Corporate Social Responsibility

Wirtschaftsethik: Die Wohl-Täter

Wirtschaftsethik: Die Wohl-Täter zum Vorbild

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Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Programm einer wohltätigen Organisation zu studieren: Lieferanten, die sich nicht zu den Menschenrechten bekennen, erhalten keine Aufträge; Umweltstandards wurden umgesetzt, noch bevor eine gesetzliche Verpflichtung dazu bestand. Tatsächlich stammen diese Vorgaben vom Mineralölkonzern OMV AG, der ohne legistischen Zwang schwefelfreie Kraftstoffe und Biotreibstoffe einführte und seit 1990 rund 280 Millionen Euro in den umweltgerechten Ausbau der Raffinerie Schwechat sowie in die Stand-orte Lobau und St. Valentin investierte. In Pakistan verwirklicht die OMV mit lokaler Unterstützung ein Entwicklungsprogramm für 218 Siedlungen. Mit dem Projekt „Move & Help“ wiederum unterstützt der Konzern in Kooperation mit Hilfsorganisationen Bildungsprojekte für rund 35.000 Kinder und Jugendliche.

Aus reinem Edelmut gibt der Großkonzern Teile seiner hart erwirtschafteten Gewinne nicht an Bedürftige weiter. Vielmehr ist die OMV wie viele internationale Unternehmen davon überzeugt, dass gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln das Vertrauen von Kunden, Geschäftspartnern, Lieferanten und öffentlichen Repräsentanten stärkt – und derart die eigene Reputation fördert oder zumindest deren Beschädigung vorbeugt. „Wir begleiten unser Wachstum und unsere Internationalisierung mit klar definierten ethischen Richtlinien“, sagt OMV-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Ruttenstorfer.

Derartige Zielsetzungen fußen auf konkreten Notwendigkeiten. Mit dem Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft steht es nicht gerade zum Besten. So sind 68 Prozent der Österreicher laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IMAS der Ansicht, dass durch zu ausgeprägtes Gewinnstreben die Menschlichkeit leidet. Waren es früher vor allem Ignoranz gegenüber der Umwelt, fragwürdige Produktionsmethoden oder Ausbeutung, die Kritik an den Geschäftspraktiken global agierender Konzerne hervorgerufen haben, sind es zuletzt vermehrt Finanz- und Bilanzskandale, welche die Wirtschaft in Misskredit bringen.

Vertrauensbildung. Das Bild der Unternehmen in der Öffentlichkeit verbessern sollen nicht zuletzt Maßnahmen im Bereich der Corporate Social Responsibility (CSR). Derart soll das Vertrauen der Konsumenten wieder hergestellt und gefestigt werden. Fast jedes Großunternehmen hat mittlerweile einen CSR-Beauftragten, und auf den Homepages vieler Konzerne stechen zunächst Bekenntnisse zu Nachhaltigkeit und unternehmerischer Ethik ins Auge. Die Vermutung, dass es sich dabei auch um Reaktionen auf verstärktes Auftreten globalisierungskritischer Organisationen handelt, liegt nahe.

Was CSR genau bedeutet, hat die Europäische Kommission 2002 definiert: „Die soziale Verantwortung der Unternehmen ist im Wesentlichen eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmen, auf eine bessere Gesellschaft und eine sauberere Umwelt hinzuwirken. Sozial verantwortlich handeln heißt ... über die bloße Gesetzeskonformität hinaus mehr zu investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern.“ Wobei mit Letzteren, im Gegensatz zu Shareholdern, im Grunde all jene Menschen gemeint sind, die von den Aktivitäten eines Unternehmens betroffen sein können – Anwohner einer Fabrik ebenso wie Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner.

