Aller schlechten Dinge sind drei

Zwei Drittel bei Eurofighter-Deal skeptisch

Eurofighter-Vergleich für Österreich ungünstig?

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Sonntag vergangener Woche war ein guter Tag für den Privatmann und Fußballfunktionär Norbert Darabos. Am Nachmittag saß der Burgenländer, Mitglied des Kuratoriums des SK Rapid Wien, auf der Tribüne des Hanappi-Stadions in Hütteldorf und verfolgte aufgeregt mit, wie sein Verein den SCR Altach besiegte und österreichischer Fußballmeister 2007/2008 wurde. Im Jubel blieb Darabos nicht allein: Mit ihm freuten sich Ex-Finanzminister und Rapid-Präsident Rudolf Edlinger und Alfred Gusenbauer, Bundeskanzler und ressortverantwortlicher Sportminister. Sonntag vergangener Woche war kein guter Tag für den SPÖ-Politiker und Verteidigungsminister Norbert Darabos. Bevor er ins Hanappi-Stadion aufbrach, muss­te Darabos dem ORF Rede und Antwort stehen und Schadensbegrenzung in eigener, unangenehmer Sache leisten. Tags zuvor hatte eine profil-Vorabmeldung für Aufregung gesorgt. Der brisante Inhalt: In seinem jüngsten Rohbericht würde der Rechnungshof (RH) massive Kritik am Eurofighter-Deal des Verteidigungsminis­ters üben. Darabos dementierte: „Unterm Strich bleibt das Geld, dass sich die Österreicher ersparen. Es kann für andere Dinge verwendet werden.“

Doch gerade Darabos’ Hauptbotschaft vom monetären Nutzen des Abfangjäger-Sparprogramms für die Allgemeinheit ist wackelig. Neue vertrauliche Details aus dem Rohbericht des Rechnungshofs zeigen, wie leichtfertig der Verteidigungsminister bei seinen Verhandlungen mit der Eurofighter GmbH wirtschaftliche Interessen des Landes ignorierte. Der eben befriedeten Koalition drohen darob neue Turbu­lenzen. Die rot-schwarze Streitfrage: Hat Darabos einen vernünftigen Vergleich erzielt oder ist der Eurofighter-Deal schlicht militärischer und ökonomischer Unsinn?

Regelverstoß. Der vertrauliche Rohbericht des Rechnungshofs ging vergangene Woche in unterschiedlicher Ausfertigung an drei Ressorts. Neben dem Verteidigungsministerium (BMLV) erhielten auch das Wirtschafts- und das Finanzministerium das brisante Poststück. Anfang Juli 2007 war der Vergleich zwischen Darabos und der Eurofighter GmbH unterzeichnet worden. Die Kernpunkte: Reduktion von 18 auf 15 Jets; Maschinen aus der ersten Tranche statt aus dem moderneren zweiten Baulos; sechs gebrauchte Jets von der deutschen Luftwaffe. Insgesamt will Darabos mit seinem Vergleich 400 Millionen Euro eingespart haben, wie er in mehreren Stellungnahmen behauptete. Tatsächlich sind es 370 Millionen: 250 Millionen aus der Stückzahl-Reduktion, 120 Millionen aus Verträgen zu Service, Wartung, Reparaturen und Ersatzteillieferungen – im Fachjargon „In-Service-Support“ (ISS).

Die Hauptkritik der Rechnungshofprüfer richtet sich gegen Darabos’ mangelnden koalitionären Teamgeist samt negativen Folgen. Eindeutigen Richtlinien seines eigenen Ressorts zufolge hätte der Verteidigungsminister sowohl das Finanz- als auch das Wirtschaftsminis­terium in die Verhandlungen mit der Eurofighter GmbH einbinden müssen. Doch Darabos veranstaltete eine One-Man-Show und ignorierte laut Rechnungshof das Informationsbedürfnis seiner Regierungskollegen. Das Finanzministerium wurde erst im September 2007 informiert, das Wirtschaftsministerium musste sogar bis März 2008 warten, um die Eckpunkte des Vergleichs zu erhalten. Misstrauen hegte der Verteidigungsminister freilich nicht nur gegenüber seinen Regierungskollegen. Zum Missfallen des Rechnungshofs wurde auch die Finanzprokuratur, der offiziöse Anwalt des Bundes, zum Statisten degradiert. Zwar war der Präsident der Behörde, Wolfgang Peschorn, zu Beginn in die Verhandlungen mit der Eurofighter GmbH eingebunden. In der entscheidenden Phase verzichtete das Ministerium allerdings leichtherzig auf die Dienste der Experten der Finanzprokuratur.

