KLEINE TIERE, GROSSE REISEN Auch Journalistin Denise Hruby war lange für dieses Projekt unterwegs. Die Recherchen werden nun via profil, OCCRP und "Guardian" veröffentlicht.
Investigativ

Illegaler Vogelhandel: Wie Schmuggler Millionen machen

Der verdeckte Handel mit artgeschützten Tieren ist ein Millionengeschäft. 2018 ging ein ukrainischer Schmuggler dem österreichischen Zoll in die Falle. Hier erzählt er seine irre Geschichte.

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VON DENISE HRUBY
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Als Stanislavas Huzhiavichus am Nachmittag des 26. April 2018 beim Einkaufszentrum „Neustadt Nord“ in Wiener Neustadt vorfährt, ahnt er, dass etwas nicht stimmt. Das Palmkakadu-Pärchen und die zwölf Paradiesvögel, die er in einem Audi A4 transportiert, sind zwar wohlauf und gut versorgt. Huzhiavichus, ein Ukrainer mit litauischen Wurzeln und litauischem EU-Reisepass, ist studierter Veterinär, er weiß, was er tut. Aber der Deal, den er gleich abschließen soll, ist selbst für einen Vogelschmuggler wie ihn keine alltägliche Sache. Ein unbekannter Interessent namens „Rudi“ hat 133.000 Euro für die unter Artenschutz stehende Fracht geboten.

Er hätte sich gar nicht erst darauf einlassen sollen, den neuen Kunden auf einem öffentlichen Parkplatz zu treffen, wird Huzhiavichus Jahre später sagen.

Doch an diesem Apriltag 2018 übergibt er vor dem EKZ Neustadt Nord 14 geschützte Vögel, die noch vor wenigen Wochen in den Baumkronen des Regenwalds flogen, an einen – Lockvogel.

Ruhig schieben Familien damals ihre Wocheneinkäufe über den Parkplatz des Einkaufszentrums, als gegen 15.30 Uhr „die Hölle“ losbricht, wie Huzhiavichus es heute erzählt: Beamte der Spezialeinheit Cobra springen aus einem weißen Transporter, verlangen laut schreiend nach seiner Waffe und werfen ihn zu Boden.

Der damals 25-jährige Ukrainer war an diesem Tag in eine Falle des „Zollamts St. Pölten Krems Wiener Neustadt“ getappt. Er wurde festgenommen, wanderte für vier Monate in Untersuchungshaft, stand in St. Pölten vor Gericht, ehe er ebenda freigesprochen wurde. Das erstinstanzliche Urteil ist allerdings bis heute nicht rechtskräftig (dazu später).

Mit dem Privatjet in die Ukraine

Der vorliegende Text ist das Ergebnis einer internationalen Recherche, die ich führte. profil veröffentlicht diese nun gemeinsam mit der Investigativplattform Organized Crime and Corruption Reporting (OCCRP) und dem britischen „Guardian“. Grundlage dafür waren ausführliche Gespräche mit Stanislavas Huzhiavichus in der Ukraine, dazu konnte ich Hunderte Seiten Gerichtsakten, sichergestellte Kommunikationsdaten und Fotos auswerten.

Die Recherchen zeigen, dass der 2018 in Österreich aufgeflogene Ukrainer Teil einer weitverzweigten kriminellen Organisation war, die artengeschützte Vögel aus Südamerika, Asien und Ozeanien nach Europa schmuggelt. Mittels gefälschter Dokumente und Duldung korrupter Beamter wurden Zigtausende Tiere in Privatflugzeugen in die Ukraine eingeflogen und von da auf dem Landweg in Europa verteilt. Die Kunden? Wohlhabende Züchter, Händler und Sammler, allesamt „Vogelliebhaber“, die bereit waren und sind, für Palmkakadus, Paradiesvögel, Tukane und andere seltene Arten jeweils ein kleines Vermögen auszugeben.

