profil online: Wodka mit einem Schuss Leichtsinn

Wodka mit einem Schuss Leichtsinn

Mit Alkohol und Koffein über die Leistungsgrenze des Körpers

Drucken

Schriftgröße

Von Alexander Müller, Studiengang Journalismus, FH Wien

Gekonnt bahnt sich der Kellner einen Weg durch die zu Techno-Musik tanzenden Jugendlichen. Über sich balanciert er zwei Plastik-Kübel Wodka - Red Bull. Darin liegen je eine 0,7-Liter Flasche Alkohol, vier Dosen Energydrink und jede Menge Eis. Gerade eben war er noch mit zwei solcher Kübel in die andere Richtung unterwegs. „Das ist ein Dauerrenner“, sagt er und versorgt einen Tisch mit gut einem Dutzend Jugendlichen in Partystimmung mit dem flüssigen Nachschub.

Hier, in der Lounge des Club Couture, einer Wiener Disko im 22. Bezirk, gibt es heute bis Mitternacht die Getränke zum halben Preis. Die Nacht ist noch jung und der Alkoholpegel noch längst nicht am Höhepunkt. Die Kellner kommen kaum nach mit dem Ausschenken.

Die Mischung aus Hochprozentigem und Energydrink verkauft sich in den Diskos bestens. Im „Club Couture“ sind vier von fünf Getränken Wodka – Red Bull. Eine Gruppe mit zehn Leuten bestelle dort etwa drei Liter Wodka, schätzt Betriebsleiter Alexander Schütz. Gemischt wird meist im Verhältnis eins zu eins. Durchschnittlich trinkt jeder Gast vier Gläser.

Für den Körper ist diese Mischung jedoch alles andere als ungefährlich. Vor wenigen Jahren rätselte man über den Tod einer 31-Jährigen. Sie war mit ihren Freunden zum Tanzen ausgegangen und trank im Laufe des Abends Red Bull mit Wodka. Bis sie während eines Tanzes plötzlich zusammenbrach und nicht mehr ansprechbar war. Wiederbelebungsversuche scheiterten. Ähnlich der Fall einer 19-Jährigen, die an einem Abend etwa sechs solcher Drinks zu sich nahm. Am nächsten Tag wurde sie tot in ihrem Bett gefunden.

Keine der beiden Frauen hatte Medikamente oder Drogen im Blut, bei keiner konnte eine eindeutige Todesursache ermittelt werden.

Die Fälle wurden von einem schwedischen Krankenhaus aufgezeichnet, das Erkrankungs- oder Todesfälle, bei denen die Beteiligung von Energydrinks in Betracht kommt, beobachtete. Auch die Nationale Giftinformationszentrale in Irland dokumentierte zwischen 1999 und 2005 Hinweise zu 17 solcher Vorkommnisse, darunter zwei Todesfälle.

Doch Wodka - Red Bull ist ein Getränk, das jedes Jahr bei Jugendlichen beliebter wird. Im Jahr 1998 wurden 40 Jugendliche bei ihm eingeliefert, 2008 waren es bereits knapp 200, sagt Bernd Lothar Zimmerhackl, Vorstand der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. Die Jugendlichen werden jünger, die Promille mehr, doch was besonders auffällt: „Mindestens die Hälfte aller Eingelieferten hat Wodka mit Red Bull getrunken.“ Auch andere Kliniken in Österreich und Deutschland würden diesen Trend beobachten, sagt Zimmerhackl.

Nun gibt es noch dazu eine besorgniserregende Neuheit: Energy-Shots. Seit Herbst werden die kleinen Fläschchen mit der gleichen Koffeinmenge wie eine große Dose angeboten. Der Geschmack ist sehr ähnlich, die große Menge Koffein hinterlässt lediglich einen etwas bitteren Nachgeschmack. Kein Wunder: Empfohlene Höchstwerte für Inhaltsstoffe werden ums Vier- bis Fünffache überschritten.
Doch nicht nur das: Auch die empfohlene Tagesdosis wird von Jugendlichen gerne übertroffen. Das Produkt ist so hoch konzentriert, dass es bereits als Nahrungsergänzungsmittel gilt. Die Verpackung rät zu einem Fläschchen pro Tag, doch kaum jemand hält sich daran. Die 50 Milliliter können einfach schneller heruntergekippt werden als eine ganze Dose.

„Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen“

Die Fälle in Schweden waren für das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung Grund genug, 2008 in einer Studie zu urteilen, dass „Energydrinks unter bestimmten Voraussetzungen erhebliche Gesundheitsrisiken bergen könnten“ und „unerwünschte Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden können“.

Eine Ansicht, die auch österreichische Experten durch die Bank teilen. Ein Kollaps oder Ähnliches könne relativ leicht passieren, erklärt Bernhard Ludvik, Stoffwechsel-Experte am Wiener AKH. Am Abend in der Disko zu tanzen, zu schwitzen und den Durst mit Red Bull und Wodka zu stillen, könne böse enden, bestätigt auch Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts, Europas größter Suchtklinik.

Das Problem, das die Kombination von Energydrink und Alkohol von anderen Mixgetränken unterscheide, ist die hohe Koffein-Konzentration, die eine doppelt dehydrierende Wirkung verursacht. Denn beim Abbau von Alkohol scheidet der Körper Wasser aus. Gleichzeitig führen aber auch große Mengen Koffein dazu, dass viel Wasser ausgeschieden wird. Die Folgen reichen bis hin zu Nierenversagen oder der Bildung eines lebensgefährlichen Ödems – eine Wassereinlagerung im Gewebe – wie es bei einigen der schwedischen Fälle beobachtet wurde.