Der kleine Trost für die übergangenen Beamten: Auch im eigenen Haus zeigte Darabos wenig Korpsgeist. Eurofighter-Befürworter in der Generalität galten als unsichere Kantonisten, auf ihr Know-how bei den Vergleichsverhandlungen wurde gern verzichtet. Stattdessen beförderte Darabos Brigadier Erwin Jeloschek zum Chefverhandler, ein tadelloser Beamter und ausgewiesener Experte – für Flugzeugfunksysteme. Jeloschek soll – so die BMLV-interne Fama – für seinen Einsatz mit dem Posten des Airchiefs, des höchs­ten Rangs in den Luftstreitkräften, belohnt werden. Das Fazit des Rechnungshofs über die Verhandlungsführung des Verteidigungsministeriums: Darabos’ Verhalten habe eindeutig haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes widersprochen. Ein Waterloo erleidet das BMLV durch die Kritik der RH-Prüfer am Umgang mit den Gegengeschäften. Norbert Darabos hatte stets betont, diese wären kein Thema der Vergleichsverhandlungen gewesen, was im Rechnungshof auf Unverständnis stößt. Laut Rohbericht habe der Minister eine frühere Vertragsklausel kennen müssen, die eine Anpassung der Gegengeschäfte an den Kaufpreis vorsah. Durch Darabos’ Vergleich muss die Wirtschaft Gegengeschäfte im Ausmaß von 500 Millionen Euro abschreiben. Dem Fiskus gehen laut einer Studie des Volkswirtschaftsprofessors Friedrich Schneider zumindest 100 Millionen Euro Steuergeld durch die Lappen.

Bei den ISS-Serviceverträgen kassierten die Beamten des Verteidigungsminis­teriums eine Niederlage. Nach dem Abschluss der Vergleichsverhandlungen im Juni 2007 wurde das Paket im Dezember finalisiert. Insgesamt schloss das BMLV vier Serviceverträge ab. Auftragsvolumen: 177 Millionen Euro. Auf Gegengeschäftsvereinbarungen, die bis zum doppelten Kaufpreis reichen hätten können, verzichtete das Verteidigungsministerium, wie der Rechnungshofrohbericht beanstandet. Was den RH-Prüfern offenbar nicht bekannt sein dürfte: Aus internen Unterlagen des Amts für Rüstung und Wehrtechnik im BMLV geht hervor, dass Norbert Darabos’ Beamte in den Verhandlungen mögliche Gegengeschäfte aus den umfangreichen Serviceverträgen durchaus ansprachen. Doch die Vertreter von Eurofighter und des Mutterkonzerns EADS ließen die Ösis kalt abblitzen und lehnten Gegengeschäfte forsch ab. Im BMLV nahm man es ohne Gegenwehr zur Kenntnis.

Im Vergleich dazu vernachlässigbar sind von den Rechnungshofprüfern kritisierte Versäumnisse des Verteidigungsministeriums bei den Details der Vertragsgestaltung. So gewährte Darabos der Eurofighter GmbH Zins- und Verrechnungsvorteile bei der Vergebührung. Kleine BMLV-Flunkerei am Rande: Die Vertragsgebühr in Höhe von fünf Millionen Euro muss streng genommen von den Einsparungen abgezogen werden, die sich damit formal auf 365 Millionen Euro reduzieren. Opposition und der Koalitionspartner ÖVP ziehen den Realwert des Darabos-Deals ohnehin in Zweifel. Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner, BZÖ, befürchtet, dass „den kurzfristigen Ein­sparungen mittel- bis langfristig viel höhere Ausgaben gegenüberstehen“. Der freiheitliche Abgeordnete Manfred Haimbuchner schätzt, Darabos habe netto überhaupt nur 190 Millionen Euro eingespart. Und der Grüne Werner Kogler, Vorsitzender des parlamentarischen Rechnungshofausschusses, hält die Sparmaßnahmen generell für verfehlt: „Es stellt sich wirklich die Frage, ob am Schluss weniger Leistung mit mehr Geld erkauft wurde.“