„Unser Täter war nur Teil eines groß angelegten Tierschmuggelrings“, erinnert sich Zollfahnder Andreas Pöchhacker, der die Untersuchungen im Fall Huzhiavichus leitete. „Wir waren zunächst überrascht, haben dann aber schnell verstanden, wie das Ganze abläuft.“

Die damaligen Ermittlungen führten nach England, nach Deutschland, nach Indonesien und Papua-Neuguinea, der Verdacht der Geldwäsche und des organisierten Verbrechens stand im Raum. Weil die Kompetenzen des österreichischen Zolls an den Landesgrenzen enden, leiteten Pöchhacker und sein Kollege Thomas Engel ihre Beweise an die jeweils zuständigen Behörden im Ausland weiter. Sie selbst hörten nie wieder von dem Fall.

„Wir liefern aus Chile, wir wollen aus Venezuela liefern. Wir arbeiten in Ecuador, Peru, Kolumbien, Asien, der Slowakei, Ukraine, Kroatien“, lautete (aus dem Englischen übersetzt) eine der WhatsApp-Nachrichten der Schmuggler an einen Kunden. Und: „Meine Leute sind jetzt in Australien und können von dort Eier und Vögel bringen.“ Man fliege mit Business Jets des Typs „Falcon“ und umgehe Grenzkontrollen mittels „Diplomatenpass“.

Alles Angeberei? „Nein“, betont Huzhiavichus. Das erste Gespräch mit dem ruhigen jungen Mann mit den halblangen braunen Haaren fand Ende Oktober 2021 in Kiew statt, kurz darauf folgte eine Einladung in seinen Heimatort, eine kleine Stadt in der Zentralukraine. Dort betreibt Huzhiavichus bis heute eine Auffangstation für verletzte Wildvögel und verstoßene Exoten wie die Graupapageien-Dame „Syoma“, die sich während des Interviews immer wieder auf seine Schulter setzt und ihn auf die Wange küsst.

Drogen? Waffen? Kakadus!

Der österreichische Zoll geht davon aus, dass es zumindest fünf Kuriere wie Huzhiavichus gab, die allesamt Vögel in Europa auslieferten. Schätzungen zufolge setzten sie damit um die 30 Millionen Euro um – pro Jahr.

In der österreichischen U-Haft sei er von den Mitinsassen zunächst belächelt, dann aber irgendwie beneidet worden, erzählt er im Haus seiner Eltern, während seine Mutter, eine pensionierte Kindergartenpädagogin, Kaffee kocht.

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„Drogen- und Waffenschmuggler, die wissen einfach nichts über das bessere Geschäft, und das ist natürlich das Geschäft mit den Tieren.“ Beim Drogenhandel sei das Risiko, erwischt zu werden, hoch, ebenso die Strafen. Aber bei Tieren? Darum kümmere sich eigentlich niemand. „Wenn du skrupellos bist, fährst du nach Indonesien, kaufst einen Palmkakadu für 500 Dollar und verkaufst ihn in Europa für 16.000 Euro. Und wenn du zehn davon lieferst, dann ist das ein ziemlich guter Weg, um schnell sehr viel Geld zu machen“, sagt er. Und setzt nach: „Astronomisch viel Geld.“

Als Kurier nahm Huzhiavichus pro Reise durch Europa um die 50.000 Euro für den Schmuggelring ein, je nach Seltenheit und Schutzstatus der Arten. Auch auf der internationalen Vogelmesse im italienischen Reggio Emilia, die seit acht Jahrzehnten Käufer und Händler aus aller Welt anzieht, standen geschmuggelte Vögel seiner Aussage nach hoch im Kurs. Bis zu 150.000 Euro setzte er hier an einem Tag um.

Die Margen waren so enorm, dass die Schmuggler schon zufrieden waren, wenn nur jedes dritte Tier den langen Transport überlebte.

Der Tierarzt und die „Nervenheilanstalt“

Zum Schmuggler wurde Huzhiavichus durch eine Annonce: 2017, gut zwei Jahre nach dem Abschluss des Veterinärmedizin-Studiums, antwortete er auf eine Stellenausschreibung für eine Zuchtstation exotischer Tiere in Kiew. Kurz darauf meldete sich ein „Konstantin Nikolaevich“ bei ihm, eine Woche später hatte Huzhiavichus einen neuen Arbeitsplatz: einen feuchten, fensterlosen Keller unter einer Kiewer Fahrschule, fluoreszierendes Licht, keine Ventilation, dafür ein stechender Geruch – nach Schimmel, Urin, Kot und Tod.

