Wirtschaftskrise wird Österreich erfassen

Wirtschaftskrise wird Österreich erfassen: Nicht alle Regionen sind gleich betroffen

Nicht alle Regionen sind gleich stark betroffen

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Vom Star zum Versager kann es ein relativ kurzer Weg sein. Im Februar 2007 stattete der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll der Eybl International AG in Krems einen Betriebsbesuch ab und war begeistert. „Die Arbeitsplätze in unserem Bundesland sind gut abgesichert, das Unternehmen floriert“, sagte Pröll. Einen Monat später legte Wirtschaftslandesrat Ernest Gabmann nach und bezeichnete den Autozulieferkonzern als „Flaggschiff“.

Jetzt ist Eybl pleite. Am 29. Dezember 2008 stellte das Unternehmen den Ausgleichsantrag. Eine Überschuldung von fast 90 Millionen Euro bedeutet Platz zwei in der österreichischen Insolvenzstatistik des Vorjahrs. Auslöser der Pleite war die Krise auf dem internationalen Automarkt. Wie schnell der Wind drehen kann, ist derzeit auch weiter westlich zu beobachten. In der Stadt Salzburg sollte im kommenden Juni die Weltpräsentation des neuen VW Polo zelebriert werden. Bis zu 14.000 Gäste waren angekündigt. Doch während die Salzburger noch diskutierten, ob der ehrwürdige Kapitelplatz für einen Promotion-Glaspalast von VW der richtige Ort sei, sagte der Konzern die Veranstaltung kurzerhand ab. „In Zeiten wie diesen überlegt man sehr genau, welche Kosten man anpeilt. Wo man das ein wenig reduzieren kann, da wird man es jetzt auch tun“, sagte VW-Sprecher Hermann Becker. Der neue Polo soll nun, ganz bescheiden, im Wolfsburger Stammhaus präsentiert werden. Salzburg entgehen damit Einnahmen in der Höhe von rund 15 Millionen Euro.

Die große Wirtschaftskrise begann weit weg und schien Österreich lange kaum etwas anzugehen. Doch schon in den letzten Monaten des vergangenen Jahres waren erste Auswirkungen spürbar. 2009 wird die Flaute auch Österreich voll erfassen – und ein paar stornierte Werbeveranstaltungen werden dann wohl das geringste Problem sein. Die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS gaben vor Kurzem ihre Prognosen für 2009 ab. Beide sind sich einig: Die österreichische Wirtschaft wird heuer in eine Rezession schlittern; das Wifo sagt ein Minus von 0,5 Prozent voraus, das IHS ein Minus von 0,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit wird laut Wifo um 12,8 Prozent steigen, laut IHS um 10,8.
Experten gehen allerdings davon aus, dass nicht alle Bundesländer gleich stark von den Schwierigkeiten betroffen sein werden. Besonders schwer erwischen wird es in den nächsten Monaten ausgerechnet jene Länder, die ökonomisch eigentlich alles richtig gemacht haben. „Am stärksten betroffen sind zunächst die Bundesländer mit hohem Industrie- und Exportanteil“, sagt Peter Huber vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Regionen, die mehr vom Tourismus und anderen Dienstleistungen leben, dürften, wenn überhaupt, erst später in den Sog der Krise geraten.

Sehr deutlich zeigte sich diese Entwicklung bereits in den Novemberdaten des Arbeitsmarktservice (AMS): Während die Zahl der Arbeitslosen in der Tourismus- und Beamtenmetropole Wien im Vergleich zum Vorjahr um 8,1 Prozent sank, stieg sie im Export-Musterland Vorarlberg um 9,7 Prozent. Noch aussagekräftiger sind die – katastrophalen – Arbeitsmarktdaten vom Dezember, die Ende der Vorwoche bekannt wurden: Im Jahresvergleich stieg die Arbeitslosigkeit österreichweit um 8,2 Prozent. Insgesamt waren um fast 22.000 mehr Menschen arbeitslos gemeldet als im Dezember 2007. Den geringsten Zuwachs hatte mit 0,2 Prozent die Bundeshauptstadt. Auch Niederösterreich (plus 4,7) und das Burgenland (plus 7,6) kamen halbwegs glimpflich davon. In den anderen Bundesländern lag der Zuwachs jeweils bei mehr als zwölf Prozent.

Leih- und Kurzarbeit. Zu den Ländern, die von der Flaute am schwersten erwischt werden, wird Oberösterreich gehören. Allerdings findet der Einbruch auf einem sehr hohen Niveau statt. Eine Exportquote von 55,8 Prozent und die Arbeitslosenrate von 3,5 Prozent bedeuten bundesweit derzeit den ersten Platz. Doch die Vorhersagen sind nicht rosig. Das AMS rechnet 2009 mit mindestens 4600 zusätzlichen Arbeitslosen – von insgesamt 19.500 mehr in ganz Österreich. Weitere 4500 Menschen sind derzeit auf Kurzarbeit. Außerdem hat Oberösterreich den mit Abstand größten Anteil an Leiharbeitern, die in Notsituationen erfahrungsgemäß als Erste abgebaut werden. Während Linz zu Silvester den Start ins Jahr als Europäische Kulturhauptstadt bejubelte, war den Industriearbeitern der Region eher nicht nach Feiern zumute. Zum ersten Mal seit Langem verordnete die ­voestalpine in Linz ihren Mitarbeitern über Weihnachten einen Betriebsurlaub. Eine weitere Woche Zwangsferien könnte im Februar notwendig sein. Seine Expansionspläne hat der Konzern eingefroren: Ein neues Stahlwerk an der Schwarzmeerküste wird bis auf Weiteres nicht gebaut.

