Zeitgeschichte

Zeitgeschichte: „Mundart steir.“

„Mundart steir.“

Drucken

Schriftgröße

Penibel sind in Wehrstammbuch und Soldbuch des ehemaligen steirischen Feldgendarmen Gustav Schwarzenegger Stationen einer Soldatenlaufbahn eingetragen, die seit wenigen Tagen Teil des Wahlkampfs um den nächsten Gouverneur von Kalifornien ist: „Austrian Archives Reveale Nazi Military Role of Actor’s Father“ („Österreichische Archive enthüllen Nazi-Militär-Rolle des Vaters des Schauspielers“). – Zunächst startete die „Los Angeles Times“ mit einem ausführlichen Bericht, britische Zeitungen folgten, die Nachrichtenagentur UPI titelte: „Arnie’s dad was storm trooper“ („Arnie’s Vater war bei der SA“).

Arnold Schwarzenegger ließ über seinen Sprecher Rob Stutzman ausrichten, er sei „beschämt und von der Vergangenheit des Vaters peinlich berührt“. Stutzman: „Arnie hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass seine Ansichten konträr zu jenen seines Vaters sind.“

Die Dokumente, die über den 1972 verstorbenen Gustav Schwarzenegger im österreichischen Archiv der Republik liegen, wurden bisher nie publiziert. profil bringt nun erstmals die vollständige Darstellung. Das Material zeigt, dass der ehemalige Stabsfeldwebel keine außergewöhnliche Nazi- und Soldatengeschichte hat. Zugleich geht aus ihnen hervor, dass er doch tiefer involviert war als bisher bekannt. Demnach trat der Steirer am 1. Mai 1939 der SA bei – der auch als Braunhemden berüchtigten „Sturmabteilung“, die beim November-Pogrom 1938 die Zerstörung jüdischer Synagogen und die Jagd auf Juden angeführt hatte. Und er war als Angehöriger der Feldgendarmerie – wegen der an einer Kette um den Hals getragenen Marke „Kettenhunde“ genannt – von Beginn des Zweiten Weltkriegs an am Einmarsch in Polen, Frankreich und in die Sowjetunion dabei.
In frühen Interviews hatte Arnie sich immer ausweichend zu seinem als harsch und autoritär charakterisierten Vater und dessen Leben geäußert: „Was meinen Vater betrifft: Das ist irrelevant, denn ich weiß nichts über seine Vergangenheit, und er hat uns auch nie etwas erklärt.“ In einer 1990 erschienenen Biografie war dann erstmals konkret von der Nazi-Nähe des Vaters die Rede, und Schwarzenegger bat das Wiesenthal-Center in Los Angeles um Nachforschung. Der britische „Guardian“ meint jetzt, der Hollywood-Star habe „wahrscheinlich schon mit Blick auf eine politische Zukunft alles getan, die von seinem Vater hinterlassene Wunde zu schließen“. Die damalige Suche förderte nichts Besonderes zutage: Gustav Schwarzenegger hatte am 4. Juli 1938 um Aufnahme in die NSDAP angesucht, mit dem 1. Jänner 1941 wurde er offiziell „PG“, Parteigenosse. Grund der späten Registrierung ist der große Andrang zur NSDAP, der bis Ende 1939 eine Aufnahmesperre zur Folge hatte.

Feldzüge. 1991 kam für Arnie die „größte Nacht meines Lebens“: das Wiesenthal-Center verlieh ihm den „National Leader Award“, Präsident George Bush senior hielt die Laudatio. Hervorgehoben wurden Schwarzeneggers Einsatz für gesellschaftliche Randgruppen und auch seine großzügige Unterstützung des Wiesenthal-Centers. Der damals 44-Jährige hatte seine Lektion gelernt: „Für jemanden, der den Hintergrund hat, den ich habe, und der aus dem Land kommt, aus dem ich komme, ist es besonders wichtig, dass die neue Generation Leadership zeigt und gegen Vorurteile auftritt.“
Dass zu diesem Hintergrund auch die Mitgliedschaft des Vaters bei der SA gehört hatte, geht nur aus einer einzigen Zeile hervor: Die Angabe „Schwarzenegger Gustav … SA 1.5.1939“ findet sich in einem Ersuchen des Innenministeriums aus dem Jahr 1947. Darin wurde der Bundespräsident gebeten, eine Gruppe von 44 „minderbelasteten Polizei- und Gendarmerieangehörigen von der Sühnefolge des Berufsverbots“ zu befreien.
Da das Innenministerium in Wien keinen Einblick in Personalakten gibt, ist über die SA-Zugehörigkeit des späteren Gendarmeriekommandanten Schwarzenegger senior nichts Näheres zu eruieren. Warum er der SA beitrat – fast jeder dritte Gendarm in der Obersteiermark ging zur SS –, bleibt unbekannt.