Über ein Dutzend Räume verteilt kauerten exotische Vögel in kleinen Käfigen, die meisten gestresst, traumatisiert, verletzt und schlecht versorgt.

Ein Drittel der Tiere verendete.

Seine Kollegen hätten den Keller „Arkham“ genannt, sagt Huzhiavichus – frei nach der tristen Nervenheilanstalt für Schwerverbrecher im „Bat-man“-Universum.

Die Zustände hätten ihn schockiert, dennoch sei er geblieben. In „Arkham“ hatte sich sein vorangegangenes Gehalt verdoppelt, obendrauf stellte „Konstantin“ ihm eine Wohnung in einem der teuersten Viertel Kiews zur Verfügung.

Es dauerte nicht lange, bis er begriff, dass er für das organisierte Verbrechen arbeitete. Er blieb. Huzhiavichus überzeugte seinen Chef, zumindest eine Ventilation zu installieren, er beschäftigte sich mit Diäten und verbesserte die Überlebensrate der Vögel. Der Boss war zufrieden. Persönlich traf er ihn nach eigener Aussage nie.

Alsbald war ihm klar, dass „Konstantin“ auch Kontakte ins nachrichtendienstliche Milieu haben musste. Er nutzte mehrere Namen, wechselnde Telefonnummern, und er hatte offensichtlich gute Verbindungen zu Beamten und Politikern in mehreren Ländern. Einige beschenkte er mit exotischen Tieren.

In Asien und Ozeanien war es vor allem „Maksym“, ein weiterer ukrainischer Veterinärmediziner, der für die Beschaffung der Vögel zuständig war. Fotos zeigen „Maksym“ mit Vertretern indigener Völker Papua-Neuguineas, die Federschmuck tragen; sie zeigen ihn auf einem Boot, das den Schriftzug „Police“ trägt; sie zeigen ihn schließlich auch mit Uniformierten der „Royal Papua New Guinea Constabulary“, die schwere Waffen tragen. Beamte der nationalen Polizei von Papua-Neuguinea sollen an den illegalen Geschäften beteiligt gewesen sein.

Auch Indonesien galt als wichtiger Herkunftsmarkt. Chris Shepherd, der den illegalen Artenhandel im Land seit mehr als 20 Jahren beobachtet und die „Monitor Conservation Research Society“ leitet, wundert das nicht. „Würde ich ein Einhorn zum Verkauf auf einem Markt in Indonesien finden, wäre ich auch nicht überrascht“, sagt er.

Viele der an Bord von Business Jets transportierten Vögel überlebten schon den Flug nach Kiew nicht. Etwa ein halbes Jahr, nachdem Huzhiavichus in „Arkham“ begonnen hatte, öffnete er eine Lieferung kleiner grüner Papageien, jeweils kaum größer als ein Smartphone. Seine Leute hatten in Asien 300 Tiere in viel zu kleine Sperrholzkisten gepfercht, nur 17 Tiere hatten den Horrortrip überlebt. 283 wurden im Restmüll entsorgt.

Das sinnlose Sterben verärgerte Huzhiavichus. Er konfrontierte seinen Chef, es kam am Telefon zum Streit, kurz darauf bekam er eine neue Aufgabe: Kurier. Mit seinem litauischen Pass reiste Huzhiavichus ab da durch die EU, um die Vögel auszuliefern. 1000 Euro Gage bekam er pro Reise, Spesen extra.

Viele der Käufer sitzen in Europa

Obwohl in der Europäischen Union Gelder für den Kampf gegen den illegalen Artenhandel zur Verfügung stehen, wird dieser oft als Problem des globalen Südens gesehen. Dass die Käufer, die den Handel erst so lukrativ machen, oft in Europa sitzen, wird dabei gern übersehen.