„Unsere erste Aufgabe ist, keine Weltuntergangsstimmung zu verbreiten, sondern den Menschen und Unternehmen Mut zu machen“, sagt der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer. Außerdem will Oberösterreich strauchelnden Betrieben mit Landeshaftungen helfen. Um eine Übernahme des Faserherstellers Lenzing durch den indischen Birla-Konzern zu verhindern, garantierte das Land bereits eine Haftung in der Höhe von 350 Millionen Euro. Weitere Unternehmen könnten folgen, kündigt Pühringer an. „Wir diskutieren derzeit mit mehreren Betrieben vertraulich.“

Auch in der Steiermark lässt sich die Krise nicht mehr leugnen. Der Autocluster mit 160 Betrieben und insgesamt 46.000 Mitarbeitern, bis vor Kurzem ganzer Stolz der steirischen Wirtschaftspolitik, wird jetzt zur Belastung. Besonders der Autozulieferkonzern Magna des Austrokanadiers Frank Stronach steckt in Schwierigkeiten. 2006 wurden bei Magna in Graz 248.000 Autos erzeugt, heuer werden es nur 65.000 sein. 3000 Mitarbeiter des Konzerns wurden in Kurzarbeit geschickt, Kündigungen werden sich wohl nicht vermeiden lassen. Von insgesamt fast 10.000 Leiharbeitern in der Steiermark ist schon die Hälfte arbeitslos. Offenbar lief im Vorjahr auch abseits des Autoclusters nicht alles nach Wunsch. Der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) kürte die Steiermark jüngst zum „Pleiteland Nummer 1“ in Österreich. 903 insolvente Unternehmen bedeuteten einen historischen Höchststand. „Der Ländervergleich zeigt, dass die heimischen Betriebe die positive Konjunktur 2006/2007 weniger gut nutzen und damit weniger Reserven für die kommenden schweren Zeiten schaffen konnten als anderswo“, analysierte Alfred Woschitz, Insolvenz-Chef des KSV.

Keine guten Nachrichten gibt es auch aus dem ebenfalls stark exportorientierten Westen Österreichs. In Tirol hat etwa der Kristallkonzern Swarovski schon im Vorjahr über 700 Mitarbeiter in Wattens freigesetzt. Der Leuchtenhersteller Zumtobel in Dornbirn gab im Dezember die geplante Einsparung von rund 50 Millionen Euro Personalkosten bekannt; 850 von weltweit 7500 Stellen sollen gestrichen werden. Noch gibt es in Vorarlberg keinen Betrieb, der Kurzarbeit einführen musste. Die Landesregierung hat allerdings ein Modell ausgearbeitet, das statt bisher drei bis zu zwölf Monate Kurzarbeit ermöglichen soll. Der Bedarf ist also offensichtlich gegeben.

Tourismus als Rettung. Wifo-Experte Peter Huber ist für die westlichen Bundesländer dennoch vorsichtig optimistisch. Die Vorarlberger Textilindustrie habe sich bisher gut gehalten und sei als Nischenproduzent weniger krisenanfällig. In Tirol sollte der – noch – florierende Tourismus manchen Einbruch in der Sachgüterproduktion kompensieren. „Tourismusregionen, die von Gästen aus der näheren Umgebung leben, könnten kurzfristig sogar profitieren.“ Auch Kärnten und, in geringerem Ausmaß, das Burgenland dürfen auf diesen Effekt hoffen. Durch hohe Lohnabschlüsse und die schwächer gewordene Inflation werden die Masseneinkommen heuer sogar deutlich steigen. Wer Arbeit hat, kann es sich also durchaus weiter gut gehen lassen. Die hohen Umsätze im Weihnachtsgeschäft und die vollen Betten in den Tourismusregionen zeigen, dass die Konsumenten in Österreich und im benachbarten Ausland bis jetzt nicht auf die Ausgabenbremse gestiegen sind. Das könne aber passieren, so Huber, wenn die Arbeitslosigkeit erst einmal sichtbar wird. „Wenn es den Nachbarn oder Teile des Freundeskreises erwischt, sparen oft auch Menschen, die von der Krise selbst gar nicht betroffen sind.“ So unterschiedlich wie die direkten Auswirkungen der Wirtschaftsflaute auf die Bundesländer sind auch deren finanzielle Möglichkeiten, im Notfall gegenzusteuern. Kärnten etwa muss hoffen, dass es nicht allzu schlimm kommt. Dank der großzügigen Fiskalpolitik der vergangenen Jahre ist das Land nämlich schon jetzt mit rund zwei Milliarden Euro verschuldet. Für Konjunkturprogramme bleibt da nicht mehr viel Spielraum. Oberösterreichs Landeshauptmann Pühringer kann sich dagegen mit Rücklagen in der Höhe von 700 Millionen Euro brüsten. „Wir können Gas geben“, behauptet Pühringer.

Die gesunkene Auslandsnachfrage lässt sich aber selbst mit den üppigsten Konjunkturpaketen nicht ankurbeln. Ganz ohne Schrammen wird das Jahr 2009 an keinem Bundesland vorbeigehen. Geht es nach Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, werden die Verletzungen aber geringer ausfallen als von vielen befürchtet. „Man muss etwas vorsichtig sein mit dem Begriff Krise“, meinte Nowotny im Ö1-Radio. „Ein Schrumpfen zwischen 0,5 und einem Prozent ist sicherlich schwer wiegend, aber wenn das von so einem hohen Niveau geschieht, wirkt sich das nicht für jeden in einer katastrophalen Art aus.“

Von Rosemarie Schwaiger