Die Wehrmachtsdokumente über den vom Zugsführer zum Stabsfeldwebel beförderten Gustav Schwarzenegger sind eindeutig. Im August 1939 in der Feldgendarmerie-Abteilung 521 mobilisiert, erlebte er den Zweiten Weltkrieg laut Wehrstammbuch vom ersten Tag an: „1. September 1939, Feldzug gegen Polen“.

Es folgen „Einsatz bei den Besatzungstruppen in Polen“ und knapp nach dem Angriff auf Frankreich im Mai 1940 die „Verwendung im Operationsgebiet während der Besetzung Frankreichs“. Der „Feldzug gegen Russland“ beginnt für Schwarzenegger mit „Grenzkämpfen in Litauen“ ab dem Juni 1941. Seine Einheit ist an „Operationen gegen Leningrad“ und an der „Abwehrschlacht vor Moskau“ beteiligt. 1942 sind es schwere Kämpfe am Don.

Der Wiener Zeitgeschichter Gerhard Jagschitz sagt zu diesem Curriculum: „Er war als Soldat mitten im Angriffskrieg.“
Die Feldgendarmerie hatte vor allem zwei Aufgaben: Überwachung von Ordnung und Disziplin innerhalb des Militärs und Sicherheitsaufgaben, die die Freimachung der Aufmarschwege, aber auch Bekämpfung von „Sabotage und Spionage“ und die berüchtigte Partisanenbekämpfung umfassten. Besonders brutal ging die Feldgendarmerie bei Kriegsende gegen Deserteure vor.

Ostmedaille. Doch dazu kam Stabsfeldwebel Schwarzenegger nicht mehr. Im Sommer 1942 beendeten eine Verletzung und die Malaria seine Soldatenlaufbahn, ab da war er in verschiedenen Lazaretten und wurde im Jänner 1944 als nicht mehr „voll feldverwendungsfähig“ entlassen. Neben seinem äußeren Erscheinungsbild – „Bart gestutzt“ – wurde ihm bestätigt, dass er seine „Mundart steir.“ beibehalten hatte.
In einer militärischen Beurteilung heißt es, er sei „nicht besonders hervorgetreten“. An Auszeichnungen bekam er für den Russland-Feldzug die übliche „Ostmedaille“, später das Verwundetenabzeichen in Schwarz. Gerhard Jagschitz: „Das spricht dafür, dass er keine blutigen Hände hatte.“ Eine profil-Anfrage in der deutschen Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg ergab, dass dort gegen Schwarzeneggers Einheit nie Vorwürfe erhoben worden sind.

Arnold Schwarzenegger, der den vom Demokraten Gray Davis gehaltenen Gouverneursposten für die Republikaner erobern will, ist in den Umfragen zuletzt zurückgefallen. Vergangene Woche äußerte er sich erstmals kurz zu politischen Themen. Manche seiner Aussagen wie die Ablehnung der Eheschließung Homosexueller und das Eintreten für Gebete in öffentlichen Schulen zielen auf die konservative Wählerschaft. Mit anderen, wie der Bekräftigung des Rechts auf Abtreibung, vertritt er Positionen der Demokraten.Waffenkäufer sollten überprüft werden, aber: „Menschen sollten das Recht haben, Waffen zu tragen.“
Sein problematisches Verhältnis zum Vater ließ er früh erkennen – er kam nicht zu dessen Beerdigung. Freunde der Familie erzählen, der Vater habe Arnold und seinen älteren Bruder Meinhard oft zu Wettkämpfen herausgefordert, die in der Regel Meinhard gewann. Der Gürtel der Gendarmenuniform soll hin und wieder zur körperlichen Züchtigung der Buben verwendet worden sein. Von Arnie wird eine Aussage kolportiert, der Vater sei daheim wie ein General aufgetreten.

Statt bei letzten Schlachten hatte der Stabsfeldwebel das Kriegsende aber im Steirischen verbracht. Anfang 1944 meldete er sich „zu meiner Dienststelle in der Heimat, Gend. Posten Deutsch-Feistritz“ zurück. Dort versah er, so schrieb er selbst, „beim Landrat (Preisüberwachungsstelle) in Mürzzuschlag Zivildienst“.