„Diese bestürzenden Funde erinnern uns daran, dass Tierschmuggel jeden Kontinent betrifft, und dass es auch genau hier in Europa passiert“, sagt John Scanlon, der Vorsitzende der Global Initiative to End Wildlife Crime. „Viel zu oft sind die Strafen viel zu niedrig, was den illegalen Artenhandel zu einem alarmierend risikoarmen und zugleich hoch lukrativen Unterfangen macht.“

Das gilt auch für die Causa Stanislavas Huzhiavichus. Nach vier Monaten Untersuchungshaft wurde ihm im August 2018 wegen Verstößen gegen das Artenhandelsgesetz – Strafrahmen bis zu zwei Jahre Haft – vor dem Landesgericht St. Pölten der Prozess gemacht, Huzhiavichus wurde in erster Instanz freigesprochen. Rechtskräftig wurde das Urteil allerdings nie. Nach dem Freispruch wurde Huzhiavichus aus der U-Haft entlassen und verließ Österreich.

Die Staatsanwaltschaft brachte Rechtsmittel ein, woraufhin das Oberlandesgericht Wien das Ersturteil kippte. Doch zu einem weiteren Verfahren kam es nicht mehr, da Huzhiavichus für die österreichische Justiz nicht mehr greifbar war. Unabhängig davon wurde er wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe verurteilt, die allerdings bis heute unbeglichen ist.

Mit dem Zug in die EU

Am einfachsten sei es gewesen, die Tiere an einen bestechlichen Lokführer der ukrainischen Bahn zu übergeben, der sie für ein paar Hundert Euro in ein Abteil sperrte, um sie so über EU-Grenzen zu transportieren. In Städten wie Budapest holte Huzhiavichus die Vögel dann vom Bahnhof ab und brachte sie mit Mietautos zu den Käufern.

Eine zweite Schmuggelroute lief über die Slowakei: Von Uzhgorod in der Ukraine wurden die Tiere von versierten Zigarettenschmugglern über die EU-Außengrenze ins slowakische Vyšné Nemecké gebracht, ehe Huzhiavichus sie entgegennahm.

In fein säuberlicher Handschrift zeichnete er jeden Deal in seinem Kalender auf, er behielt auch Tank-und Hotelrechnungen.

Auf seiner ersten Tour im September 2017 übernahm er vier Paradiesvögel in der Slowakei und brachte sie im Mietwagen mit EU-Kennzeichen bis nach Calais im Norden Frankreichs in etwa 20 Stunden Fahrzeit. Von hier aus nahm er den Eurostar-Zug nach London.

„Meistens winken sie dich einfach durch“, sagt Alan Roberts, einer der erfahrensten Ermittler der „Wildlife Crime Unit“ der britischen Polizei. Grenzkontrollen seien grobmaschig, der Fokus liege auf illegaler Einwanderung, geschmuggelte Tiere seien bloß „Zufallsfunde“.

Die wenigen Male, die Huzhiavichus tatsächlich nach den Vögeln im Kofferraum gefragt wurde, zeigte er stets Transportgenehmigungen, die authentisch erschienen.

Das hatte er 2018 auch gegenüber den österreichischen Behörden versucht. „Das war sein Stil: Er verheimlicht ja nichts“, erinnert sich Zollfahnder Pöchhacker an die Festnahme, bei der Huzhiavichus offen erklärte, dass es sich um geschützte Tiere handle – für welche er allerdings lückenhafte und fragwürdige Dokumente vorlegte, wie sich bei einer späteren näheren Überprüfung herausstellte.

Die Staaten und der Artenschutz

Der Schlüssel zum Schmuggel ist dabei genau das System, das die Tiere eigentlich vor dem illegalen Handel schützen soll: das Washingtoner Artenschutzabkommen „Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna“, kurz CITES.

Laut dem Abkommen, dem 183 Staaten der Welt beigetreten sind (Österreich im Jahr 1982), ist der internationale Handel von mittlerweile mehr als 38.000 gefährdeten Tier- und Pflanzenarten grundsätzlich verboten, da deren Entnahme aus der Natur die Bestände und damit das Überleben der Spezies gefährdet. Doch CITES gestattet Ausnahmen. So dürfen Tiere beispielsweise zu wissenschaftlichen Zwecken gehandelt werden, oder – wichtiger – wenn sie bereits in Gefangenschaft geboren wurden. Jedes Jahr werden solcherart weltweit mehr als eine Million Transaktionen mit eigentlich geschützten Arten registriert.

