutus – causa finita.

So ähnlich hatte er es schon im März gehandhabt, als Salzburg an die SPÖ verloren gegangen und die ÖVP in Kärnten halbiert worden war. Nach drei Tagen hatte der Parteiobmann – wie nun wieder – die Diskussion kurzerhand für beendet erklärt.
Fast alle parierten.

Umso bemerkenswerter erscheint die hart an der Selbstaufgabe schrammende Disziplin vieler schwarzer Granden, als Schüssel ja durchaus seinen Anteil an den Debakeln hat. Wie er etwa dem Oberösterreicher Josef Pühringer eine Woche vor der Landtagswahl die Voest privatisierte, war ein Gustostückerl an politischem Sadismus. Und während in Kärnten und Salzburg die dortigen ÖVP-Politiker durch Eigenfehler untergingen, war es im Fall der Präsidentenwahl Schüssel selbst, der auf der letztlich glücklosen Kandidatin beharrt hatte.

Die trotzigen Analysen, wonach Frau Ferrero-Waldner ohnehin eine tolle Aufholjagd hingelegt habe, sind frommer Selbstbetrug: Die Außenministerin war bis Anfang Dezember rund acht Prozent vor Heinz Fischer gelegen und hatte dann durch große Tollpatschigkeit innerhalb weniger Wochen den gesamten Vorsprung wieder verspielt.

Fast bis zum Tag ihrer Nominierung wurde in hohen ÖVP-Kreisen (und nicht nur in Niederösterreich) über Alternativkandidaten nachgedacht. Schüssel blieb hart: Die Kandidatin heiße Benita Ferrero-Waldner, basta. Viele schüttelten den Kopf.

Wie großartig ihre Kampagne-Manager die Außenministerin durch den Wahlkampf getragen hatten, zeigte sich, als deren schützende Hände nicht mehr über ihr lagen: Dann biss die eben noch so Wohltemperierte plötzlich auf „linke Emanzen“ los und busselte vor Kameras schnurrend den belgischen Außenminister Louis Michel ab, den sie – eben noch Löwin – in ihren Wahlreden als europäischen Obersanktionierer gegeißelt hatte.

Warum lassen, mit Ausnahme von Erwin Pröll, eigentlich alle schwarzen Großfürsten dem Kanzler das durchgehen?

Zum einen ist Schüssel eine rhetorische Ausnahmebegabung. Im Beschwören von Harmonie und Einigkeit, großer Vergangenheit, hehrer Gegenwart und glänzender Zukunft kommt ihm kaum jemand gleich. Auch in hohen Parteigremien scheinen Schüssels Mantras ihre hypnotische Wirkung zuverlässig zu entfalten.

Wenn nötig, schreckt er dabei auch vor Kitsch nicht zurück. „Von Benita lernen!“ gab der Kanzler am Tag nach der Wahl als Parole aus – ähnlich hatte man es zuletzt in Maos Kulturrevolution gehört. „Dabei umkreist er wie ein Hirtenhund ständig seine Herde und hält sie so zusammen“, beschrieb der frühere Wiener ÖVP-Obmann Bernhard Görg einmal die einschlägige Machttechnik des Obmanns.

Zudem gibt es in der ÖVP nur noch wenig kritisches Potenzial: Die traditionell aufmüpfige Steirer ÖVP reibt sich in der Estag-Affäre gerade selbst auf und droht bei den kommenden Landtagswahlen auf Platz zwei zurückzufallen. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer hätte zwar mit Schüssel ein Hühnchen zu rupfen, hat aber die Milde des Religionslehrers in die Politik hinübergerettet. Tirols Herwig van Staa ist noch nicht lange genug in der Politik. Salzburg ist verloren – und die Landesparteien von Wien und Kärnten sind inzwischen bedeutungslos.
Bleibt Erwin Pröll, der sich aber bei aller Kritik letztlich noch stets der Parteidisziplin fügte.

Schüssels Trumpf ist aber der Umstand, dass er selbst seinen schärfsten innerparteilichen Kritikern glaubhaft machen kann, bei allfälligen Nationalratswahlen abermals als Sieger auszusteigen. Das wird ihm zumindest so lange gelingen, als die FPÖ nicht vom Fleck kommt und sich die Sozialdemokraten trotz einer glänzenden Siegesserie in eine anhaltende Führungsdebatte verstricken.
Also wohl noch eine ganze Weile.