Auf der langen Bank

Eurokrise. Der fatale Kreislauf zwischen schwankenden Banken und taumelnden Staaten

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Elf Sunden reichten, um Europa aus trügerischer Sicherheit zu reißen.
Freitag, 15. Februar, Justus-Lipisus-Gebäude in Brüssel, kurz nach 17 Uhr. Die Regierungschefs haben den wuchtigen Glas-Beton-Bau verlassen und den EU-Gipfel beendet. Nur Nicos Anastasiades, der Präsident Zyperns, bleibt. Am Gipfel war nicht über den De-facto-Bankrott seines Landes gesprochen worden – immerhin hatten die Börsen noch offen. Anastasiades wartet in den Delegationsräumen Zyperns im siebten Stock und stellt sich auf eine lange Nacht ein.

Zwei Stockwerke tiefer treffen die Finanzminister der Eurogruppe zur Krisensitzung zusammen. Sie müssen zwischen zwei harten Varianten wählen: Plan A, favorisiert von Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, sieht eine Zerschlagung der zypriotischen Problembanken vor. Plan B, favorisiert von EU-Währungskommissar Olli Rehn, stellt auf die Besteuerung großer Spareinlagen auf zypriotischen Konten ab.

Das EU-Krisenmanagement bleibt dilettantisch
Plan A wird von der Mehrheit als zu riskant abgelehnt, Masseninsolvenzen werden befürchtet. Plan B findet schnell Fans in den Nettozahler-Ministern aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden. Frankreichs Pierre Moscovici und Österreichs Maria Fekter zögern und plädieren in seltener Einigkeit dafür, Spareinlagen unter 100.000 Euro zu schonen. Jörg Asmussen, Wortführer der Europäischen Zentralbank (EZB), hält vehement dagegen: Dann müsste man Einlagen über 100.000 Euro mit 16 Prozent besteuern, das sei zu hoch. Gegen 22 Uhr verlässt Zyperns Finanzminister Michalis Sarris erzürnt die Sitzung und stürmt zu seinem Präsidenten. Sie lassen die Bankgeschäfte Zyperns einfrieren – und beginnen, um Prozentsätze der Besteuerung zu feilschen. Ihr Ziel: Das Geschäftsmodell Steueroase soll gerettet, hohe Einlagen niedrig besteuert werden.

Die Verhandlungen werden im Ton schärfer. Um ein Uhr morgens droht Asmussen unverhohlen: Wenn es zu keinem Kompromiss komme, werde die EZB Zyperns Banken nicht länger stützen. Er ruft seinen Chef, Mario Draghi, an und warnt, dass Zyperns Bankensystem am Dienstag zusammenbrechen könnte.

Um vier Uhr Früh steht der Deal. Die Minister verlassen erschöpft das Gebäude. Wenige Stunden später ist die Eurokrise mit Wucht zurück. Seit vergangenem Herbst hatte sich die Hoffnung breitgemacht, die Eurozone habe das Schlimmste überstanden. „Der Höhepunkt der Krise ist überschritten“, tönte Klaus Regling, Direktor des Euro-Rettungsfonds ESM, stellvertretend für viele. Ein fataler Irrtum. Mit Zypern könnte der erste Eurostaat tatsächlich pleitegehen, Bank-Runs gelten als wahrscheinlich. Das Zypern-Schlamassel zeigt überdeutlich, warum die jahrelangen und billiardenteuren Versuche der Eurorettung scheitern: Das EU-Krisenmanagement bleibt nach x Sondergipfeln dilettantisch – seit vergangenem Sommer über Zyperns Banken zu diskutieren und dann hektischen Murks zu gebären kann nur als politische Bankrotterklärung bezeichnet werden. Die Lernkurve ist derart flach, dass im Jahr fünf der Eurokrise noch immer überdimensionierte Krisenbanken Staaten an den Rand der Pleite und Mini-Volkswirtschaften wie Zypern, verantwortlich für läppische 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone, die Gemeinschaftswährung erschüttern können. Manchmal sollen Steuerzahler Banken retten, manchmal kleine Sparer – nur die Bank gewinnt immer. Und kann weiterzocken, im sicheren Gefühl, im Notfall aufgefangen zu werden.