Verweigerung. In seltener Eintracht verlangten die drei Oppositionsparteien vergangene Woche die Veröffentlichung des RH-Rohberichts. Doch Darabos verweigert die Herausgabe. Der Standort bestimmt den Standpunkt – vor vier Jahren hielt der heutige Verteidigungsminister oppositionelle Neugier für legitim und Vertraulichkeit für überflüssig. In einer Pressekonferenz am 21. Juli 2003 hatte Darabos, damals Bundesgeschäftsführer der SPÖ, die schwarz-blaue Regierung öffentlich aufgefordert, den insgesamt zweiten Rechnungshofbericht zum Eurofighter endlich offenzulegen (siehe Kasten).
Die involvierten schwarzen Regierungsmitglieder üben sich in Zurückhaltung. Nur sachte äußerten Finanzminister Wilhelm Molterer und Wirtschaftsminis­ter Martin Bartenstein Kritik an ihrem Ministerkollegen. Das Feuer kommt aus der zweiten Reihe. ÖVP-Wehrsprecher Walter Murauer: „Der von Darabos abgeschlossene Deal ist schlecht – anders kann man das nicht sagen.“

Der Druck auf den Verteidigungsminis­ter nimmt jedenfalls zu. In den kommenden Wochen muss das BMLV auf die Vorwürfe des Rohberichts reagieren. Die zentralen Punkte: Ist die Stückzahlreduktion tatsächlich eine Einsparung? Und macht sie militärisch Sinn? Dass das Bundesheer nun abermals gebrauchte und noch dazu weniger Abfangjäger erhält, soll die RH-Beamten laut profil-Informationen irritiert haben. Kein neues Phänomen: Schon bei vergangenen Eurofighter-Prüfungen warf der RH der Regierung Dilettantismus vor. Nach dem Hochwasser 2002 hatte die schwarz-blaue Regierung 18 statt wie geplant 24 Eurofighter bestellt. Der trockene Kommentar der RH-Prüfer in einem Bericht aus dem Jahr 2005: Der Stückzahlreduktion seien „keine militärischen Erwägungen“ zugrunde gelegen. Und „durch den verringerten Leistungsumfang“ – wie den Verzicht auf Raketen, Zusatztanks und Spezialsoftware – könne „die Effizienz des Flugzeugs nicht in vollem Umfang genützt werden“.

Rechnungshofpräsident Josef Moser wurde bei der Präsentation des Berichts noch deutlicher. Die Eurofighter würden die von ihnen verlangte Funktion bei der Luftraumüberwachung nicht erfüllen ­können. Die Geschichte wiederholt sich: Durch Norbert Darabos’ Sparprogramm wurde der Eurofighter weiter gerupft. Auf Infrarot-Nachtsichtgeräte müssen die Piloten ebenso verzichten wie auf elektronische Selbstverteidigungssysteme. Auch die langfristigen Folgen des ­Darabos-Kompromisses werden teuer sein.

Durch die Stückzahlreduktion müssen die einzelnen Maschinen häufiger eingesetzt werden. Dementsprechend kürzer ist ihre Gesamteinsatzdauer. Dreißig Jahre – wie geplant – werden die Eurofighter kaum geflogen werden können. Die Österreicher beurteilen den Abfangjäger-Deal des SPÖ-Verteidigungsministers skeptisch. Zwei Drittel der Bevölkerung glauben laut aktueller profil-Umfrage, der Vergleich mit der Eurofighter GmbH sei nicht günstig für Österreich gewesen. Kein Wunder, dass Da­rabos in der Bevölkerung ähnlich unbeliebt ist wie der Abfangjäger: Laut jüngsten Umfragen vertrauen die Österreicher keinem Regierungsmitglied weniger als dem glücklosen Verteidigungsminister. Den Fluch des Eurofighters, den er nie wollte, wird Darabos, der sein Amt mittlerweile lieb gewonnen hat, wohl nicht mehr los. Selbst über dem jüngsten Triumph des Rekordmeisters SK Rapid Wien liegt ein Schatten. Seit 2003 fördert ein prominenter Sponsor die erfolgreiche Nachwuchsarbeit des Vereins mit einer Million Euro jährlich: EADS.

Von Gernot Bauer