Die Definition eröffnet einigen Handlungsspielraum, und entsprechend vielfältig sind auch die CSR-Maßnahmen. Die Telekom Austria beispielsweise stellt Kunden und Mitarbeiter in den Mittelpunkt solcher Aktivitäten. So flossen im Vorjahr 11,5 Millionen Euro in die Mitarbeiterausbildung, wobei in Summe mehr als 50.000 Trainings- und Seminartage in Anspruch genommen wurden. Im Rahmen so genannter „Töchtertage“ wiederum soll der weibliche Nachwuchs von Mitarbeitern für Technik interessiert werden. Die Bilanz in Bezug auf die Beschäftigung von Frauen fällt jedoch noch etwas mager aus – ebenfalls ein zentrales CSR-Thema: Der Anteil an weiblichen Mitarbeitern stieg im Vorjahr um zwei Prozentpunkte auf 27 Prozent, in der Managementebene um vier Prozentpunkte auf gut 16 Prozent. Zudem beteiligt sich die Telekom an Projekten des Social Sponsoring, unterstützt etwa „Licht ins Dunkel“ und den „Life Ball“. „Ich möchte nicht verhehlen, dass wir über unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten auch gerne berichten“, sagt Telekom-Generaldirektor Heinz Sundt. „Mit PR-Gags hat das jedoch nichts zu tun. Seit 2001 setzen wir uns bewusst und sehr intensiv mit der Thematik auseinander.“

„In Österreich gibt es eine sehr aktive CSR-Szene“, befindet Roman Mesicek, Geschäftsführer von respACT Austria, einem Verein zur Förderung gesellschaftlicher Verantwortung von und in Unternehmen, zu dessen fördernden Mitgliedern die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer Österreich, das Sozial- und das Wirtschaftsministerium zählen. Mesicek verweist auf eine Vielzahl von Initiativen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. Dazu zählen Preise wie der „Nestor“, der für die Einbindung älterer Personen vergeben wird, der „Trigos“ für Unternehmen, die Aktivitäten im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung setzen, und der Preis für den besten Ökobusinessplan. „Gerade große Unternehmen haben bewiesen, dass sie glaubwürdig dieses Engagement verfolgen“, meint Mesicek.

Um die Beteiligung an derartigen Initiativen sowie das Engagement im Bereich von CSR publik zu machen, veröffentlichen zahlreiche größere Unternehmen mittlerweile eigene Nachhaltigkeitsberichte. Die Arbeiterkammer hat Ende des Vorjahres solche Berichte zehn österreichischer Unternehmen analysiert. Ergebnis: Die Publikationen boten in Bereichen wie Strategie, Profil, Indikatoren zu Ökologie und Arbeitspraxis teils hohe Informationsqualität. Themen wie Menschenrechte, Beziehung zur Gesellschaft und Produktverantwortung erhielten dagegen eher unterdurchschnittliche Bewertungen. Mitunter haben etwa Kriterien in Bezug auf Menschenrechte für das jeweilige Unternehmen gar keine praktische Relevanz – weil sie in Regionen, in denen solche Probleme auftreten können, nicht tätig sind. Auch Angaben zu Umstrukturierungen, zur Managemententlohnung oder über die Zulieferer seien, so die Arbeiterkammer, selten ausreichend. Schwächen würden oft ausgeblendet, was die Glaubwürdigkeit mancher Berichte einschränke.

Mesicek meint aber doch einen Entwicklungsprozess zu sehen: „Es hat sich viel verändert. Unternehmen werden immer mutiger, auch ihre Schwächen anzusprechen.“ Mesicek nennt als Beispiel einen Nachhaltigkeitsbericht der Zementindustrie, in dem auch die unvorteilhafte Information eines merklichen Anstiegs der Zahl von Arbeitsunfällen wahrheitsgemäß verzeichnet ist. „Das ist im Gegensatz zu früher schon eine andere Kultur, die sich hier durchsetzt“, findet Mesicek.