Der Vergleich macht sicher: In den USA wurden seit 2008, nach dem Kollaps von Lehman Brothers, 464 Banken weitgehend geräuschlos geschlossen – die Europäer hingegen retteten ihre Banken. Kein Wunder: „Die USA sind bei der Bankenregulierung viel weiter. Hier dauert alles ewig“, seufzt Ökonom Fritz Breuss. Von der Bankenunion bis zum Trennbankensystem – keines der versprochenen Kontrollinstrumente für Banken ist bisher in Kraft.

Kalmieren und Schönreden
Regierungschefs und Finanzminister übten sich seit einer Woche in der Kunst, die sie seit Jahren praktizieren: Kalmieren und Schönreden. Zypern sei ein Sonderfall, verlautete von Helsinki bis Athen. Tatsächlich herrscht Alarmstimmung, denn das Beispiel Zyperns zeigt erneut exemplarisch die unheilvolle wechselseitige Abhängigkeit zwischen Staaten und Banken. Laut einem Bericht der EU-Kommission haben die EU-Staaten seit dem Ausbruch der Finanzkrise ihre Banken mit der astronomischen Summe von 1800 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt. Umgekehrt sind die Banken die größten Gläubiger der Staaten.

Diese bedingungslose Bankenrettung brachte viele Staaten an den Rand der Zahlungsfähigkeit. Nach Irland, Spanien, Portugal und Griechenland nun also Zypern. Auch hier sind das eigentliche Problem die Banken: Mit schwacher Kontrolle und geringen Steuern holten sie massenhaft Geld ins Land. Die Banken sammelten so viele Milliarden ein, dass ihre Bilanzsumme achtmal so groß ist wie die Wirtschaftsleistung des Landes, und kauften Staatsanleihen in rauen Mengen, aus Zypern, aus Griechenland. Nach dem Athener Schuldenschnitt ist Zyperns Bankensystem am Kollabieren und wird seit Monaten mit Nothilfen der EZB künstlich am Leben gehalten. Die Rettung des einen kann der Todesstoß für den anderen sein: „Der griechische Haircut kostete Zypern ein Viertel seines Bruttoinlandsprodukts“, rechnet Harald Waiglein, Österreichs Vertreter im ESM, vor.

Das Dilemma der EU: Milliardenschwere Hilfspakete stoßen in der Bevölkerung auf immer weniger Verständnis. Im Falle Zyperns, wo von den rund 70 Milliarden Euro Spareinlagen über 20 Milliarden auf ausländische Anleger – vorwiegend Russen – entfallen sollen, ist der Unmut besonders groß. Wer will schon Oligarchen retten?

Zudem droht, obwohl ständig kleingeredet, eine Ansteckung der Eurozone. Die Bank of Cyprus und die Laiki Bank sind in Griechenland stark vertreten. Insgesamt liegen acht Prozent aller griechischen Spareinlagen bei Filialen zypriotischer Banken. Fällt Zyperns Finanzsektor, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Griechenland erneut taumelt.
Mit dem Plan, auch Kleinsparer zur Ader zu lassen, wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht. Denn die Botschaft ist angekommen: Im Ernstfall sind Spareinlagen bei Banken der Eurozone nicht mehr sicher.
Und noch eine Lehre aus dem Fall Zypern ist bitter: Eine gemeinsame Währung stößt an ihre Grenzen, wenn die Mitglieder diametrale Interessen verfolgen. Den Europartnern ist Zypern mit seinem aufgeblähten Finanzsektor als Steueroase ein Dorn im Auge. Der Steuersatz auf Unternehmensgewinne beträgt gerade einmal zehn Prozent. Erst auf Drängen der Euroretter wird nun eine Anhebung auf 12,5 Prozent überlegt. Es gibt fast halb so viele ausländische (Schein-)Firmen wie Einwohner. Doch der Inselstaat an der Peripherie Europas will seinen Status als Bankenland nicht aufgeben, auch mangels Alternativen: Die Industrie trug zuletzt nur rund zwölf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Das Exportvolumen lag im vergangenen Jahr bei gerade einmal 1,4 Milliarden Euro. Zypern müsste also seine Wirtschaft grundlegend umbauen und ein neues Geschäftsmodell finden. Von heute auf morgen geht das nicht, Zypern ist jetzt schon in der Rezession. Schwedens Finanzminister Anders Borg formulierte zynisch, aber treffend: „Zyperns Volkswirtschaft bestand aus Finanzsektor und Stränden. Jetzt bleiben nur noch die Strände.“
Man braucht kein Wirtschafts-Nobelpreisträger sein, um vorhersagen zu können, dass so Zyperns Schulden und Arbeitslosigkeit weiter wachsen – das Muster ist aus Spanien und Griechenland bekannt.