„Wenn jemand gesund ist und genug trinkt, sollte nichts passieren“, sagt Ludvik, „aber wehe, jemand hat Herzprobleme und weiß noch nichts davon.“ Solche körperlichen Reaktionen sind zwar die Ausnahme, doch auch Ibrahim Elmadfa, Leiter des Instituts für Ernährungswissenschaften der Uni Wien, warnt: „Es ist gerechtfertigt, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.“

2005 starb ein 18-Jähriger nach tagelanger intensiver Prüfungsvorbereitung, bei der er mehrere Dosen Energydrink am Tag konsumiert hatte, als er mit Freunden am Abend Alkohol trank. Ein anderer erlitt einen Epilepsie-Rückfall, nachdem er am Vorabend etwa 35 Zentiliter Wodka mit Red Bull getrunken hatte. Auch hier konnte keine eindeutige Ursache festgestellt werden.

Weitaus häufiger passiert es jedoch, dass sich Jugendliche durch das Koffein fit genug fühlen, um weiter zu trinken. „Wer zu viel Alkohol getrunken hat, wird normalerweise schnell müde und hört dadurch bald auf, Alkohol zu trinken“, sagt Musalek. Diese sedierende Wirkung wird durch Koffein jedoch aufgehoben. Am Grad der körperlichen Beeinträchtigung ändere sich dadurch jedoch nichts – „man fühlt sich nur fitter“, sagt Thomas Tobisch, Ernährungsexperte beim Verein für Konsumenteninformation, VKI. Und wer sich fit fühlt, wird fahrlässig und traut sich mehr zu.

Auch ein weiterer Inhaltsstoff ist umstritten: Taurin. Es soll dem Körper helfen, die Inhaltsstoffe schneller zu absorbieren. Dass es wie versprochen die körperliche und geistige Leistung erhöht, ist jedoch nicht bewiesen. Im Gegenteil: Wie sich Taurin in großen Mengen längerfristig auswirkt, ist noch wenig erforscht.

Von Seiten der Politik sieht man keinen Handlungsbedarf. Experten verweisen auf die Mündigkeit der Konsumenten und die Warnhinweise auf der Packung. Von Red Bull heißt es, dass keine negativen Effekte bekannt seien. Und Diskos wissen zwar über die Nebenwirkungen Bescheid, können es sich aber schlichtweg nicht leisten, die beliebte Mischung aus ihrem Angebot zu nehmen. „Das wäre wie ein Segafredo ohne Kaffee“, sagt Schütz vom „Club Couture“.

Energydrink ein Männergetränk

Auch abseits der Disko dringen Energydrinks immer mehr ins Leben vorwiegend männlicher Jugendlicher. Fast 70 Prozent der Burschen trinken täglich oder mehrmals wöchentlich Red Bull & Co, ergab eine Studie des „Forum Umweltbildung“ über die Ernährungsgewohnheiten von über 900 Schülern. Bei Mädchen sind es nicht einmal 20 Prozent.

Die Schulen haben mancherorts reagiert. Viele haben Energydrinks längst aus ihrem Schulbuffet genommen, eine Volksschule in Oberösterreich hat die Aufputscher erst kürzlich gänzlich verboten. „Wenn Schulen keine Energydrinks mehr anbieten, kaufen sie die Schüler aber einfach im Supermarkt und nehmen sie in die Schule mit“, beobachtete Rosemarie Zehetgruber, Ernährungsberaterin und eine der Autorinnen der Studie.

Generell sollte man nicht mehr als 200 Milligramm Koffein pro Tag zu sich nehmen, rät das Bundesinstitut für Risikoforschung in seiner Studie. Zum Vergleich: Eine 250-Milliliter-Dose Energydrink hat 80 Milligramm Koffein, etwa dieselbe Menge wie ein großer Kaffee. Bedenklich wird es also ab mehreren Dosen, doch genau das ist Alltag beim Fortgehen.

Außerdem gehen die Empfehlungen von einem gleichmäßig über den ganzen Tag verteilten Konsum aus. „Alles auf einmal zu sich zu nehmen, ist für den Körper sehr problematisch“, sagt Elmadfa.

Das Gros der österreichischen Energydrinks enthält 32 Milligramm Koffein pro 100 Milliliter – jene Menge, die das Österreichische Lebensmittelbuch als Referenzwert angibt. „Die Grenze ist aber nicht einzementiert. Wenn ein Produkt sie überschreitet, muss aber bewiesen sein, dass dieses Produkt genauso sicher ist wie alle anderen auch“, erklärt Christian Lechner, Rechtsbeauftragter der AGES, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit. Burn, der Energydrink des Coca-Cola-Konzerns, habe etwa die Werte leicht überschritten – aus Marketing-Gründen, wie Lechner vermutet.

Eine deutliche Überschreitung der Referenzwerte gibt es jedoch bei den Energy-Shots. Der Text auf der Verpackung empfiehlt eine Flasche pro Tag und warnt: „Die empfohlene Tagesdosis nicht überschreiten.“ Doch die Praxis zeigt, dass sich Jugendtrends nicht an Hinweise auf Verpackungen halten. In der Schweiz ist das Ausschenken der Mischung sogar verboten. Wer dennoch nicht auf Wodka mit Red Bull verzichten will, kauft sich dort einfach die Zutaten und mischt sie selbst. Ein Problembewusstsein ist kaum vorhanden. Auch in Österreich ziert die Aufforderung „Nicht mit Alkohol mischen!“ die Rückseite mancher Energydrinks.