Zu Fuß einkaufen

Zu Fuß einkaufen

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Umweltminister Josef Pröll kündigte kürzlich, befragt, wie er den Schadstoffausstoß in Österreich reduzieren wolle*, folgende Aktion an: Man werde der Bevölkerung nahe legen, nur noch im Wohnort einzukaufen, und zwar tunlichst zu Fuß.
Genau. Die Hausfrauen, die alten Umweltsünderinnen, sollen gefälligst wieder einmal den Globus retten.
Dass sie die wahre Wurzel allen Übels sind, ist nicht neu, das hat sich kurz nach dem Aufkommen des Umweltschutzgedankens sofort herumgesprochen und gehört seitdem zum allgemeinen Wissensschatz.
Natürlich verwendet kaum jemand das Wort Hausfrau, vielmehr ist geschlechtsneutral von den privaten Haushalten oder so ähnlich die Rede, aber da achtzig Prozent der Hausarbeit von den erwachsenen weiblichen Mitgliedern der Haushalte erledigt werden, richten sich entsprechende Aufforderungen wohl eher an sie und nicht so sehr an, sagen wir mal, wohl versorgte Herren in leitender Position, deren Leibesfülle darauf hindeutet, dass sie sich ihre Nahrung selten per Fußmarsch beschaffen.
Die Hausfrau. Faul und verantwortungslos. Braucht Kühlschränke, statt morgens mit der Milchkanne zur Kuh zu pilgern und im Keller ein Sandbett für das Gemüse zu buddeln. Lässt die Waschmaschine waschen, statt sich mit Waschtrog und Rumpel zu mühen. Wärmt Nahrung in der Mikrowelle. Saugt Staub mit Staubsaugern. Zwingt Putzmittelproduzenten, Chemiekeulen zur Säuberung von Küche, Bad und Klo auf den Markt zu werfen, weil sie offenbar eine teuflische Freude daran hat, Problemstoffe in den Kanal zu spülen.
Die Folgen sind bekannt: giftige Abwässer, wachsende Sondermüllberge, steigender Energieverbrauch, kurzum, eine trotz schonendsten Verhaltens diverser Industrien bedrohte Umwelt.

Und eben, nicht zu vergessen, die Einkauferei. Fahren die Menschen – diesfalls werden die Hausfrauen häufig in spießgesellenhafter Manier von ihren Männern unterstützt – doch tatsächlich mit dem Auto zum Supermarkt, wo sie den Laderaum mit Lebensmitteln, Getränkeflaschen, Großpackungen Klopapier und Waschpulversäcken voll stopfen, statt –
Ja, statt was eigentlich? Eine Wagenladung Sachen unterm Arm bzw. per Fahrrad zu transportieren oder Tag für Tag zum Einkaufen zu pilgern, mal eine handliche Menge Brot und Seife, mal nicht zu schwere Säckchen Mehl und Zucker als Beute nach Hause tragend?
Egal. Fakt bleibt, dass es reicht, wenn unser Joghurt quer durch Europa reist und in der Nordsee gefischte Shrimps zum Schälen nach Portugal und danach zu uns gefahren werden, da müssen nicht auch noch wir per Auto zum Supermarkt düsen.
Nein, im Ernst: Für wie blöd sollen wir eigentlich verkauft werden – oder, milder gefragt, wer denkt sich eigentlich alle diese weltfremden Rettungsmaßnahmen aus, die ablenken sollen von den tatsächlichen Verhältnissen? Lebensmitteltourismus quer durch die Welt. Förderung von Dieselfahrzeugen. Kaum wirtschaftliches Interesse an Biosprit.
Einerseits Jubel über steigende Absatzzahlen der Autoindustrie bzw. Besorgnis, wenn die Bevölkerung im Urlaub daheim bleibt, statt die Umsätze der Reisebüros und Fluglinien zu heben. Andererseits Schuldzuweisungen an die privaten KonsumentInnen, die durch härene Bußübungen kompensieren sollen, was Wirtschaft und Politik in den Sand setzen.

Vor einiger Zeit wurde mir als Bewohnerin einer so genannten Wienerwaldgemeinde ein langer Fragebogen zu meinem Mobilitätsverhalten zugeschickt. Ich sollte z. B. angeben, ob ich Radfahren für gesund und Zu-Fuß-Gehen für „modern“ hielte; ob Bahnfahren meiner Meinung nach „im Trend“ liege; ob das Rad für meinen täglichen Arbeitsweg gut geeignet sei; ob mir das Radfahren/Zu-Fuß-Gehen/Bahnfahren Spaß mache; und ob in unserer Gemeinde viel oder wenig für Fußgänger/Radfahrer etc. getan würde.
Nicht gefragt wurde ich nach den Gründen für meine Fortbewegungsgewohnheiten. Man wollte nicht wissen, warum sich das Rad (nicht) für meinen täglichen Arbeitsweg eignet. Man wollte nicht erfahren, was denn die (fehlenden) Gemeindemaßnahmen im Interesse der Fußgänger, Radfahrer etc. seien.
Das heißt, mein Verhalten wurde als individuelle Entscheidung, unabhängig von den Rahmenbedingungen, betrachtet. Tatsächlich ist es jedoch unerheblich, ob ich Radfahren als prinzipiell gesund oder spaßig einstufe, wenn sich die nächste Apotheke zwei Orte weiter befindet und nur über stark befahrene Straßen erreichbar ist, weshalb ich auf das Rad verzichte, auch wenn ich Radfahren grundsätzlich spaßig finde. Was tun? Kreuze ich „gesund“ an und gebe gleichzeitig zu, dass ich trotzdem nicht mit dem Rad fahre, dann stehe ich als Autoabhängige da, die ihren Einsichten zuwiderhandelt. Kreuze ich „ungesund“ an, bin ich ein Trottel, denn Radfahren per se ist nun einmal nicht ungesund.
Wer sich zum Einkauf mit dem Auto entschließt, hat in der Regel ebenfalls gute Gründe. Die verschwinden auch nicht, wenn ein Ministerium per Kampagne das Zu-Fuß-Gehen für im Trend liegend erklärt. Gegenvorschlag: Wie wär’s, wenn Minister sich zu Fahrgemeinschaften zusammenschlössen?
Ach ja, und bitte nicht mit Urgroßmutters Haushalt argumentieren, der schließlich auch ohne Auto und Waschmaschine ausgekommen sei. Urgroßmutter hatte Dienstboten oder war Dienstbote. Das ist der Unterschied.