Fataler Kreislauf
In fünf Jahren der gescheiterten Euro-Rettungsversuche gelang es der EU nicht, den fatalen Kreislauf aus schwankenden Banken und taumelnden Staaten zu durchbrechen. „Das Schwierige an der Eurokrise ist, dass sie aus drei Krisen besteht, die sich permanent gegenseitig verstärken: Bankenkrise, Wachstumskrise, Schuldenkrise“, analysiert ESM-Vertreter Waiglein. Gegen die Schuldenkrise schnürte die EU allerhand (teils umstrittene) Mechanismen, vom Twopack über Sixpack bis zum Fiskalpakt, die alle den Zweck verfolgen, die Staatsverschuldung zu begrenzen. Das band offenbar alle Kräfte. Gegen die Wachstumskrise fiel ihr bisher wenig ein – und die Maßnahmen gegen die Bankenkrise sind über das Diskussionsstadium nicht hinausgekommen. Das mag auch an den Beteiligten liegen: In der EU-Expertengruppe „Gebi“ etwa, die im Auftrag von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier neue Regeln für Banken und Finanzmärkte entwickeln sollte, waren von 42 Teilnehmern 37 Vertreter von Banken, Versicherungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Jeder Häuslbauer weiß, dass es wenig Sinn macht, Regenschirme aufzuspannen, wenn es ständig durchs Dach regnet. Dennoch beschränkt sich das Krisenmanagement der EU vorerst auf Rettungsschirme und symbolische Aktionen. Hier ein Reförmchen bei Ratingagenturen, dort eines, das Gehälter der Banker minimal einschränkt – strukturelle Änderungen sehen anders aus.

Beispiel Bankenaufsicht: Eigentlich, so war es versprochen, sollte die EZB bereits seit Beginn des Jahres Großbanken kontrollieren und im Notfall Krisenbanken abwickeln können. Nun kommt sie frühestens im Jahr 2014 – vorausgesetzt, die Eurostaaten einigen sich bis dahin ­darauf, wie marode Banken zugesperrt werden können. 2015 ist wohl realistischer.

Beispiel Trennbankensystem: Seit vergangenem Herbst liegt der Liikanen-Bericht vor. Eine Expertengruppe der EU-Kommission, geleitet vom finnischen Zentralbankchef Erkki Liikanen, empfiehlt dar­in, risikoreiche Investmentgeschäfte vom risikoarmen Brot-und-Butter-Geschäft (Spareinlagen, Konten, Kredite) der Banken zu trennen – getreu dem Prinzip, dass Zocker nicht vertrauen dürfen, gerettet zu werden. Passiert ist seither nichts.

