Willkommen, Benedikt!

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Habemus Papam“, erschallt es allerorten. Dagegen muss man sich wehren. Es wird ja ganz so getan, als ob wir alle einen Papst bekommen hätten. Und gerade in Österreich vermitteln die Medien, die öffentlichen zumal, den Eindruck, als sei das Land geradezu eine katholische Theokratie. Da mag Österreich besonders katholisch sein. Ganz so stark aber dann doch nicht. Immerhin treten in Österreich die Menschen in größeren Prozentsätzen als nahezu überall anders aus der Kirche aus. Und, bitte schön: In Wien sind es nicht einmal mehr die Hälfte, die sich zur Sancta Ecclesia bekennen. Habemus Papam? Nein: Habent Papam. Der weiße Rauch ist für die Katholiken aufgestiegen. Das muss auch einmal gesagt sein.
Es ist nicht nur die prachtvolle und spektakuläre Inszenierung des Sterbens des alten und der Wahl des neuen Pontifex, es ist nicht nur der Glamour-Faktor, der alle, auch heidnische Augen in den vergangenen Wochen gen Rom blicken ließ. Der Papst ist nun mal der oberste Chef der größten und international am besten organisierten Religionsgemeinschaft der Welt. Und da mag sein Vatikan ein Ministaat sein, der globale Einfluss des Papstes kann gar nicht überschätzt werden.
Aber da tut sich ein Paradox auf. Die Kirchenfernen, die Anders- oder Ungläubigen haben vielfach positivere Gefühle gegenüber dem Heiligen Vater als seine katholischen Kinder. Das war schon bei Johannes Paul II. so. Und das dürfte nun auch bei Benedikt XVI. so werden.

Der Grund ist klar: In allem, was innerkirchliche Organisation und theologische Dogmatik betrifft, dürfte Joseph Ratzinger so wie Karol Wojtyla durch und durch reformfeindlich sein. Demokratie in der Kirche – nein danke. Geweihte Frauen – nie und nimmer. Verheiratete Priester – oh Gott. Homosexuelle – Sünder vor dem Herrn.
Da fühlen sich die Nichtkatholiken bloß nicht wirklich betroffen. Und bei aller Empathie mit fortschrittlichen, liberalen und modernen Katholiken, die Schwierigkeiten mit ihrer so archaischen Kirche haben, kann man doch auch meinen: ihr Problem, wenn sie etwa an der Diskrepanz zwischen ihrem Triebleben und den römischen Sexualvorschriften leiden. Man könnte fragen: Wollen Frauen Pfarrer werden, warum wechseln sie nicht zu den Protestanten? Detto heiratswillige Priester. Und wenn Schwule heiraten und partout katholisch bleiben wollen, müssen sie wirklich ganz persönlich damit fertig werden. Der kirchenferne Demokrat mag mit den katholischen Volksbegehren sympathisieren, seine Sache sind die aber letztlich nicht.
Kein Wunder, dass so mancher progressive Christ, der seine Kirche erneuert sehen will, erschrak, als er hörte, dass der „Panzerkardinal“ aus Bayern von nun an als Stellvertreter Christi in Rom residiert. Wenn es aber um die Wirkung nach außen geht, sind der verstorbene Johannes Paul II. und der neue Benedikt XVI. keineswegs Schreckfiguren. Gewiss: Das Kondomverbot hat angesichts von Aids vor allem in der Dritten Welt real furchtbare Konsequenzen. Das wird, so sieht es aus, auch Ratzinger nicht ändern.
Aber er wird wie Wojtyla – basierend auf den Sozialenzykliken – hartnäckig auf die Armut in der Welt hinweisen, Ausbeutung anklagen und Gerechtigkeit einfordern. Der aus dem Antiliberalismus stammende kirchliche Antikapitalismus wird auch aus Benedikt einen fallweisen Bündnispartner der demokratischen Linken gegen die Auswüchse der globalisierten Ökonomie machen.
Zwar hat sich Ratzinger wegen der Sorge ums christliche Abendland eindeutig gegen die Aufnahme der Türkei in die EU ausgesprochen. Aber gegenüber dem Islam (wie auch gegenüber dem Judentum) empfindet er Respekt, und er tritt für einen großen Dialog der Katholiken mit den Moslems ein. Clash of civilizations ist die Sache von Benedikt XVI. nicht. Im Gegenteil.

Auch seine Namenswahl ist beruhigend. Benedikt XV. war Papst während des Ersten Weltkriegs: Vergeblich, aber engagiert trat er für ein Ende des Gemetzels und für eine Friedensordnung nach dem Krieg ein. Wenig beachtet ist Benedikt XIV., der im 18. Jahrhundert mit dem großen Aufklärer Voltaire korrespondierte. Voltaire widmete dem Papst sogar sein Drama „Mahomet“, in dem er gegen absolute Wahrheitsansprüche anschrieb. Der Heilige Vater nahm die Widmung freudig an. Auch der sechzehnte Benedikt scheute bisher nicht den Disput mit weltlichen Intellektuellen. Mit seinem Landsmann Jürgen Habermas, dem hervorragenden Repräsentanten der Aufklärungsphilosophie, hatte Ratzinger im Vorjahr ein Gipfeltreffen. Die beiden verstanden sich blendend.
Ratzinger ist ein brillanter, allseits gebildeter, geschichtsbewusster Mann – ein eher nüchterner Theologe, dessen Denken nicht wie das seines polnischen Vorgängers durch marianische Schwärmerei verdunkelt ist. Auch für deklarierte Gegner ist Ratzinger ein Gesprächspartner, mit dem die Klingen zu kreuzen es sich lohnt.
Und zum Streiten gibt es da viel: vor allem in der Einschätzung der Säkularisierung Europas. Für den Papst ist diese Entwicklung der Ausdruck des Verfalls und der moralischen Dekadenz. Man kann die Entwicklung aber auch als Moment der Emanzipation und der europäischen Stärke lesen. Ob Papst Benedikt die zunehmende Entchristianisierung unseres Kontinents aufhalten kann oder sie mit seinem prinzipienfesten Konservativismus weiter befördert, ist die spannende Frage der kommenden Jahre.