Ressourcenfrage. Doch nicht nur Konzerne, sondern auch in Bezug auf finanzielle und personelle Ressourcen zumeist weniger flexible Klein- und Mittelbetriebe befassen sich zunehmend mit CSR-Maßnahmen. Martin Neureiter, Inhaber einer Wiener Agentur, die sich auf Lobbying und Consulting im CSR-Bereich spezialisiert hat, beobachtet, dass auch kleinere Unternehmen „sehr oft Dinge tun, die in dieses Gebiet fallen“, ohne sie aber ausdrücklich zu benennen. „Sie wissen oft gar nicht, dass es sich um CSR handelt“, konstatiert Neureiter. Unternehmen von überschaubarer Größe seien tendenziell stärker in ihr jeweiliges Umfeld eingebunden und würden deshalb naturgemäß mehr auf ihre Stakeholder bedacht nehmen. „Aber die KMUs haben das Potenzial von CSR noch nicht erkannt“, so Neureiter.

Kevin Cullinane will nun dazu beitragen, dass sich dies ändert. Der Ire ist Präsident der Junior Chamber International (JCI), einer weltweiten Vereinigung von Jungunternehmern, die 250.000 Mitgliedsbetriebe in 110 Staaten zählt. Vergangene Woche hat Cullinane in Wien ein „Vienna CSR Treaty“ mitunterzeichnet – eine Selbstverpflichtung vorwiegend junger und kleinerer Unternehmen zu sozial verantwortlichem Handeln. „Die junge Unternehmergeneration ist mit Skandalen der Wirtschaft aufgewachsen“, meint Cullinane. „Sie wollen nun Verantwortung übernehmen. Es liegt an ihnen, eine neue weltweite Geschäftsmoral zu etablieren.“

Naturgemäß hoffen die Unternehmen dabei auch auf für sie ökonomisch positive Effekte. „Die Imageförderung durch CSR trägt zum Vertrauensaufbau bei“, glaubt Mesicek. Das Image eines Unternehmens werde nicht nur bei Kaufentscheidungen immer wichtiger, sondern sei auch für Geschäftspartner, Investoren und für potenzielle Arbeitskräfte von Bedeutung. „Die Bewerber lesen nicht nur den Geschäfts-, sondern auch den Nachhaltigkeitsbericht“, berichtet Mesicek, „weil sie wissen wollen, was in einem Unternehmen passiert und ob sie sich dort wohl fühlen können.“

Auch Markus Beyrer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, vertritt die Ansicht, dass „CSR nicht nur der Gesellschaft gut tut, sondern auch den Unternehmen und den Kunden“. Entsprechende Modelle, so Beyrer, „können eine bessere Unternehmenskultur und damit eine höhere Mitarbeitermotivation zur Folge haben“. Dies wirke sich „positiv auf die Positionierung und Wahrnehmung des Unternehmens am Markt aus“.

Risikovorsorge. Bis zu einem gewissen Grad stelle CSR sogar eine Risikovorsorge dar, meint Neureiter. Denn steter Kontakt mit den vom Agieren eines Unternehmens betroffenen Menschen biete auch die Chance frühzeitiger Erkennung möglicher Problemfelder. „Man darf CSR nicht als Kostenfaktor sehen, sondern muss das als Investition betrachten“, so Neureiter.

„Der Kapitalmarkt fragt zunehmend CSR-Aktivitäten nach“, konstatiert auch Hans Haider, Generaldirektor der Verbundgesellschaft. „Eine Orientierung des Unternehmens an den Prinzipien der Nachhaltigkeit wirkt sich auch positiv auf den Aktienkurs aus.“ Im Sozialbereich hingegen kooperiert das Unternehmen seit fast 50 Jahren mit dem Kinderdorf Hinterbrühl. Auch „Die Boje“, ein Zentrum für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen, wird unterstützt. Zudem sind Kommunikation und Dialog mit Öffentlichkeit sowie Stakeholdern gerade für Energieversorger in vielen Fällen längst zur Notwendigkeit im Geschäftsbetrieb geworden. Die Errichtung von Kraftwerken oder der Ausbau des 380-kV-Höchstspannungsnetzes, den Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen zu verhindern versuchen, bedingen als Voraussetzung ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz beziehungsweise Toleranz unter den Betroffenen.