Beispiel Gläubigerbeteiligung: Bisher hatten Steuerzahler für Bankrettungen zu bezahlen, Inhaber von Bankaktien, -anleihen oder überhaupt Großgläubiger (in aller Regel wieder Banken) kamen dagegen meist ungeschoren davon. Das soll sich zwar ändern, das hat die EU geregelt – allerdings erst ab dem Jahr 2018. Immerhin satte zehn Jahre nach dem Fall von Lehman Brothers. Man muss kein Occupy-Wallstreet-Aktivist sein, um dieses zögerliche Tempo für fatal zu halten. Selbst Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef des weltweit größten Fondsanbieters Pimco, sagt: „Es ist höchste Zeit, Banken pleitegehen zu lassen und die Verluste nicht mehr zu sozialisieren, sondern auch an die Aktionäre weiterzugeben.“

Vergeblich. Die fünfjährige Geschichte der Eurokrise zeigt, dass die Politik im Wettlauf mit den Finanzmärkten und Banken stets zweiter Sieger blieb.
Es begann mit den Schieflagen deutscher Banken. Dann ging mit Island fast ein ganzes Land unter. Die Geldhäuser in Holland und Belgien, Frankreich und Großbritannien wackelten ebenso wie jene in Lettland und Irland. Wenige Jahre später standen die Banken in Griechenland und Spanien vor dem Abgrund. Die Reaktion der Regierungen? Stets die gleiche. Sie öffnen die Geldbörse ihrer Steuerzahler, weil bei einer Pleite eine Kettenreaktion durch Verluste anderer Banken, Versicherungen und Pensionsfonds befürchtet wird. Wenn dann das ganze Land wankt, muss es von stärkeren Staaten und der EU aufgefangen werden.

Politik als Wochenendtourismus
Im Gipfeln und Retten haben die Regierungschefs und Finanzminister der Eurozone schon Routine. Regelmäßig werden nach nächtlichen Marathonsitzungen Lösungen präsentiert, die nur halbherzig ausfallen und bald darauf nachgebessert werden müssen. „Politik wird vom Wochenendtourismus der Regierungschefs gemacht“, moniert Wifo-Chef Karl Aiginger. „Dass diese unter Zeitdruck und nach einer anstrengenden Arbeitswoche nicht zu den besten Ergebnissen kommen, hat das Beispiel Zypern eindrucksvoll gezeigt.“ Zögern, Zaudern, Dahinwurschteln, Lügen – nach diesen vier Prinzipien agieren Europas Politiker.
EU-Währungskommissar Olli Rehn forderte vor wenigen Wochen in einem Interview mit profil, dass Zypern glaubhaft gegen Geldwäsche und bei der Bekämpfung von Steuerflucht vorgehen müsse. Ansonsten gäbe es kein Hilfspaket. Das war nur der vorläufige Höhepunkt einer langen Reihe von Beteuerungen, die von der Realität alsbald Lügen gestraft wurden. Ein Blick ins Archiv zeigt: In der Eurokrise haben Versprechen selten lange Bestand. Beispiel Griechenland: Das Land benötige keine Hilfe, tönte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel im Frühjahr 2010. Wenige Wochen später war das erste Griechenland-Paket geschnürt. Zuvor galt der Ägäisstaat als „nicht systemrelevant“. Die Milliardenhilfen wurden dann mit der exakt gegenteiligen Argumentation beschlossen. Wenige Tage danach musste nachgelegt werden – um etwaige andere strauchelnde Staaten auffangen zu können. Die ließen nicht lange auf sich warten. Noch im Herbst 2010 wurde Irland gerettet. Vor allem die Unterstützung seiner maroden Banken, allen voran Anglo Irish, hatte den Staat an den Rand der Zahlungsfähigkeit gebracht.

Als auch Portugal unter den Rettungsschirm EFSF schlüpfte, war man überrascht, dass dieser nicht groß genug war. Entgegen anderslautenden Beteuerungen wurde er aufgestockt. Nur vorübergehend, beruhigte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble. Das war nicht einmal ganz geschwindelt. Im Juni soll der EFSF endgültig auslaufen. Er wird vom ESM abgelöst. Eine vergleichsweise elegante Lösung: Neuer Name – und schon wird aus einer temporären Hilfsinstitution eine unbefristete. Dass Griechenland mit den ursprünglichen Hilfsmaßnahmen nicht aus dem Schneider war, wurde zwischenzeitlich auch schnell klar. Im Zuge des – lange heftig dementierten – Schuldenschnitts schossen EU und IWF weitere Mittel nach.