Um Ländergrenzen passieren zu können, benötigt jedes Tier eine individuelle CITES-Dokumentation. In Österreich beispielsweise stellt das Umweltministerium entsprechende Bescheinigungen aus, laut Website des Ministeriums sind es an die 10.000 CITES-Dokumente pro Jahr.

„Es gibt viele Arten, wie das System der CITES-Bescheinigungen ausgenutzt wird,“ erklärt Crawford Allan vom WWF in den USA, spezialisiert auf Wildtierkriminalität. So lassen sich Antragsformulare ebenso leicht fälschen wie Einfuhrnachweise oder die Ring-Kennzeichnungen der Vögel selbst. All das werde ohnehin kaum geprüft, so Allan. Im Zusammenwirken mit korrupten Beamten an Landesgrenzen hätten die Schmuggler nur allzu leichtes Spiel.

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Er habe seine CITES-Dokumente obendrein beliebig oft wiederverwenden können, erzählt Huzhiavichus. Mit ein und derselben Genehmigung habe er oftmals bis zu 20 Tiere geschmuggelt. Eine davon hatte das deutsche Bundesamt für Naturschutz ausgestellt, für einen Papageienpark in Deutschland. Dessen Betreiberin hatte ein Tier für einen Züchter legal importiert, ehe die Dokumentation in die Hände von Schmugglern gelangte und dort für illegale Zwecke eingesetzt wurde.

Der britische Exzentriker

Nach eigener Darstellung übergab Huzhiavichus im September 2017 in London vier Paradiesvögel an einen Freund eines in Großbritannien bekannten Tierzüchters und -händlers, dessen Raubtiersammlung bereits vor Jahren Schlagzeilen in England machte. 16.000 Euro habe der Brite für die vier geschützten Vögel bezahlt, berichtet Huzhiavichus. Eine gute Ergänzung für dessen Zoo: Bereits im Hinterhof seines Hauses in London hatte er einst vier seltene Leopardenarten gehalten, ehe sich Nachbarn beschwerten. Für ein paar Jahre betrieb er dann ein „Conservation Center“ in der Grafschaft Kent, ehe er es mangels Profitabilität 2015 schloss und nach Cornwall übersiedelte. Als „freundlichen Exzentriker“ beschreiben ihn Nachbarn beim erfolglosen Versuch, Dalton auf seinem Anwesen anzutreffen.

Die Tiere – Nebelparder, Geparden, Satansaffen und chinesische Riesengleithörnchen — versteht er als Teil seiner „privaten Sammlung“, die er hinter hohen Zäunen mit Überwachungskameras versteckt. Erst zwei Jahre, nachdem er in das schmucke, fast zwei Millionen Euro teure Herrenhaus gezogen war, erfuhren die umliegenden Landwirte von den Katzen, die sich zu Cornwalls Schafen und Kühen gesellt hatten: Um Weihnachten 2017 entkam einer der Leoparden, streunte sechs Tage lang über die hügelige Landschaft und riss teure Zuchtschafe, ehe er eingefangen werden konnte.

Die Nachbarn waren in Aufruhr; bei einer Versammlung sprach man über die Gefahr, die von den Tieren ausgehe – doch erstaunlicherweise fragte anscheinend niemand nach, wie die vom Aussterben bedrohten Arten überhaupt ins entlegene Cornwall gekommen waren.

Zumindest bei einigen Vögeln lassen sich Hinweise zur Herkunft finden, in behördlich sichergestellten Chats. Demnach stand der britische Züchter offenbar in direktem Kontakt mit einem „Marko Vukovic“ (einer der Aliasnamen, den die Schmugglerbande nutzte) und wurde von diesem in einem Chat als „regular customer“ bezeichnet.

Huzhiavichus sagt, er habe mehrfach geschmuggelte Vögel an den Briten geliefert und legt dazu Bescheinigungen vor, die etwa die Übergabe von Tukanen und Palmkakadus dokumentieren sollen.