Klimaschutz. Der international tätige Ziegelproduzent Wienerberger wiederum hat eigenen Angaben zufolge im Vorjahr 15 Millionen Euro in Umweltschutzmaßnahmen investiert. In Österreich unterstützt Wienerberger eine Initiative des Lebensministeriums für aktiven Klimaschutz und will damit – durchaus zum Vorteil des eigenen Umsatzes – ökologische Bauweisen fördern. Und in Rumänien ist das Unternehmen nach den verheerenden Überschwemmungen des vergangenen Sommers eine Partnerschaft mit dem Roten Kreuz eingegangen. „Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen in Zukunft auch stärker danach beurteilt werden, ob sie CSR ernst nehmen oder nicht“, sagt Vorstand Wolfgang Reithofer. „Konsumenten werden immer kritischer und sind nicht mehr bereit, die Zerstörung der Umwelt und soziale Ausbeutung zu tolerieren.“

Experten verweisen freilich auf die Notwendigkeit, dass CSR-Aktivitäten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit stehen müssen, um als glaubwürdig zu gelten. „Es kommt vor, dass vonseiten des Unternehmens Ideen auftauchen, von denen ich dezidiert abraten muss“, so Neureiter. Wenn etwa ein Vorstand, der passionierter Afrika-Reisender sei, ebendort eine Schule errichten wolle, das Unternehmen aber keinen Bezug zu dem Kontinent habe, sei der Sinn der Aktion fraglich. „Das kann leicht nach hinten losgehen“, so Neureiter. „Man könnte sagen, er macht das nur, um einen Grund zu haben, nach Afrika zu fahren.“

Die Österreichischen Bundesforste etwa versuchen, ihre CSR-Aktivitäten mit unternehmerischen Inhalten in Einklang zu bringen, indem auf verkürzte Transportwege, den Einsatz umweltschonender Treibstoffe und Schmiermittel sowie auf Holzlieferungen per Bahn geachtet wird. „Neben klassischen Wirtschaftskennzahlen sind die Nachhaltigkeitszahlen für uns am wichtigsten“, behauptet Georg Erlacher, Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz. „Denn diese geben an, wie viel Rohstoff pro Jahr nachwächst. Nur so viel darf auch entfernt werden.“

Allerdings schenken nicht alle Beobachter der Wirtschaftsszene den vielfältigen Bekenntnissen zu unternehmerischer Ethik uneingeschränkt Glauben – und bezweifeln teils auch deren Sinn. Das angesehene britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ ätzte gar, sozial verantwortliches Handeln sei schlicht unvernünftig. Es sei fahrlässig, wenn Manager mit dem Geld ihrer Aktionäre Sozialprojekte förderten, die den Gewinn schmälerten. Unternehmen hätten bloß einen Zweck: ihre Eigentümer reich zu machen.

Tatsächlich wird mitunter auch von Unternehmern vorgebracht, großzügige CSR-Initiativen seien zumindest in wirtschaftlich eher flauen Zeiten kaum leistbar. „Das ist die Problematik zwischen Theorie und Praxis“, konzediert Neureiter. „Theoretisch soll man ja ein Konzept haben, das sich nicht nur auf den nächsten Quartalsbericht auswirkt, sondern langfristig etwas bringt. In der Praxis nehmen sich Unternehmen allerdings verstärkt dieses Themas an, wenn sie finanziell gut dastehen.“

Andere wenig romantisch veranlagte Geister unterstellen, dass CSR vorwiegend ein Deckmantel für PR-Maßnahmen sei. Mesicek räumt zwar ein, dass es dafür das eine oder andere Beispiel gebe – früher oder später werde dies von der immer kritischeren Öffentlichkeit aber durchschaut. Und Kevin Cullinane meint: „Der Ruf eines Unternehmens kann innerhalb von Stunden ruiniert sein, wenn auch nur der Verdacht aufkommt, es verhalte sich unethisch.“ Zugleich scheinen Statistiken nahe zu legen, dass die Bevölkerung heute auch keine völlig realitätsferne Erwartungshaltung zeigt: Immerhin meinen laut der IMAS-Umfrage 61 Prozent der Österreicher, dass Gewinnmaximierung und soziales Verhalten vereinbar seien.

Von Christina Hiptmayr und Thomas Pressberger