Es kann auch anders gehen, wenn der Mut für Reformen da ist. Das exerzierte Island vor. Island bekam im Oktober 2008 als erstes Land mit voller Wucht zu spüren, was es bedeutet, wenn der Finanzsektor außer Kontrolle gerät. Die Parallelen zwischen dem Inselstaat im Norden und jenem in Süden Europas sind frappant. Angelockt von hohen Zinsen, pumpten Banken, Fonds und Anleger über Jahre Milliardensummen in ein weitgehend dereguliertes Bankensystem. Die Bilanzsumme der drei größten Banken Islands entsprach dem Neunfachen der Wirtschaftskraft des Landes. Im Zuge der Lehman-Pleite brachen sie zusammen und rissen das Land mit. Binnen kürzester Zeit waren 80 Prozent der Unternehmen und 30 Prozent der Privathaushalte de facto insolvent. Der Staatsbankrott wurde durch einen Milliardenkredit vom IWF verhindert. Die isländische Regierung zog gar nicht erst in Erwägung, Banken mit Steuergeld zu retten. Sie verstaatlichte alle relevanten Banken, ließ sie kaltschnäuzig pleitegehen und errichtete an deren Stelle „Good Banks“, in die ausschließlich das solide Inlandsgeschäft überführt wurde.

Bluten mussten Aktionäre, Zeichner von Anleihen und ausländische Anleger. Nur die inländischen Sparer wurden entschädigt. Island verprellte damit ausländische Investoren, nahm das aber bewusst in Kauf, denn der Staatshaushalt wurde so weniger belastet. Und Island krempelte sein Geschäftsmodell völlig um. Statt auf den Finanzsektor setzt man nun, mithilfe gezielter Wachstumsprogramme, auf Tourismus, Fischerei, alternative Energie und die Hightech-Branche. Mittlerweile hat sich das Land am Polarkreis von der Krise erholt, seine Wirtschaft wächst inzwischen schneller als die der meisten Länder Europas. Einen Großteil der Hilfsgelder konnte das Land bereits vorzeitig zurückzahlen.

Davon können Europas Krisenstaaten nur träumen. Auch deshalb haben die Euroretter ihr politisches Kapital verspielt. In zehn der 17 Eurostaaten, von Slowenien über Irland bis Griechenland, scheiterten die Regierungen an der Euro-Schuldenkrise. Die Geduld der p. t. Wähler ist am Ende. Ob das marode Italien in absehbarer Zeit eine handlungsfähige Regierung bekommt, wetten nicht einmal Optimisten.

Die Unsicherheit verstärkt die Abwärtsspirale. Die jüngsten Volten bei der Zypern-Rettung grenzen ans Dadaistische: Noch während das zypriotische Parlament über einen alternativen Rettungsplan debattierte – einen Solidaritätsfonds, der mit Kapital von Kirche und Pensionskassen gespeist werden und Staatsanleihen ausgeben soll –, wurde dieser von Merkel schon abgelehnt. Die Zwangsabgabe auf Bankguthaben war wieder am Tapet. Was gestern galt, ist heute schon überholt – so die einzige Conclusio aus dem Verhandlungschaos.

Der Fansektor des Euro ist seit einiger Zeit deutlich schütterer besetzt. Einer der treuesten Verteidiger war stets der wortgewaltige Wolfgang Münchau, Gründer

des Wirtschaftsdiensts „Eurointelligence“. Selbst er kommentierte dieser Tage: „Irgendwann kommt der Punkt, an dem es nicht mehr moralisch ist, eine Währung aufrechtzuerhalten, wenn den Regierenden und den Parlamenten Wille und Einsicht fehlen, sie vernünftig zu managen.“

Der Punkt könnte nicht mehr fern sein.

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Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin