Elfriede Hammerl

Zwei sind vielleicht genug

Zwei sind vielleicht genug

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1. In „akuter Verzweiflung“ wandte sich Leserin Laura K. an mich, nachdem sie das TV-Duell zwischen Van der Bellen und Strache gesehen und dabei eine erstaunliche Gemeinsamkeit zwischen den sonst so gegensätzlichen Kontrahenten entdeckt hatte. Beide, so schreibt sie, hätten mit ihren Ausführungen zu Demografie und Bevölkerungspolitik Frauen auf potenzielle Gebärerinnen reduziert. Würden sie sonst ausschließlich ökonomische Gründe dafür gesehen haben, dass Familien nach dem zweiten Kind, so Van der Bellen, „aufhören“? Sei nicht vorstellbar, dass Eltern (oder auch nur Mütter) mit zwei Kindern einfach genug hätten?
Da ist was dran. Seit Jahren wird über Geburtenraten vornehmlich unter dem Gesichtspunkt diskutiert, wie man es Frauen ermöglichen bzw. schmackhaft machen könne, mehr Kinder, ja möglichst viele Kinder zu kriegen. Das lässt in der Tat den Schluss zu, dass PolitikerInnen aller Lager den weiblichen Menschen als ein Wesen sehen, das, von der Natur auf schrankenlose Vemehrung programmiert, freudig jedes Jahr ein Kind in die Welt setzen würde, wenn man ihm nur entsprechende Nestbaumöglichkeiten zur Verfügung stellte (wie die ausschauen sollen, darüber gehen die Meinungen dann auseinander). Und irgendwie entsteht dabei der Eindruck, der freiwillige Verzicht auf noch mehr Kinder – oder auf Kinder überhaupt – sei etwas so Anrüchiges, dass man ihn den Frauen gar nicht erst unterstellen wolle.
Den gängigen Klischees zufolge sind nämlich kinderlose Frauen einsame, verbissene Egoistinnen, die es, wenn nicht jetzt, so doch später bereuen werden, dass sie der Welt keinen Nachwuchs geschenkt haben, wohingegen die vielfache Mutter als heiteres, glückliches Geschöpf gilt, das seinen Kinderreichtum mit gutem Grund über jeden anderen stellt.
Dazwischen: die statistische Durchschnittsfamilie mit eins Komma irgendwas Kindern, eine unbefriedigende Konstruktion, demografisch sowieso, aber auch psychosozial, weil sie entweder ein Einzelkind verzweifelt verwöhnen oder sich halt mit zwei Sprösslingen begnügen muss.
Mit der Realität haben diese Klischees nicht viel zu tun. Mag sein, dass sich manche Paare die Großfamilie nicht leisten können, von der sie träumen. Aber eine Bevölkerungsmehrheit sind sie mit ziemlicher Sicherheit nicht. Anscheinend sind viele Menschen ganz glücklich mit dem, was sie haben: keine Kinder, ein Kind, nicht mehr als zwei Kinder. Unzufrieden sind sie allenfalls mit den Bedingungen, unter denen sie ihre Kinder aufziehen müssen, aber das heißt nicht, dass sie unbedingt mehr Kinder wollen und mehr Kinder kriegen würden, wenn die Bedingungen anders wären.
Vielleicht sollten sich bevölkerungspolitische Überlegungen besser daran orientieren als an der Vorstellung, dass in jeder Frau eine Großfamilienmutter schlummert, die es zu erwecken gilt.

2. Oberösterreichs Landesschulpräsident Fritz Enzenhofer möchte mehr Männer im Volksschuldienst sehen. Um sie zu ködern, verlangt er, so die „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom 6. September, höhere Einstiegsgehälter für Lehrer. Denn: Für Familienerhalter und für Alleinerzieherinnen sei der Beruf „derzeit nicht sonderlich attraktiv“. In einem Kommentar der Zeitung dazu heißt es: „Frauen können gut mit Kindern arbeiten. Männer könnten das wahrscheinlich genauso gut. Aber Männer können mit den etwa 1400 Euro netto, die ein Lehrer im vierten Berufsjahr monatlich verdient, keine Familie ernähren.“
Genau. So ist es. Männer ernähren, Frauen werden ernährt. Junge Männer drängen ins Berufsleben, um ausreichend Geld herbeizuschaffen für Weib und Kinder, junge Frauen werden so lange von einem spendablen Papi erhalten, bis sie sich einen gut verdienenden Mann gekrallt haben. Frauen sind von Natur aus versorgt, außer sie sind blöderweise Single-Mütter, Männer sind von Natur aus Versorger. All die smarten jungen Karrieristen: Irgendwo haben sie eine Familie versteckt, für die sie Loft, Roadster und Magnumflaschen Roederer Cristal anschaffen müssen.
Vor allem aber: Frauen muss man nur ein Taschengeld zahlen, Männern – für die gleiche Tätigkeit – anständige Gehälter. Solange ein schlecht bezahlter Beruf ein Frauenberuf ist, ist die schlechte Bezahlung okay. Aber wenn auch Männer ihn ergreifen sollen, muss sich die Knauserei aufhören, schließlich entlohnen wir nicht nach Leistung, sondern nach Geschlecht.
Solange solche Ansichten kursieren und solange Männer in Schlüsselpositionen sie vertreten, brauchen wir uns um den Fortbestand der Einkommensschere keine Sorgen zu machen.

3. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in der ORF-Sendung „Journal-Panorama“ am 8. September zum Vorwurf der mangelnden Frauenförderung in der FPÖ und dazu, dass sich auf keinem ersten Listenplatz eine Frau finde: „Man muss das nicht am natürlichen Geschlecht festmachen.“
Brillant! Dass ich darauf noch nicht gekommen bin! Frauenförderung ohne Ansehen des Geschlechts! All die Generaldirektoren, männlich: geförderte Frauen, deren Förderung nicht am natürlichen Geschlecht festgemacht wurde. Genial.