Im August 2018, wenige Monate, nachdem Huzhiavichus Dalton die Paradiesvögel geliefert haben will, zeigte der Engländer auf seinem Instagram-Account das Foto eines Paradiesvogels: „Einer unserer atemberaubenden männlichen Paradiesvögel in vollem Federkleid“, schrieb er damals. Nach einer Medienanfrage im Zuge dieser Recherche hat er das Bild von Instagram gelöscht. Dass diese Paradiesvögel legal erworben wurden, hält Vogelexperte Chris Shepherd für unwahrscheinlich: „Die Chance, dass die geschmuggelt wurden, ist sehr hoch. Jeder Privatbesitz von Paradiesvögeln sollte untersucht werden.“

Der britische Züchter wollte sich auf mehrfache Anfrage der beteiligten Journalistinnen nicht äußern.

Die deutschen Papageienschützer

Mit seiner ersten erfolgreichen Schmuggelreise gewann Huzhiavichus das Vertrauen seines Chefs. Fast wöchentlich fuhr er fortan zu Käufern in ganz Europa – und alle, so sagt er, hätten ganz genau gewusst, dass sie geschmuggelte Tiere kauften. Unter diesen soll laut Huzhiavichus etwa ein deutscher Geschäftsmann ein „Stammkunde“ gewesen sein. Dieser ist in Deutschland kein Unbekannter, und das nicht nur wegen einer recht turbulenten Vergangenheit in der „Halbwelt Berlins“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ 2019 berichtete. Er ist unter anderem auch Gründer eines Vereins zum Schutz von vom Aussterben bedrohter Papageien.

Auf Anfrage der recherchierenden Journalistinnen stellten die Anwälte des Vereins jedwedes Fehlverhalten in Abrede. Sie bestätigten lediglich, dass der Unternehmer mit einem „Marko Vukovic“ Kontakt hatte, nachdem dieser Vögel zum Kauf angeboten hatte. Dazu sei es aber nie gekommen, weil die Tiere positiv auf ein Herpes-Virus getestet worden seien. „Zu dem Zeitpunkt hatte unser Klient kein Wissen, dass es Anzeichen für fragwürdige oder illegale Aktivitäten in Zusammenhang mit dieser Person gab oder geben könnte“, schrieben die Anwälte des Vereins.

Ein Schwede namens „Rudi“

Nach einem Treffen mit dem Deutschen fuhr Schmuggler Stanislavas Huzhiavichus im April 2018 in Richtung Süden. Nach Österreich, wo er einen neuen Käufer treffen sollte: einen schwedischen Vogelliebhaber namens „Rudi“, der sich für Palmkakadus und Paradiesvögel interessierte.

Die österreichischen Zollfahnder hatten Monate zuvor erstmals Informationen über eine international agierende Schmugglergruppe erhalten und daraufhin eine Falle ausgelegt, in die der Kurier schließlich tappte. Laut dem Einsatzbericht hatten die Beamten rund um das geplante Scheingeschäft mit dem Auftauchen von zwei womöglich bewaffneten Tschetschenen „als Bodyguards“ gerechnet und die Cobra angefordert. Huzhiavichus war damals allein gekommen.

Mit seinem früheren Chef will er nichts mehr zu tun haben, kurz nach seiner Enthaftung 2018 sei man in Streit geraten, erzählt er.

Nach der Invasion Russlands am 24. Februar dieses Jahres wählte er dann doch eine alte Telefonnummer. Huzhiavichus’ Angebot, die Vögel aus dem muffigen Keller unter der Fahrschule in Kiew zu evakuieren, lehnten die früheren Komplizen aber ab.

Stanislavas Huzhiavichus hat die Ukraine bis heute nicht verlassen, ungeachtet seines litauischen Reisepasses. Warum? Er antwortet verblüfft: „Was soll dann aus meinen Vögeln werden?“

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Elena Loginova (OCCRP/slidstvo.info), Philip Oltermann („The Guardian“) und Lisa Cox („The Guardian“) haben an dieser Geschichte mitgearbeitet. Übersetzungen von Olena LaFoy (OCCRP) und Nick Flynt (OCCRP).